Weniger Stau an Raststätten: Auch das ist ein Ziel der neuen EU-Regeln für Lkw-Fahrer. Doch ob das gelingt, ist fraglich – und in Osteuropa gibt es gegen das komplette Trucker-Hilfspaket Widerstand.
Bis in die Nacht wurde verhandelt – am frühen Morgen dann müde Gesichter in Brüssel. Und eine nächtliche Posse um ein Nachtschlafverbot für Trucker in ihren Kabinen nahm ihren Lauf. Es sei „Außergewöhnliches“ erreicht worden, freute sich EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulz. Und Österreichs Verkehrsminister Norbert Hofer lobte seine eigene Regierung. Dies alles sei ja auch der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft zu verdanken. „Nach dem Beschluss sind sich viele vor Freude um den Hals gefallen.“
Doch die Freude währte nicht lange. Denn offenbar war nicht allen Verkehrsminister am frühen Morgen klar, was sie denn nun genau beschlossen haben: mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer – neue Sozialstandards, die das ganze Leben der Trucker umkrempeln sollenÜbernachtungen in den Führerhäusern sollen nicht mehr erlaubt sein. Für die Spediteure wird das teuer: Sie müssen in Zukunft für Unterkünfte in Hotels, Pensionen oder angemieteten Wohnungen entlang der Route sorgen. Während Hofer zunächst von einem „absoluten Kabinenschlafverbot“ gesprochen hatte, stellte eine Sprecherin inzwischen jedoch klar: Das gelte nur für die wöchentliche Ruhezeit, nicht für die Übernachtung nach einer regulären Schicht.
Weniger Lkw-Stau auf Rastplätzen?
Hofer freute sich schon über weniger Probleme auf überfüllten Autobahn-Raststätten, wo meistens geparkt wird. Problem dabei: Weniger Brummi-Stau auf Rastplätzen hätte er nur durchsetzen können bei einem generellen nächtlichen Schlafverbot in den Fahrerkabinen. Aber diese Lösung erwies sich als nicht konform mit Grundsätzen der „persönlichen Freizügigkeit“ und der Verkehrssicherheit, die auch nachts auf Autobahnraststätten eingehalten werden müssten.
Lkw-Fahrer dürften hier nicht anders behandelt werden als jeder andere Autofahrer, der hinter dem Steuer ein Nickerchen macht. Zumal viele Schilder daran erinnerten, man möge besser beim Parken hinter dem Steuer träumen als vom berüchtigten Sekundenschlaf während der Fahrt überwältigt zu werden.
EU-Diplomaten zogen einen Vergleich zu Übernachtungen im Wohnmobil. Hier gab es aber auch rechtliche Einwände: Auch in diesem Fall dürfe man ja nicht „überall“ übernachten. Dies würde aber das Aufstellen von eindeutigen Verbotsschildern an jedem Lkw-Rastplatz voraussetzen. Darauf wollten die Verkehrsminister mit Blick auf ihre Etats verzichten – zumal man es sich nicht mit den Truckern verderben wollte. Es gibt einige, die durchaus gern „bei sich zu Hause“ im Lkw schlafen.
Das nächtliche „Kabinenverbot“ soll jetzt also nur für längere Ruhezeiten gelten. Für entspannte Verhältnisse an Autobahnrastätten dürfte das nicht an jedem Tag reichen – zumindest aber am Wochenende, hoffen die EU-Verkehrsminister.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort
Was tatsächlich kommt, bleibt offen: Das Europaparlament muss das Nachtchaos rund um die Lkw-Fahrer jetzt lichten – mit einer klaren rechtsverbindlichen Ansage. Da sind noch einige schlaflose Nächte in Brüssel oder Straßburg programmiert.
Denn umstritten bleibt das ganze Trucker-Hilfspaket: Für gleiche Arbeit am gleichen Ort soll gleicher Lohn für alle gelten, egal aus welchem Land die Fahrer kommen. Sie dürfen auch nicht mehr ewig am Stück in Europa unterwegs sein, sondern müssen zwischendurch heimkehren. Längst überfällig für Frankreichs Verkehrsministerin Elisabeth Borne: „Das ist eine Vereinbarung, die Arbeitnehmer besser schützt.“ Ob die Vereinbarung trägt, muss sich aber erst noch erweisen.
Widerstand aus Osteuropa
Vor allem östliche Mitgliedsstaaten fürchten jetzt um Aufträge für ihre Spediteure, die ihre Fracht bisher noch oft viel billiger durch Europa fahren können als etwa ihre deutschen und französischen Kollegen. Polens Verkehrsminister Andrej Adamczyk war nicht zufrieden: „Es gibt noch Verhandlungsspielraum.“ Der ungarische Vertreter, Tibor Stelbaczkys, kritisierte das Ergebnis als „eindeutig protektionistisch“ und warnte vor Jobverlusten ungarischer Fernfahrer. Dem widersprach Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Gerade der Speditionssektor östlicher Länder sei in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Es brauche nun „einen Ausgleich zwischen sozial und wirtschaftlich“.
Deutschland, Frankreich, Österreich und andere EU-Länder wollten sich mit den bisherigen Arbeitsbedingungen nicht abfinden. Und auch nicht mit Billigkonkurrenz. Um Lohn- und Sozialdumping bei entsandten Arbeitern vorzubeugen, hatte die EU bereits im Mai eine Reform der Entsenderichtlinie abschließend verabschiedet. Der Transportsektor war dabei aber zunächst ausgeklammert worden. Diese Ausnahme soll nun nur noch beim reinen Import-, Exportgeschäft Bestand haben.
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