Weder Klos, noch Sozialräume oder Einkaufsmöglichkeiten: Die Parkplätze an der Bundesstraße sind für Lkw-Fahrer eine Zumutung – wenn sie überhaupt einen Platz finden.
Anfang November auf der A8 bei Merklingen: Ein Auto rast in einen Lastwagen, der auf dem Standstreifen abgestellt ist. Der Beifahrer stirbt, zwei weitere Insassen müssen ins Krankenhaus. Vor eineinhalb Jahren war bei München ebenfalls auf der A8 ein Mann in einen abgestellten Lastwagen gefahren und gestorben. Der Lkw war in der Zufahrt zum Parkplatz abgestellt worden.
Dass es an Deutschlands Autobahnen zu wenige Parkplätze für Lastwagen gibt, ist nichts Neues. Dass Lastwagenfahrer ihre tonnenschweren Transporter deshalb notgedrungen auch in dafür nicht vorgesehenen Bereichen abstellen, ebenfalls. Doch man muss nicht bis zur nächsten Autobahn schauen, um das Parkplatzproblem zu erkennen. Es reicht ein Blick auf die B311. Doch fehlen hier nicht nur Parkmöglichkeiten. Auch Sanitäranlagen sind nicht zu finden.
Generell ist die Parksituation für Lkw-Fahrer sehr schlecht.
Peter Denkinger
Lkw-Fahrer suchen nachts Parkplätze
„Generell ist die Parksituation für Lkw-Fahrer sehr schlecht“, sagt Peter Denkinger von Denkinger Internationale Spedition in Ehingen. „Es benötigt viel Platz, der oftmals, wie ich denke, auch wegen des negativen Rufes nicht bereitgestellt wird.“ Seine Fahrer müssen nicht an der B311 übernachten, sie schaffen es aufs Firmengelände – ebenso die Fahrer von Stöhr Logistik in Rottenacker.
„Die Parksituation ist vor allem ein Problem für Lkw-Fahrer von weiter weg“, sagt Moritz Schwalb, Fuhrparkleiter bei Stöhr. Wenn seine Fahrer auf der B311 unterwegs sind, würden sie es über Nacht zurück in die Spedition schaffen. Sie müssten zwar ihre gesetzlich vorgeschriebenen Pausen einhalten, aber tagsüber sei es selten ein Problem, einen Parkplatz zu finden. „Parkplätze gibt es schon“, sagt er. „Aber bei Rastmöglichkeiten sieht es anders aus.“
Dann ist man übers Wochenende schon nicht zu Hause und dann steht man auf so einem Parkplatz.
Moritz Schwalb
Die Parkplätze haben keine Sanitäranlagen oder Einkaufsmöglichkeiten
Ihm ist wichtig, zu betonen, dass die Fahrer von Stöhr ihre Wochenenden nicht im Lastwagen verbringen. Doch vor allem an den langen Wochenenden wie Pfingsten oder Weihnachten sieht er die Situation der Fahrer, die an der B311 übernachten müssen, als kritisch an: „Dann ist man übers Wochenende schon nicht zu Hause und dann steht man auf so einem Parkplatz. Es gibt keinen Sozialraum, keine WCs, nichts zum Händewaschen.“
Wer seine Ruhezeit im Lkw verbringen müsse, sollte mindestens einen „geeigneten Stellplatz mit ausreichend Waschmöglichkeiten, Duschen, WCs, Einkaufsmöglichkeiten sowie Sozialräumen“ haben. Doch meist gibt es nachts nicht mal genug Parkplätze.
Wer mit seinem Lastwagen einen Platz für die Nacht braucht, müsse zum Teil schon früh anfangen zu suchen. Teilweise seien die Parkplätze schon um 16 oder 17 Uhr gut belegt. Einige würden sich auch abseits der Bundesstraße einen Stellplatz suchen. „Es gibt Gebiete oder Straßen, wo das nicht so auffällt“, sagt Schwalb, der solche Szenen immer wieder beobachtet.
Fahrer parken abseits der B311
Viele Lastwagenfahrer würden versuchen, in der Nähe von Toiletten oder Einkaufsmöglichkeiten zu parken, sagt ein Lkw-Fahrer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Viele müssten deshalb auf Industriegebiete ausweichen, würden in der Nähe von Tankstellen oder Supermärkten parken – „so, dass man vielleicht einen Fußmarsch von höchstens zehn Minuten hat“.
Es gibt lediglich an vereinzelten Parkplätzen Dixi-Toiletten.
Sabrina Lorenz
Nicht nur Toiletten würden fehlen, sagt er. Auch Sozialräume oder Duschen gibt es nicht. Im Sommer könnten sich die Fahrer mit mobilen Campingduschen selbst behelfen. Im Winter jedoch gehe das nicht. Wasser fürs Zähneputzen und Händewaschen hätten die meisten jedoch dabei.
Bund hat klare Regeln für einen Ausbau
Die Einschätzung der fehlenden Sanitäranlagen bestätigt auch das Regierungspräsidium Tübingen. „Es gibt lediglich an vereinzelten Parkplätzen Dixi-Toiletten“, sagt Pressesprecherin Sabrina Lorenz. Das Problem, dass es zu wenige Parkplätze gibt, gebe es an vielen Bundesstraßen in Baden-Württemberg, die eine hohe Auslastung haben. Das Land sei deshalb dabei, Konzepte für Rasthöfe an Bundesstraßen auszuarbeiten.
Allerdings liegt die Verantwortung für den Bau beim Bund als Straßenbaulastträger, also Eigentümer der Bundesstraßen. Die Förderung eines Autohofes bei Riedlingen habe der zum Beispiel im Jahr 2021 abgelehnt und darauf verwiesen, „dass die entsprechende Bundesrichtlinie einen engen räumlichen Zusammenhang mit einem Stellplatzmangel auf einer Bundesautobahn voraussetzt“.
Nach Einschätzung des Verkehrsministeriums ist die Situation für Lkw-Fahrende auf der B311 im Alb-Donau-Kreis wie auch auf vielen anderen Bundesstraßen in Baden-Württemberg nicht einfach.
Julia Pieper
Das bestätigt auch das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Die Förderung sieht höchstens eine Entfernung von drei Kilometer von einer Autobahn-Anschlussstelle vor. Für das Bauen von Rastplätzen an Bundesstraßen verweist das Ministerium auf eine andere Regelung: „Hiernach sollen Rastanlagen an Bundesstraßen an Streckenzügen mit einer vorhandenen oder geplanten Länge von mehr als 50 Kilometer ohne Ortsdurchfahrt angelegt werden.“
Das Verkehrsministerium kennt die Probleme
Das baden-württembergische Verkehrsministerium hat nach eigenen Angaben schon mehrmals beim Bundesverkehrsministerium wegen des Ausbaus verschiedener Parkplätze an Bundesstraßen angefragt. Das sei bisher jedoch ohne Erfolg gewesen. Auch in Zukunft rechnet man im Landesministerium nicht mit einem Ausbau der Parkplätze an der B311 seitens des Bundes.
Zur Situation der Lastwagenfahrer sagt Julia Pieper, stellvertretende Leiterin der Pressestelle des Landesministeriums: „Nach Einschätzung des Verkehrsministeriums ist die Situation für Lkw-Fahrende auf der B311 im Alb-Donau-Kreis wie auch auf vielen anderen Bundesstraßen in Baden-Württemberg nicht einfach.“
1500 Lkw sind täglich auf der B311 unterwegs
Das Ministerium unter der Leitung von Winfried Hermann (Grüne) hat vor ein paar Jahren eine Studie in Auftrag gegeben, die die Parksituation von Lastwagen an Bundesstraßen im Land ermittelt – mit Blick auf Ausstattung und Erweiterungsbedarf. Im Blick standen jedoch zweibahnige Straßen und dabei insgesamt 16 Parkplätze. An insgesamt sechs von ihnen stellten die Kontrolleure eine zeitweise Überlastung fest. Die B311 war bei der Untersuchung nicht dabei.
Die Branche versucht nun, sich selbst zu helfen, indem eigene Grundstücke für das Parken fremder Lkw zur Verfügung gestellt werden.
Andrea Marongiu
Im Alb-Donau-Kreis gibt es nach Aussage des baden-württembergischen Verkehrsministeriums insgesamt sechs Parkplätze an der B311 in der Zuständigkeit der Straßenbauverwaltung. Sie bieten in Fahrtrichtung Ulm Platz für bis zu 15 Lastwagen, in Fahrtrichtung Sigmaringen für bis zu zehn. Im Landkreis Biberach gibt es im Gewerbegebiet Ertingen außerdem eine größere Tankstelle mit Parkmöglichkeiten für Lkw. Nach Aussage des Regierungspräsidiums sind auf der B311 innerhalb von 24 Stunden bis zu 1500 Fahrzeuge „im Schwerverkehr“ unterwegs.
Verband sieht 2000 fehlende Parkplätze im Land
Der baden-württembergische Verband Spedition und Logistik (VSL) sieht in der B311 „eine wichtige regionale und überregionale Ost-Westverbindung“. Da Baden-Württemberg über ein vergleichsweise kleines Autobahnnetz verfüge, sei die Bedeutung der Bundesstraßen um so wichtiger. Im Land würden mehr als 2000 Lkw-Parkplätze fehlen, heißt es aus dem Verband.
Mögliche Konzepte werden erst noch erarbeitet.
Sabrina Lorenz
Schon entlang der Autobahnen sei die Situation immer wieder kritisch – noch schlimmer sei das entlang der Bundesstraßen. „Die Branche versucht nun, sich selbst zu helfen, indem eigene Grundstücke für das Parken fremder Lkw zur Verfügung gestellt werden“, sagt Andrea Marongiu vom VSL. „Kein leichtes Unterfangen, Themen wie Sicherheit, Überwachung, Sozialräume und so weiter spielen hier eine Rolle.“ Die fehlende Infrastruktur sorge „für Unmut bei allen Beteiligten“.
B311 ist eine wichtige Verbindungsstrecke
Für viele Speditionen ist die B311 eine wichtige Verkehrsverbindung zwischen Ulm, dem Schwarzwald und weiter Richtung Schweiz – auch für Stöhr und Denkinger. Es gebe zwar auch den Weg über die Autobahnen, doch sind die vielen Kilometer für die Unternehmen nicht wirtschaftlich, sagt Moritz Schwalb.
Kurzfristig sei die Situation auf der B311 nicht zu ändern, sagt Sabrina Lorenz vom Regierungspräsidium. „Mögliche Konzepte werden erst noch erarbeitet.“