Überall werden auch in Nordrhein-Westfalen händeringend Lkw-Fahrer gesucht – und die Branche kommt dem wachsenden Bedarf nicht hinterher.
Düsseldorf. Auch in Nordrhein-Westfalen werden Lastwagenfahrer knapp – vor allem weil der Bedarf steigt. Das Land beklagt derzeit einen massiven Mangel an geeignetem Fahrpersonal. Die Bundesarbeitsagentur verzeichnete 2017 dort durchschnittlich rund 3700 offene Stellen für Lkw-Fahrer. Das sind 2000 mehr als vier Jahre zuvor. Der Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW geht darüber hinaus von einer hohen Dunkelziffer aus. In NRW würden in Wirklichkeit wohl sogar rund viermal so viele Fahrer gesucht, sagt Vize-Geschäftsführer Marcus Hover. „Unsere Firmen haben es vor Jahren aufgegeben, die Stellen zu melden.” Das Problem ist auch allen anderen Bundesländern bekannt.
Hover spricht von einem gravierenden Fachkräftemangel. Denn der Bedarf an Fahrern steigt Jahr für Jahr. Ein Grund dafür ist die generell gute Konjunktur. Insbesondere der Internet-Handel wachse und damit verbunden der Warentransport, heißt es bei der Bundesarbeitsagentur. Laut Hover fallen in NRW auch die vielen Großbaustellen ins Gewicht: „Wir verlieren Fahrer-Kapazitäten im Stau.”
Fahrer und Unternehmer maximal belastet
Zwar stieg nach Angaben der Bundesarbeitsagentur und des Bundesamts für Güterverkehr auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigte LKW-Fahrer in Deutschland und NRW an – auch dank einer wachsenden Zahl ausländischer Beschäftigter. Doch reiche der Zuwachs nicht aus, um die Nachfrage zu decken. „Wir bleiben weit hinter dem Bedarf zurück”, sagt Hover.
Bei vollen Auftragsbüchern müssten die Unternehmen Aufträge schieben, massiv Überstunden aufbauen, Subunternehmer einsetzen oder notfalls Aufträge ablehnen. „Die Fahrer, aber auch die Unternehmer sind maximal belastet”, sagt Hover. „Ich habe die Branche noch nie so unter Druck gesehen wie jetzt.”
Und das, wo es zuletzt immer wieder hieß, osteuropäische Konkurrenz schnappe den deutschen Logisitikunternehmen mit Dumpingpreisen die Aufträge weg. Laut Bundesamt für Güterverkehr verloren die deutschen Lastwagen zwar Marktanteile an Osteuropa – die Verkehrsleistung der Lkw im deutschen Binnenverkehr ging dadurch aber nicht zurück.
Höhepunkt des Fahrermangels noch nicht erreicht
Der Höhepunkt des Fachkräftemangels steht nach Einschätzung von Hover noch bevor. Denn nach der aktuellen BAG-Marktanalyse waren 2016 rund 28 Prozent der mehr als 555.000 Lkw-Fahrer in Deutschland bereits 55 Jahre oder älter waren. In den kommenden Jahren gehen also viele Fahrer in Rente. Die Gruppe der unter 25-Jährigen machte dagegen zuletzt nur 2,5 Prozent der Fahrer aus.
Insgesamt zählte die Industrie- und Handelskammer NRW (IHK) im vergangenen Jahr im bevölkerungsreichsten Bundesland nur rund 800 Menschen, die eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer absolvierten. „Aktuell gibt es zwei bis drei Mal so viele gemeldete Ausbildungsstellen wie Bewerber in diesem Bereich”, sagt der nordrhein-westfälische IHK-Bildungschef Robert Schweizog. Ein Grund: Lkw-Fahrer sind viel unterwegs – und gerade die junge Generation hänge die Work-Life-Balance heute höher, meint er.
Wegfall der Wehrpflicht als Problem
Laut Arbeitsagentur könnte auch der Wegfall der Wehrpflicht zum Mangel an Lastwagenfahrern beigetragen haben: Denn bei der Bundeswehr können Wehrdienstleistende einen Lkw-Führerschein machen und ihn später im Beruf nutzen.
Für die Verbraucher ist der Fahrermangel Hover zufolge aber bisher nicht spürbar. „Es ist auch noch nicht so, dass dauerhaft ein Container im Duisburger Hafen stehen geblieben oder ein Supermarkt wegen mangelnder Belieferung geschlossen hätte. Irgendjemand fährt irgendwann noch jede Fuhre.”