Bielefeld. Es ist 0.30 Uhr. Samstagnacht. Das Wetter hält, es soll trocken bleiben. An der Einfahrt zum Firmengelände des Sauerstoffwerks Friedrichshafen auf der Friedrich-Hagemann-Straße hat sich eine kleine Gruppe Schaulustiger eingefunden. Sie arbeiten für das Technische Hilfswerk Bielefeld (THW), dessen Geschäftsräume sich nur einen Steinwurf entfernt befinden. „So etwas sieht man nicht jeden Tag. Uns interessiert die Technik, mit der dieser Koloss transportiert wird“, sagt ein Mitarbeiter des THW.
Der Leiter des Sauerstoffwerks, Ansgar Greve, kann seine Anspannung nicht verbergen. Die Vorfreude auf das Eintreffen des Transports ist groß wie auch die Hoffnung, dass die technischen Geräte einer 50 Millionen Euro schweren Investition unfallfrei und unbeschädigt eintreffen. Gegen 1.15 Uhr ist das Blaulicht eines Streifenwagens zu sehen. Er ist die Vorhut des Schwertransports, der aus insgesamt zwei Fahrzeugen besteht.
Anspannung kaum zu verbergen
Das erste Fahrzeug mit einem Wärmetauscher auf dem Auflieger biegt von der Friedrich-Hagemann-Straße in die Einfahrt zum Sauerstoffwerk ein. Zügig fährt es auf das Firmengelände und parkt dort. Gerade mal 72 Tonnen werden bewegt. Das 27 Meter lange Gespann bedeutet für den Fahrer keine große Herausforderung. Da muss es für den Spezialisten von Schwertransporten, dem Unternehmen Baumann aus der Nähe von Bonn, wesentlich dicker und länger kommen.
Die Lichterkegel des zweiten Transporters tauchen in der Dunkelheit auf. Immer langsamer wird das Ungetüm, bevor es nach rechts in die Einfahrt einbiegt. Die Walkgeräusche der Reifen auf dem Asphalt sind unüberhörbar. Ingolf Fischer sitzt am Steuer der Zugmaschine. Mit 30 Jahren zählt er zu den erfahrensten Männern am Steuer. Zwanzig Kilometer hat der Fahrer jetzt hinter sich. Gestartet ist er in Lenzinghausen.
70 Meter lange Fracht
Im Schlepp seiner Zugmaschine befindet sich die 70 Meter lange Fracht, die insgesamt 117 Tonnen wiegt und auf insgesamt 18 Achsen transportiert wird. Es ging in Bielefeld über die Talbrückenstraße, Am Wellbach, Heeper Straße, Brückenstraße in die Friedrich-Hagemann-Straße. Oft war der Radius von Kurven um Zentimeter zu eng oder beim Abbiegen standen Hindernisse im Weg. Zwei Ampelmasten und drei Laternen müssen auf der Anfahrt kurzfristig abgebaut werden.
An den Schaulustigen des THW zieht das elend lange Gefährt vorbei und scheint keine Ende zu nehmen. Am Ende des 70-Meter langen Aufliegers sitzt ein Mitarbeiter in gelber Schutzkleidung und Ledermütze auf dem Kopf. Wie in einer überdimensionalen Bratpfanne, die am Ende des Aufliegers angebracht ist, hat er die gesamte Fahrt über im Freien gesessen. Über Funk war er mit dem Fahrer verbunden und hat dort, wo es nötig war, die beweglichen Achsen des Tiefladers gesteuert.
Einfahrt des Sauerstoffwerks erreicht
Der Schwertransport hat die Einfahrt des Sauerstoffwerks erreicht. Einfach nur links abbiegen geht nicht. Die Tore der anliegenden Unternehmen von Coca-Cola und Spedition Hellmann sind, wie bei guten Nachbarn üblich, geöffnet. Vorwärts passiert der Schwertransport. Die Zugmaschine wird abgekoppelt und zieht den Auflieger jetzt auf das Gelände des Sauerstoffwerks. Nur ein paar Zentimeter bleiben links und rechts in der Einfahrt. Dann hat die 70 Meter lange Coldbox ihr Endziel erreicht. Die Anlage wird demnächst die Luft in Bestandteile wie Stickstoff, Sauerstoff, Kohlendioxid, Wasserstoff, das Edelgas Argon und diverse Edelgase zerlegen. Sie werden dann abgefüllt und gehen in den Verkauf.
„Mission geglückt! Heute ist der Tag X. Es macht mich total stolz“, zeigt Werksleiter Ansgar Greve seine Freude über den geglückten Transport. Für Bernd Segbers, der für den reibungslosen Ablaufs des Schwertransports verantwortlich war, scheint es nahezu Routine gewesen zu sein. „Die Länge des Fahrzeugs war schon eine Herausforderung. Doch ein gute Transportvorbereitung schaltet viele Probleme während der Fahrt aus“, erzählt Segbers. Vor fünf Monaten hatte sein Unternehmen bereits den gesamten Fahrweg mit einem Laser vermessen.
Problematische Kurven erkannt
Die Daten wurden dann auf einen Computer gespielt und die Fahrt des Schwertransports so simuliert. Hierbei konnten problematische Kurven oder Abbiegungen erkannt werden und schließlich der Fahrweg optimiert werden. Nichts wurde dem Zufall überlassen.
Gegen 2.30 Uhr in der Nacht ist die gesamte Aktion beendet. Nur Martin Neugebauer von RSV Verkehrstechnik legt noch ein paar Überstunden drauf. Er sammelt Halteverbotsschilder, die über die gesamten Fahrstrecke kurzfristig aufgestellt waren und für reibungslose Fahrt des Schwertransports sorgen sollten, wieder ein. Insgesamt sind es 130 Schilder, und keins sollte vergessen werden. Für Ansgar Greve wird es am 13. Mai morgens um 8 Uhr wieder spannend. Dann kommen zwei riesige Kräne, die bis zu 1.000 Tonnen heben können. Sie richten sie 70 Meter lange Luftzerlegungsanlage auf, so dass Anschlüsse und Treppen montiert werden können.
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