Es ist ein verzweifelter, aber mutiger Schritt: Zehn Lkw-Fahrer aus Simbabwe, die für eine slowakische Tochterfirma der Hegelmann Group arbeiten, haben seit Ende Januar ihre Arbeit niedergelegt. Sie protestieren gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen und wollen die ihnen zustehenden Löhne – ver.di fordert Konsequenzen für den Arbeitgeber.
Die Lastwagen der zehn afrikanischen Männer stehen auf Raststätten in Deutschland, Frankreich und Italien – darunter Krefeld, Nürnberg, Merklingen, Bremen und Wildeshausen. Die Fahrer, die für eine slowakische Tochterfirma der Hegelmann Group in Europa unterwegs sind, setzen damit ihre Existenz aufs Spiel, denn ihre Arbeitgeber reagieren mit Einschüchterung und massiven Repressionen.
Existenzieller Druck und Angst vor Repressionen
„Ich stecke in der Klemme, habe kein Geld für Lebensmittel, um meine Kinder zu Hause zu ernähren“, erklärt einer der Fahrer, der in Wildeshausen steht. Die Männer sind nach Europa gekommen, um als Lkw-Fahrer Geld für sich und ihre Familie im südafrikanischen Simbabwe zu verdienen. Doch nach Aussagen der Fahrer hätten sie monatelang in ihren Fahrzeugen übernachten müssen und nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn erhalten, sondern seien mit 30 Euro pro Tag abgegolten worden.
Nun befürchten der Fahrer in Wildeshausen und seine Kollegen schwerwiegende Konsequenzen durch ihren Arbeitgeber und die slowakischen Behörden – eine Angst, die durch die bereits erlebten Repressionen mehr als begründet ist. Seit Beginn der Proteste wurden die Fahrer massiv unter Druck gesetzt. Neben Einschüchterungsversuchen kam es sogar zu einem vereitelten Kidnapping eines Lkw samt Fahrer. Die Polizei musste eingreifen, um den Betroffenen zu schützen. Inzwischen läuft ein Verfahren gegen die Spedition.
Vor dem Hintergrund erneuter Proteste von Lkw-Fahrern gegen ausbeuterische Arbeitsbedingungen fordert ver.di Politik und Unternehmen auf zu Handeln: „Politik und Unternehmen müssen endlich Verantwortung übernehmen und die eklatanten Missstände im Straßengütertransport beenden. Dazu gehört auch, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz unverändert beizubehalten“, sagte Andrea Kocsis, stellvertretende ver.di-Vorsitzende.
Gezielte Anwerbung und systematische Abhängigkeit
Das Unternehmen, wie viele andere Logistik-Unternehmen aus Osteuropa, wirbt gezielt Fahrer aus Simbabwe an. Diese Männer sehen in der Arbeit eine neue Perspektive, doch genau diese wird von den Unternehmen als Druckmittel eingesetzt. Die Fahrer werden ausgebeutet, sind an das Unternehmen gebunden und oft hilflos. Dass sie nun durch einen wilden Streik Widerstand leisten, ist eine absolute Ausnahme.
Deutschland trägt Verantwortung, weil die betroffenen Lkw-Fahrer im Auftrag eines Unternehmens arbeiten, das seinen Sitz hier hat – die Hegelmann Group. Auch wenn die Fahrer bei einer slowakischen Tochterfirma angestellt sind, profitiert ein deutsches Unternehmen von ihrer Arbeit und den niedrigen Löhnen. Zudem verpflichtet das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz Unternehmen dazu, für faire Arbeitsbedingungen entlang ihrer gesamten Lieferkette zu sorgen. Ignorieren wir diese Missstände, fördern wir ein System, das Ausbeutung zulässt und wirtschaftliche Vorteile auf Kosten der Menschenrechte erzielt.
Die Umsetzung der europäischen Lieferkettenrichtlinie in nationales Recht sowie die Einhaltung der Sorgfaltspflichten sind unabdingbar, um ausbeuterische Arbeitsbedingungen zu verhindern. Deshalb fordert ver.di die konsequente Beibehaltung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes.
Besonders besorgniserregend ist das aktuelle politische Werben für eine Abschwächung oder gar Abschaffung der Berichtspflichten. „Die Einhaltung von Menschenrechten darf nicht unter dem Vorwand des Bürokratie-Abbaus gefährdet werden. Das Einsparen eines Berichtsbogens darf nicht wichtiger sein als die unternehmerische Verantwortung gegenüber den Beschäftigten“, so Kocsis weiter.