Beim Verkehrsausschuss am Montag kamen nicht nur Logistikverbände und Transportexperten zusammen, sondern auch Berufskraftfahrer, die über ihren Alltag auf der Straße berichteten.
Es ist letztendlich eine Folge des Fahrermangels, dass Mitte Dezember im Deutschen Bundestag eine dritte Anhörung des Verkehrsausschusses anberaumt wurde. Der sperrige Titel „Maßnahmen gegen den Berufskraftfahrermangel hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen, insbesondere der Situation an Rampen und auf Rastanlagen“ beinhaltete, dass der Ausschuss nicht nur auf Logistik- und Gewerkschaftsvertreter traf: Deshalb waren diesmal zwei Fahrer als Experten eingeladen: Neben Andreas Kernke, der bereits im Vorfeld eine ausführliche Stellungnahme an den Ausschuss gesendet hatte, war Mark Schneider eingeladen, anhand persönlicher Erfahrungen über die zahlreichen Problematiken aufzuklären. Gehört wurde auch Michael Wahl, der beim gewerkschaftsnahen Projekt Faire Mobilität in Berlin Beschäftigte aus den mittel- und osteuropäischen EU-Staaten berät.
In zwei Fragerunden wurden aktuelle Probleme besprochen und Meinungen konkretisiert. Unter anderem die mangelhafte Parksituation, die jüngst durch Zahlen und Fakten des ADAC belegt werden konnte. Unisono plädierten die Vertreter der Transport- und Logistikbranche und der Gewerkschaftsvertreter für mehr Park- und Rastplätze sowie für saubere sanitäre Einrichtungen. Der dringende Appell nach mehr Kontrollen der gesetzlichen Regelungen indes kam von Fahrerseite. „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst“, erklärte Mark Schneider, der in seiner Stellungnahme erklärt hatte, in vier Jahren Fahrertätigkeit noch nie kontrolliert worden zu sein.
Situation an der Laderampe – andere Länder gehen mit gutem Beispiel voran
Thema der Anhörung war auch ein mögliches Be- und Entladeverbot für Lkw-Fahrer an den Laderampen. Dafür sprach sich Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), aus, um diese zu entlasten. Für klare Verhältnisse wie in Portugal und Spanien, wo Berufskraftfahrer seit Anfang September 2022 nicht mehr be- oder entladen dürfen, plädierte auch Ronny Keller, Vertreter von Verdi. Das Be- und Entladen sollte nicht die Aufgabe des Fahrers sein, da er eh schon große Schwierigkeiten habe, ausreichend Ruhezeiten zu finden. Michael Wahl plädierte dafür, ein Be- und Entladeverbot zu prüfen. In jedem Fall aber müssten diese Tätigkeiten vergütet werden.
Der per Video zugeschaltete Berthold Richter, Geschäftsführer des mittelständischen Transportunternehmens Halsped , lieferte dazu Erfahrungen: Nicht nur negative, er sprach auch von internationalen Logistikunternehmen, die Ruheräume und Getränke für Fahrer bereitstellen würden. Andererseits konnte er Beispiele anführen, bei denen zum Entladen 17 Stunden benötigt wurden. Woanders hätten seine Fahrer bei einem Lebensmittelgroßhändler Waren über längere Strecken in Hallen entladen, bei Minusgraden. „Wann müssen wir noch die Regale einräumen?“, so Richter.
Lkw-Fahrer haben teilweise nicht mal Zugang zu Trinkwasser
Als „schwierig bis unmöglich und wenn dann nur gegen Bezahlung“, bezeichnete Berufskraftfahrer Kernke sogar den Wasserzugang auf Park- und Rastplätzen. Er selbst nehme Wasser grundsätzlich von zuhause mit.
Er begrüßte die Parkplatz-Zertifizierung, stellte auch klar, dass so manche positive Entwicklung wie die „Brummicard“ (für kostenlose Nutzung von Duschen) leider durchs „Hintertürchen“ vom Tankstellen- oder Parkplatzbetreiber wieder geschlossen wurde. „Da zahlen die Fahrer lieber, denn sie haben für stundenlanges Streiten keine Zeit.“
Die Fahrer würden von vielen Spediteuren dazu genötigt, ihre Fahrzeiten voll auszuschöpfen. Daher bleibt ihnen keine Wahl, als ihre Fahrzeuge auch im Parkverbot abzustellen, um gesetzliche Ruhezeiten einzuhalten, weil in der Nähe keine Parkplätze oder Raststätten vorhanden seien. Deren Infrastruktur sei in vielerlei Hinsicht unzureichend: Nach 21 Uhr würden die Duschen und Toiletten an Autobahn-Rastplätzen nicht mehr gereinigt und die Gaststätten hätten geschlossen.
Was auch soziale Kontakte unterbinde.
Lkw-Fahrer am Rande der Gesellschaft statt Anerkennung
Nach Einschätzung von Mark Schneider, stehen Lkw-Fahrer „am Rand der Gesellschaft“. Ihre Belange würden kaum wahrgenommen. Es gebe zwar viele gute Gesetze zum Schutz der Fahrer, allerdings sei ihre Kontrolle völlig unzureichend. Er wünsche sich mehr Anerkennung für die wichtige Arbeit der Lkw-Fahrer. „Es gibt in Deutschland mehr Siegel für fair gehandelten Kaffee als für einen fairen Transport“, sagte Schneider, der mit Beifall belohnt wurde.
Ulrich Binnebößel, Abteilungsleiter Logistik beim Handelsverband Deutschland (HDE), und Markus Olligschläger, Hauptgeschäftsführer Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL), verurteilten Pauschalisierungen. Denn manches, so Binnebößel, habe sich gebessert. Als Lösungansatz warb er für mehr Digitalisierung, auch sollte Be- und Entladen in Verträge zwischen Produzenten, Spediteuren und belieferten Kunden aufgenommen werden – als wertschöpfende Arbeit, die entsprechend honoriert werden müsse. Der BWVL-Vertreter stimmte zu, mit dem Hinweis, dass der Fahrer gesetzlich für die Sicherheit der Ladung auf seinem Fahrzeug verantwortlich sei. Daher könne er sich auch nicht aus dem Be- und Entladevorgang heraushalten.
Die zweistündige Anhörung hat, so bleibt zu hoffen, diesmal für konkrete Denkanstöße gesorgt, um künftige Entscheidung zu erleichtern. Im Januar soll es weitergehen. Um, wie Markus Olligschläger es fomulierte „Gräben zuzuschütten“, hat die Anhörung manche Grundlagen geschaffen.