Das neue BKA-Gesetz tritt in Kraft, damit dürfen Beamte heimlich Smartphones und Computer ausspähen. Die demokratische Kontrolle der Polizei wird empfindlich geschwächt.
Vor zehn Jahren fing es an. Mit Bürgerrechtlern, die Alarm schlugen, mit Demonstrationen unter dem Brandenburger Tor („Freiheit statt Angst!“) und mit einem Bundesinnenminister, der sich ernsthaft vorwerfen lassen musste, er errichte eine „Stasi 2.0„, die bald in jeden privaten Laptop hineinkriechen wolle. Nun endet es.
Die Polizei in Deutschland darf sogenannte Trojaner einsetzen. Also Spionageprogramme, um heimlich Smartphones und Computer auszuforschen. Mit dem am Freitag in Kraft getretenen neuen BKA-Gesetz, das diese Maßnahme beinhaltet, zehn Jahre nachdem Wolfgang Schäuble sie als Innenminister erstmals anstrebte, kommt der Staatstrojaner in der Normalität an. Ein TÜV-Siegel vom Bundesverfassungsgericht klebt inzwischen auch drauf
Die Polizei hatte schon vorher die Möglichkeit, Festplatten zu beschlagnahmen, Sperrcodes zu knacken und Chats auszulesen; bei Ermittlungen wegen Kinderpornografie tut sie das regelmäßig, bei Razzien gegen Islamisten tragen die Beamten ebenfalls Computer aus Wohnungen, und danach leuchten sie bis in intimste Winkel des Kommunikationsverhaltens hinein, einschließlich selbst des Porno-guck-Verlaufs wie im Fall des Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz.
Das Neue an der Online-Durchsuchung per Trojaner besteht nicht darin, dass die Polizei überhaupt auf die digitale Privatsphäre zugreift – abgesehen davon, dass das angesichts der genannten Beispiele auch gar nicht in jedem Fall skandalös wäre -, sondern schlicht darin, dass dies künftig heimlich geschieht, dass also die Ermittler sich über Internetleitungen einschleichen können anstatt, wie früher, an die Tür zu klopfen und mit Durchsuchungsbeschlüssen zu wedeln.
So verschieben sich die politischen Maßstäbe
Ein Teil der polizeilichen Ermittlungsarbeit wird ins Geheime verlagert. Die Möglichkeiten einer rechtsstaatlichen Kontrolle der Polizei werden dadurch empfindlich verringert.
Gegen eine herkömmliche Beschlagnahme eines Smartphones oder Computers, die sich als überzogen herausstellt, können Betroffene sich vor Gericht wehren. Wird hingegen die Durchsuchung einer Festplatte heimlich vorgenommen und möglicherweise ergebnislos zu den Akten gelegt, fehlt ihnen schon die Chance, überhaupt davon zu erfahren. An die Öffentlichkeit gelangt so etwas nicht.
So ändern sich die Zeiten, so verschieben sich die politischen Maßstäbe: Vor zehn Jahren kam aus der schon damals im Bund mitregierenden SPD der Vorschlag, man solle wenigstens ein parlamentarisches Kontrollgremium einrichten, das den Einsatz von Schäubles Staatstrojaner vertraulich beaufsichtigt – ähnlich dem Kontrollgremium des Bundestags, das die Arbeit der Geheimdienste zu kontrollieren versucht. Damals war selbst der BKA-Chef dafür aufgeschlossen. Heute ist das fast vergessen, nicht einmal die Opposition fordert so etwas mehr.
Die Trennlinie zwischen der Polizei und den Geheimdiensten wird nicht nur äußerlich immer weiter verwischt, indem heute zum Beispiel das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum „verbindliche Absprachen“ quer durch diese sehr verschiedenen Behörden hervorbringen soll. Viel bedeutender dürfte sein, dass mit neuen Maßnahmen wie der heimlichen Online-Durchsuchung das brisante Privileg, Staatsgewalt im Geheimen ausüben zu dürfen, auch funktionell ausgeweitet wird: von den Geheimdiensten auf die Polizeibehörden, die es mit dem alltäglichen Geschäft zu tun haben.