In den nächsten Fahrzeug-Generationen kommt sie schwer in Mode: Die Windschutzscheibe, die großflächig Hinweise einblendet wie bei einem Computerspiel. Neuste Technik macht weitere Spielarten möglich – einige haben die Serie schon erreicht.
SP-X/Köln. Mehr und mehr wird das Auto zum fahrenden Computer, da ist es eigentlich kein Wunder, dass auch Funktionen aus der Unterhaltungselektronik Einzug halten. Nutzer sind hauptsächlich Sicherheit und Komfort, Unterhaltung spielt aber auch eine Rolle in der virtuellen Welt, die jetzt und in Zukunft im und rund um das Auto aufgebaut wird.
Jahrzehnte des Autobaus sollte die Frontscheibe vor allem Wetterschutz und Durchblick bieten. Nun kommt ihr eine neue Aufgabe zu: Sie wird Projektionsfläche und damit riesiger Bildschirm für fahrrelevante Informationen. Was die seit Anfang der Nullerjahre in Großserie im Auto erhältlichen und mittlerweile bis in die Kleinwagenklasse verbreiteten Head-up-Displays im kleinen leisten, geht jetzt auf die große Fläche. Aber nicht allein die Größe der Anzeige ist entscheidend: Der nächste Schritt ist die Integration von Augmented Reality, was übersetzt erweiterte Realität bedeutet. Im Sichtfeld des Fahrers werden virtuelle Hinweise eingespielt, die sich in seine Straßenansicht einfügen. Die Einbettung der so genannten Augmentierungen in die reale Aussicht nach vorn lässt den Fahrer sofort erfassen, wo und warum seine Aufmerksamkeit gefordert ist. Dass er den Blick nicht mehr von der Straße abwenden muss, ist neben dem Sicherheitsgewinn auch komfortabler.
So platzieren sich beispielsweise Navigationshinweise aus Sicht des Fahrers einige Meter vor dem Auto auf der Straße. Der Abbiegepfeil liegt scheinbar direkt auf der Spur, die der Fahrer nutzen soll, er muss ihm nur noch folgen. Auch Warnungen vor Gefahrenstellen erscheinen direkt auf der Fahrbahn. In Fahrtpausen könnte der Fahrer sich auf die Windschutzscheibe seine eingegangenen E-Mails anzeigen lassen.
Das Verschmelzen von computeranimierten Grafiken mit Daten der Umgebung ist im Kommen. Bereits im Serieneinsatz ist Augmented Reality auf Wunsch in der neuen Mercedes A-Klasse. Auf deren extrem breiten Bildschirm in der Mittelkonsole blendet das System vor Kreuzungen, Kreisverkehren oder unübersichtlichen Abbiegemanövern Bilder ein, die die Frontkamera aufgenommen hat und virtuelle Pfeile zeigen den Weg. Ein großes Head-up-Display mit Grafiken in Augmented Reality soll der für Anfang 2020 angekündigte Elektro-Kompakte VW ID Neo bekommen. Eine wichtige Voraussetzung für den Serieneinsatz in verschiedensten Fahrzeugen hat im vergangenen Jahr Autozulieferer Continental geschaffen: Die Hannoveraner haben den Bauraum des aufwendigen Systems durch den Einsatz von Wellenleiter-Technik auf ein Drittel des bisherigen Platzes reduziert, auf rund zehn Liter.
Dass die erweiterte Realität künftig auch beim Rangieren ihre Vorteile ausspielen kann, daran arbeiten Forscher am Fraunhofer Institut Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB). Mit Hilfe von Stereokameras und einer Datenbrille, die der Fahrer trägt, werden Auto oder Lkw quasi transparent. So soll der Fahrer zum Beispiel beim Einparken alle Hindernisse direkt und dreidimensional in ihrer realen Position sehen. Seine Perspektive wird dabei von einer virtuellen Sicht überlagert, die ein Computer auf Basis der Kameraaufnahmen generiert. Jüngst in Serie gegangen ist ein ähnliches Zusammenspiel der Kameras im Range Rover Evoque, der allerdings den Durchblick auf das, was sich direkt vor dem Auto und unter dem Vorderwagen abspielt, noch auf dem zentralen Bildschirm der Mittelkonsole einblendet.
Die erweiterte Realität zieht aber noch größere Kreise rund um das immer komplexer werdende Auto. So schult beispielsweise Automobilzulieferer Bosch Kfz-Mechatroniker mit Augmented Reality, künftig soll die Technik aber auch im Werkstattalltag eine Rolle spielen. Richtet der Werkstattmitarbeiter die Kamera seines Smartphones oder Tablets oder seine Datenbrille auf einen Bereich im Motorraum, werden ihm Erläuterungen, 3D-Objekte oder Videos in das reale Bild eingeblendet. Damit können etwa hinter Verkleidungen verborgene Strukturen angezeigt werden, wie die Verkabelung hinter dem Armaturenbrett. Vor dem Hintergrund immer komplexerer Fahrzeugtechnik und immer größerer Variantenvielfalt lassen sich so Reparaturarbeiten künftig erleichtern. Bosch spricht von einer Zeitersparnis von durchschnittlich 15 Prozent pro Vorgang, selbst bei einem gängigen Fahrzeug und wenig komplexen Arbeiten.
Neben dem Werkstattbereich lässt sich auch der Schauraum eines Autohauses in die virtuelle Realität verlagern. Audi und Mercedes beispielsweise lassen Autokäufer heute bereits per VR-Brille vor der Auslieferung in ihrem konfigurierten Neuwagen Probe sitzen. Und dann sind da noch die Visionen, bei denen der Übergang zur Unterhaltung fließend ist: Mit einer VR-Brille ausgestattet und auf der Fahrzeug-Rückbank sitzend erlebt man bei dem von Audi auf der Elektronikmesse CES vorgestellten „Holodrive“ eine besondere Fahrt. Während der Wagen im Straßenverkehr unterwegs ist, scheint es für den Brillenträger als flöge er durch den Weltraum. Dabei wird die virtuelle Welt mit dem Fahrverhalten des Autos synchronisiert: Beschleunigt der Fahrer, beschleunigt auch das Raumschiff, fährt das Auto eine enge Kurve, umkreist der Spieler in der virtuellen Realität ein gegnerisches Raumschiff. Das Passagierentertainment soll innerhalb der nächsten drei Jahre mithilfe handelsüblicher VR-Brillen auf den Markt kommen. Nebeneffekt der Anpassung der virtuellen Welt an die reale Schaukelei im Auto: Reiseübelkeit soll damit ausgeschlossen sein.
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