Jedes Jahr fallen bundesweit mehr als 65 000 Menschen dem plötzlichen Herztod zum Opfer. Wahrscheinlich sind es sogar viel mehr. Vielen Todesfälle könnten aber verhindert werden .
Jedes Jahr fallen dem plötzlichen Herztod in Deutschland mindestens 65.000 Menschen zum Opfer. Wahrscheinlich sind es sogar viel mehr. „Das müsste nicht sein. Der plötzliche Herztod ist in aller Regel kein schicksalhaftes Ereignis, von dem es kein Entkommen gibt“, betont der Herzspezialist und Chefarzt der Kardiologie am Sana-Herzzentrum Cottbus, Dr. Axel Harnath.
Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist die häufigste zugrundeliegende Erkrankung. Häufig verursacht durch Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen (hohes Cholesterin). Auch die Genetik und ein ungesunder Lebensstil durch Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel und Drogenkonsum spielen eine Rolle. Ursachen des plötzlichen Herztods können auch Herzmuskelerkrankungen, seltener Herzklappenerkrankungen sowie angeborene Herzfehler sein.
Experten der Cottbuser Spezialklinik beantworten Fragen der Lausitzer zum plötzlichen Herztod und bedrohlichen Herzrhythmusstörungen.
Mehrmals hatte ich nachts eine hohe Pulsfrequenz verbunden mit häufigem Wasserlassen in Minutenabständen. Was könnte die Ursache sein und muss ich mir deshalb Sorgen machen?
Ein schneller Puls ist eine völlig normale Körperreaktion, wenn dies unter körperlicher Belastung auftritt oder bei Aufregung in Angst-Situationen. Kommt es dagegen ohne ersichtlichen Grund zu Herzrasen, sollte unbedingt eine ärztliche Abklärung erfolgen. Tritt ungeklärtes Herzrasen ohne begleitende Alarmzeichen auf, steht die sofortige Anfertigung eines EKGs im Vordergrund und zwar unbedingt solange das Herzrasen noch anhält. Denn nur dann lässt sich im EKG sehen, ob Vorhofflimmern dahintersteckt. Ist das Herzrasen wieder vorbei, kann dazu mit dem EKG rückwirkend keine Aussage mehr gemacht werden.
Was passiert eigentlich genau beim sogenannten Plötzlichen Herztod?
Kammerflimmern bringt das Herz aus dem Takt, so dass es aufhört zu schlagen. Dadurch stoppt die Durchblutung des Körpers und der Patient bricht nach wenigen Sekunden bewusstlos zusammen. Nach zwei bis drei Minuten atmet er nicht mehr und verstirbt, wenn nicht umgehend Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet werden. Bei manchen Menschen kündigt sich das Herzversagen Stunden oder sogar Tage vor der Attacke unter anderem durch Brustschmerzen, Herzklopfen oder Luftnot an.
Sobald ich mich Abends ins Bett lege und einschlafen will, habe ich das Gefühl, dass mein Herz stolpert. Tagsüber ist das nicht so. Ich habe wirklich Angst einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen. Was kann ich tun?
Sie beschreiben Extrasystolen des Herzens, die sich bei vielen Betroffenen als Herzstolpern bemerkbar machen. Meist sind sie harmlos. Treten die Extrasystolen jedoch neu oder häufiger am Tag auf, sollte eine ärztliche Vorstellung erfolgen, um zu klären, ob diesen eine Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems oder des Stoffwechsels zugrunde liegt und ob eine Behandlung erforderlich ist. Treten Symptome, wie plötzlich einsetzende Atemnot auf, handelt sich um einen medizinischen Notfall, der dringend notärztlich behandelt werden muss. Bei harmlosem Herzstolpern ist normalerweise keine Behandlung erforderlich. Wenn Sie dennoch etwas unternehmen möchten, können Sie auf das Mineral Kalium zurückgreifen – entweder täglich oder bei Bedarf, was bei vielen Menschen gut gegen Herzstolpern hilft. Grundsätzlich kann auch ein niedrig dosierter Betablocker hilfreich sein, insbesondere wenn die Beschwerden stressabhängig auftreten. Allerdings sollte eine solche medikamentöse Therapie genauso wie eine zusätzliche Kalium-Einnahme nie auf eigene Faust erfolgen, sondern immer nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt.
In 2011 hatte ich eine Bypassoperation. Seither habe ich bewusst ca. 10 kg abgenommen, was auch notwendig war. Bis vor 10 Jahren habe ich noch viel Sport getrieben. Jetzt gehe ich immer noch 2-mal wöchentlich schwimmen, trainiere mindestens eine halbe Stunde täglich auf dem Ergometer. Nun stelle ich fest, dass mein Puls morgens beim Blutdruckmessen bei 46-48 Schlägen liegt. Ist das ein Problem?
Sie sind offenbar an einer koronaren Herzkrankheit erkrankt, daher die Bypass-Operation. Im Übrigen sind Sie wohl in einem recht gutem Allgemeinzustand hinsichtlich Körpergewicht und körperlicher Aktivität. Die Pulsfrequenz unter 50 pro Minute ist grundsätzlich nicht zu beanstanden und könnte auch bestehen bleiben, solange keine Beschwerden vorliegen. Erst bei einer Frequenz unter 40 pro Minute müsste eingeschritten werden, gegebenenfalls mit einem Herzschrittmacher.
Ich fühle mich seit einem halben Jahr immer sehr müde und schlapp. Seit drei, vier Wochen sind jetzt auch vor allem abends meine Beine geschwollen. Ich habe Angst, dass mein Herz plötzlich stehen bleibt. Kann das passieren?
Die verringerte Leistungsfähigkeit ist eines der wichtigsten Zeichen einer Herzschwäche. Meist wird dies begleitet von dem Gefühl der Luftnot bei Belastung. Wenn jedoch vor allem die rechten Herzhöhlen von der Herzschwäche betroffen sind finden sich typischerweise auch Wasseransammlungen in den Beinen. Eine Herzschwäche wäre vorstellbar. Vereinbaren Sie am besten einen Termin bei einem Kardiologen. Eine Herzschwäche ist natürlich ein Risiko für den plötzlichen Herztod.
Ist Rauchen wirklich so schädlich?
Rauchen ist der entscheidenste Risikofaktor für die Entwicklung einer Koronaren Herzkrankheit. Zwar gibtes für die krankhafte Verengung der Gefäße eine ganze Reihe von Risikofaktoren, aber neben Übergewicht, Bluthochdruck und Stress trägt besonders das Rauchen zu der Gefäßerkrankung bei.Nicht zu unterschätzen ist auch, dass Nikotin Suchtpotential hat und Abhängigkeit erzeugt. Doch nimmt zum Beispiel ein 50-Jähriger Abschied von der Zigarette, hat er statistisch gesehen nach etwa zehn Jahren wieder das Herzinfarkt-Risiko eines Nichtrauchers erreicht.
Weil ich das Gefühl habe, dass irgendetwas mit meinem Herzen nicht stimmt, habe ich mir eine Smartwatch gekauft. Ist das EKG darauf wirklich verlässlich?
Mit einer solchen Uhr lässt sich ein Elektrokardiogramm erstellen lässt, das zwar schlicht ist, aber Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern erkennen kann. Dafür berührt man einfach den seitlichen Sensor der angelegten Smartwatch mit einem beliebigen Finger der anderen Hand und startet die Aufzeichnung. Voruntersuchungen haben gezeigt, dass tatsächlich eine 95-prozentige Übereinstimmung von dem von der Smartwatch erkannten und dem klinisch dokumentierten Vorhofflimmern besteht. Nicht zu empfehlen ist die Uhr aber zum Erkennen eines Herzinfarktes. Dafür ist die EKG-Funktion der Smartwatch im Vergleich zu einem EKG, wie es in der Klinik oder von Notärzten vor Ort zum Einsatz kommt, zu einfach.
Ich leide seit einigen Wochen immer wieder unter Ohnmachtsattacken. Sie treten wie aus dem Nichts auf. Muss ich mir sorgen machen?
Eine kurze Bewusstlosigkeit kann nicht nur zu gefährlichen Stürzen führen, sondern auch ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod anzeigen. Ohnmachtsattacken sollten daher gewissenhaft abgeklärt werden. Unbedingt erwähnen sollten Sie bei der Abklärung einer Ohnmachtsattacke, ob Sie kurz vor der Bewusstlosigkeit Hinweise für Herzrhythmusstörungen gespürt haben wie etwa Herzstolpern, Herzklopfen, Herzrasen oder auch einen deutlich langsameren Puls als sonst. Denn Ohnmachtsattacken, die auf Herzerkrankungen wie etwa Rhythmusstörungen zurückgehen, bedeuten oft ein stark erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod, was auf jeden Fall abgeklärt werden sollte.
Ich treibe viel Sport, aber man hört ja immer wieder von Sportlern, die am plötzlichen Herztod sterben. Woran merke ich, dass ich gefährdet bin?
Solche Schicksale sind sehr tragisch. Manchmal wird dann vielleicht hängen geblieben sein, dass Sport gefährlich ist und besser nicht betrieben werden sollte. Doch die Wahrheit sieht anders aus, denn mit Sport kann man in vielen Fällen sein persönliches Risiko für einen plötzlichen Herztod wirkungsvoll senken. Beim plötzlichen Herztod im Sport wird ein Herzkammerflimmern am häufigsten von Vorerkrankungen des Herzens hervorgerufen, die im Vorfeld nicht erkannt oder nicht ausreichend ernst genommen wurden. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen steht dabei an erster Stelle eine angeborene Erkrankung des Herzmuskels, bei Sportlern ab dem 35. Lebensjahr mit Abstand am häufigsten auf eine koronare Herzkrankheit zurück, die umgangssprachlich auch oft als Verkalkung der Herzkranzgefäße bezeichnet wird. Zwar kann das Risiko für einen plötzlichen Herztod während der sportlichen Belastung in der Tat etwas ansteigen, allerdings übertrifft der schützende Effekt durch regelmäßigen Sport deutlich die Gefahr, während der körperlichen Belastung einen plötzlichen Herztod zu erleiden.
Mir wurde wegen Herzschwäche vor sechs Jahren ein Defibrillator eingesetzt. Nach zwei Jahren löste er einen Schock aus. Auf Anraten der Ärzte fuhr ich danach ein halbes Jahr lang kein Auto. Gibt es Regelungen, dass ein Defi-Träger nach dem Auslösen eines Schocks nicht mehr Auto fahren darf?
Bei Menschen mit einem implantierten Defibrillator hängt die Fahrtauglichkeit wesentlich von der Einschätzung ab, wie groß das Risiko für einen Bewusstseinsverlust aufgrund erneuter Herzrhythmusstörungen ist. Da bei Patienten mit einem Defibrillator diese Gefahr in der Regel erhöht ist, dürfen Betroffene in einer Vielzahl der Fälle nicht als Berufskraftfahrer ein Fahrzeug im Straßenverkehr führen. Für Privatfahrer existieren dagegen abweichende Empfehlungen. Nach einer Rhythmusstörung mit Schockabgabe muss in aller Regel eine Fahrpause von mindestens drei Monaten eingelegt werden. Danach kann der behandelnde Kardiologe individuell entscheiden, ob der Patient wieder Auto fahren darf. Bei stabiler Situation ohne weitere Rhythmusstörungen kann dies problemlos möglich sein.
Ich habe gelesen, dass der plötzliche Herztod jeden treffen kann. Ist es empfehlenswert einen Defibrillator für zu Hause zu kaufen?
Für den plötzlichen Herztod ist am häufigsten Kammerflimmern verantwortlich, das nur durch einen Elektroschock gestoppt werden kann. Da der Elektroschock allerdings sofort und ohne Zeitverlust erfolgen muss, kommt der Notarzt fast immer zu spät. Ob solche Geräte auch für zu Hause eine sinnvolle Anschaffung darstellen, ist völlig offen. Unklar ist zum Beispiel, ob die Defibrillatoren bei einem drohenden plötzlichen Herztod in der privaten Wohnung nicht eher dazu beitragen, dass es zu Verzögerungen bei der Notarztalarmierung kommt oder die Herzdruckmassage und Beatmung vernachlässigt werden, die bei solch einem Notfall ebenfalls enorm wichtig sind. Wenn Sie glauben, ein solches Gerät für zu Hause kaufen zu müssen, sollte vorher mit ihrem Kardiologen Rücksprache halten, ob diese Geldausgabe tatsächlich sinnvoll ist.
Ich habe vor drei Wochen einen Herzschrittmacher implantiert bekommen. Wie viel Abstand zu Handys, Küchenherden, Mikrowellen, Waschmaschinen und anderen elektrischen Geräten einhalten?
Bei neueren Herzschrittmachern erwarten Experten heute meist keine bedeutsamen Störungen mehr durch Mobiltelefone. Zur Sicherheit wird allerdings weiterhin empfohlen, einen Mindestabstand von 15 bis 20 cm zwischen eingeschaltetem Handy und Herzschrittmacher einzuhalten. Von Haushaltsgeräten, wie Herd, Toaster, Waschmaschine, Spülmaschine, Trockner, elektrischer Dosenöffner sollte zum Schrittmacher ein Mindestabstand von 15 bis 30 cm eingehalten werden.
Vor wenigen Tagen hat mein Kardiologe ein Vorhofflimmern bei mir entdeckt, obwohl es mir sonst gut geht. Ich mache mir sorgen, ob das Reizklima an der Nordsee eine Gefahr darstellt. Sollte ich mein Reiseziel ändern?
Da Sie erfreulicherweise keine Beschwerden durch das Vorhofflimmern haben, sollten Sie auch möglichst wenige Einschränkungen in Ihrem täglichen Leben akzeptieren. Dies gilt auch für die Wahl Ihres Urlaubsortes. Darüber hinaus gibt es in der medizinischen Fachliteratur keine Hinweise, dass sich Vorhofflimmern oder auch andere Herzrhythmusstörungen unter dem Einfluss des Reizklimas an der Nordsee verschlechtern. Wenn Sie sich an der Nordsee und auf den Inseln stets besonders wohl fühlen, sollten sie in diesem Fall Ihrem Gefühl mehr Bedeutung beimessen als irgendwelchen eventuellen Statistiken. Sie können also an die Nordsee in den Urlaub fahren.
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