Wegen der Lkw-Blockafertigung in Österreich gibt es in Bayern oft lange Staus. Das Thema steht beim Besuch von Ministerpräsident Söder in Wien auf der Agenda.
Verglichen mit der sich dramatisch zuspitzenden Lage im Osten der Ukraine wirken die Probleme an der deutsch-österreichischen Grenze mit Lkw-Blockabfertigung und Fahrverboten lächerlich. Dies spüren und wissen auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Österreichs Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), als sie sich am Donnerstag im Wiener Kanzleramt zusammensetzen. Insbesondere Nehammer hat bei Söders Antrittsbesuch einen echten Kloß im Hals. In der Pressekonferenz berichtet er vor den Kameras von seinem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und wie dieser ihm geschildert habe, er wisse nicht, wie lange er noch lebe.
Keine Frage: Nicht nur Söder und Nehammer haben sich ihr erstes Treffen seit dessen Wahl am 6. Dezember anders vorgestellt. „Es ist Krieg in Europa“, betont Söder, der vor ziemlich genau zwei Jahren – Ende Januar 2020 – noch bei Putin im Kreml zu Gast war. Damals hatte sich Söder dafür ausgesprochen, dass der Westen mit Putin im Dialog bleibe: „Moskau sitzt nicht am Katzentisch der Weltpolitik.“ Nun spricht Söder offen von einem „durch nichts zu entschuldigenden Angriffskrieg“. Nehammer und Söder kündigen an, der Ukraine helfen zu wollen, auch bei der Aufnahme von Flüchtlingen.
Wien und München setzen im Transitstreit auf die Macht des Geldes
Trotz aller Betroffenheit sprechen Söder und Nehammer bei ihrem Arbeitsgespräch – bei dem auch der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) teilnahm – dann doch über all die Sorgen, die die Menschen an der bayerisch-österreichischen Grenze sowie entlang der großen Transitrouten zwischen Deutschland und Italien haben: „Knapp 2,5 Millionen LKW über den Brenner und damit mehr als über alle anderen Alpenübergänge in der Schweiz und Frankreich zusammen, sind für die Tirolerinnen und Tiroler nicht verkraftbar“, betont Platter später.
Die Frontlinie ist schon lange klar: Tirol lässt an besonders verkehrsträchtigen Tagen nur noch eine bestimmte Zahl von Lastwagen pro Stunde über die Grenze. Das senkt auf Tiroler Seite den Verkehr und damit die Staugefahr, auf bayerischer Seite aber wächst so minütlich die Blechlawine auf zig Kilometer. Auch Fahrverbote auf möglichen Ausweichrouten direkt durch die Bergdörfer ließen in Bayern viele Zornesfalten wachsen und Klagedrohungen laut werden. Auf der Gegenseite forderten die Tiroler mehr Verkehrslenkung etwa durch eine höhere Maut. In der Praxis aber änderte sich lange Zeit nichts.
In der CSU hat sich aber inzwischen ein durchaus interessantester Strategiewechsel durchgesetzt – wohlgemerkt im Vergleich zu der Zeit, in der die Partei noch selbst das Bundesverkehrsministerium inne hatte. Setzte die Partei bisher – so ist es überliefert – auf eine nur durch das Veto von Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verhinderte Klage, so treten Söder und Co nun auch für eine höhere Maut ein.
Die Mauterhöhung können jetzt sehr schnell erfolgen, sagt Söder. Ziel müsse eine europäische Mautidee von München bis Verona sein. Er habe Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in Berlin bereits per Brief in der Angelegenheit kontaktiert. „Berlin kann da eine Menge voranbringen“, sagt Söder und fügt hinzu: In jedem Fall seien die derzeit praktizierten Mittel zur Reduzierung des Lastverkehrs, die Blockabfertigung oder gar Fahrverbote, nicht nur rechtlich fragwürdig, sie würden bei der Problemlösung auch nicht sehr helfen.
Auch Nehammer betont, dass die Transitbelastungen über eine schnelle Erhöhung der Maut auf der Brennerroute im Interesse der Menschen beiderseits der Grenze reduziert werden müssten. Auch müssten die Arbeiten (auf deutscher Seite) für den Brenner-Basistunnel schneller vorangehen. Auch hier nickt Nehammers „Freund“ Söder einhellig.
Nehammer und Söder nennen aber noch keinen Zeitplan
So sehr Söder und Nehammer aber auch ihre neue gemeinsame Stoßrichtung betonen, einen konkreten Termin oder Zeitplan für die Umsetzung der Maut können oder wollen sie auch auf Nachfrage nicht nennen. Auch wegen der Lage in der Ukraine wäre eine zu große Ungeduld in dieser Frage aber zumindest an diesem Tag unpassend.
Nur einer macht direkt nach dem Treffen wieder Druck: „Nun müssen diesen Worten in Deutschland und Italien auch Taten folgen“, teilt Platter mit. In Tirol finden am Wochenende Gemeindewahlen statt. Alle Regionen der Brennerstrecke – Trentino, Südtirol, Tirol und Bayern – würden sich nun für eine höhere LKW-Maut aussprechen. „Dies muss nun von den Nationalstaaten und der EU rasch umgesetzt werden.“