Transitverbot durch Österreich, Blockabfertigung, Feiertage. Wenn all das zusammenkommt, stranden Tausende Lastwagen auf der Inntal-Autobahn. Außerdem: Verstopfte Parkplätze, volle Seitenstreifen – und Polizisten, die versuchen, Ordnung zu schaffen.
Eigentlich ist es wunderschön im Inntal. Friedlich ruhen die Dörfer und Höfe in sattem Grün, freundlich schauen die Berge herunter, der Riesenkopf, das Kranzhorn. Auf der Teer-Schneise mitten durch dieses Paradies aber tobt ein harter Kampf.
Es wird Abend auf der A93 Richtung Süden. Der Auftrag von Polizeihauptmeister Ludwig Epp und Polizeiobermeister Johann Schönberger: Chaos verhindern, für Sicherheit sorgen – so gut es geht.
„Hütchenspiel“ um einen Parkplatz
Schon am ersten kleinen Parkplatz steht ein Laster so weit in der Abbiegespur, dass die Zufahrt nur nach einer Vollbremsung möglich ist. Das geht nicht, zu gefährlich, entscheiden die beiden Verkehrspolizisten. Das Blaulicht ist an, dazu eine orange Warnleuchte – dennoch ist das Parken auf dem Seitenstreifen riskant. „Die gefährlichste Stelle auf der Autobahn überhaupt“, sagt Epp und prüft genau, was da an schweren Gefährten vorbeidonnert, bevor er aussteigt.
Er klopft an die Tür des Lkw und macht dem Fahrer klar, dass er weiterfahren muss. Der Mann ist einsichtig und wirft den Diesel an. Schönberger trägt die rot-weißen Warnhütchen zurück an die richtige Stelle weiter Richtung Parkplatz. „Das machen die gern mal“, sagt er lächelnd, „die Leitkegel, die wir vor einer Stunde hier aufgestellt haben, hinter ihren Laster stellen, nachdem sie geparkt haben.“ Hütchenspiele der besonderen Art.
Die beiden Polizisten Johann Schönberger und Ludwig Epp bleiben in all dem Stress gelassen.
Fernfahrer im Dauerstress
Die beiden sind großzügig. Sie wissen um die Nöte der Fernfahrer. Das Nadelöhr Richtung Süden ist verstopft, die Lkws werden dennoch losgeschickt, sie müssen irgendwo entlang der Autobahn einen Platz finden für die Nacht oder sogar ein ganzes Wochenende. Zwischen Inntaldreieck und Grenze gibt es nur 207 offiziell ausgewiesene Lkw-Parkplätze – in beide Richtungen. Täglich befahren aber Tausende Laster diese Strecke. Deren Fahrer, meist freundliche Kerle mit gutem Auge für enge Manöver, machen aus den wenigen Parkplätzen schnell die vierfache Menge. Man spricht sich ab, wer muss wann los, klärt die Reihenfolge, nutzt jeden Teer-Fleck.
Solange durch die Parkbuchten eine enge Gasse freibleibt, lassen die Polizisten die Männer am Steuer der riesigen Frachtschiffe gewähren. Diese Gelassenheit scheint die einzige Möglichkeit, mit dem Ausnahmezustand fertigzuwerden.
Der letzte Parkplatz vor der Grenze gerät aus den Fugen
Weiter geht´s Richtung Österreich, zu einem der üblichen Brennpunkte, dem Rastplatz Inntal West bei Kiefersfelden. Hier befindet sich einer der größten Lkw-Parkplätze, etwa 80 Stellplätze sind offiziell ausgewiesen. Aber viele Hundert Fahrer probieren ihr Glück und fahren bis kurz vor die Grenze, in der Hoffnung, doch noch eine Lücke zu finden.
An diesem Abend gibt es die Lücke nicht mehr, eine Wand aus Lkw versperrt die Rastanlage. Trotz eines gewissen Schildes – Lkw auf weiß, drumherum ein roter Kreis – und trotz einer Null hinter der Anzeige von freien Lkw-Parkplätzen ist ein schwerer Laster nach dem anderen einfach mal reingefahren, bis es nicht mehr weiterging. Jetzt staut es sich zurück bis auf die Autobahn, zwischen den Vieltonnern winzig erscheinende Pkw, mit gestressten Reisenden, die eigentlich nur ihr „Pickerl“ kaufen wollten. Nun aber stecken sie fest in der stählernen Prozession, die hier zum Stillstand gekommen ist.
Oft stehen die Lkw auf Zentimeter genau nebeneinander.
Mit Gelassenheit Ordnung schaffen
Eine schwierige und riskante Lage. Epp und Schönberger müssen schnell handeln. Ein Überblick, dann der Plan: Vorne anfangen, den Ausgang freimachen, eine Gasse schaffen. So eilen sie von Fahrertür zu Fahrertür und geben Anweisungen, den jeweiligen Platz zu räumen.
Das ist nicht einfach, die meisten Steuermänner kommen aus Osteuropa, man verständigt sich mit einfachen Worten und Händen und Füßen. ‚Wo sollen wir denn hin?‘, ‚ich darf nicht mehr weiterfahren, muss Pause machen‘, viele Bitten und manchmal Unmut. Den jeder verstehen kann, der die Arbeitsbedingungen der Männer aus Polen, Litauen, Weißrussland, Mazedonien und anderen Ländern Osteuropas sieht.
„Wo soll ich denn parken?“
Immer freundlich, manchmal bestimmt, gelingt es den beiden Polizisten, eine Durchfahrt zu schaffen. Langsam kommt der Stau in Bewegung, bis hinten ein überbreiter Schwertransporter auf den Rastplatz rollt – und steckenbleibt. Er will auf eine spezielle Parkfläche extra für solche Fälle. Nach langem Hin und Her, leider nur mit Worten, muss der Fahrer, ein Schwabe, einsehen, dass er rückwärts hinaussteuern muss, vorsichtig, in Millimeterarbeit an anderen Lkw vorbei, bis er wieder auf die Autobahn einfädeln kann.
Aber wohin dann? Epp und Schönberger erklären es geduldig, wie schon Dutzende Male heute Abend: Weiterfahren, über die Grenze, Kufstein Nord raus, im Kreisverkehr eine Runde drehen und wieder zurück Richtung Norden. „Da gegenüber“, sagt Schönberger und deutet über die Autobahn, „am Parkplatz Inntal Ost kannst du auf dem Seitenstreifen parken.“ Eigentlich auch das nicht ordnungsgemäß, aber was soll man machen? Da ist die Beschleunigungsspur lang genug, da geht das, man muss pragmatisch sein.
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Alle Lkw sind aufgeräumt, langsam kehrt Ruhe ein.
Pragmatismus statt Paragrafen
Praxisorientiert bleiben die Beamten hier auch bei Bußgeldbescheiden. Die wären eigentlich fällig für gefährliche Parkmanöver. „Aber wenn wir damit anfangen, werden wir nicht mehr fertig“, sagt Schönberger. „Während wir ein Bußgeld verhängen, stellen sich die nächsten Lkw hintendran, damit wäre das Ziel unseres Einsatzes verfehlt.“ Lieber sprechen Epp und Schönberger schnelle Platzverweise aus, in aller Freundlichkeit, und geben Tipps, wo die Fahrer vielleicht doch noch eine Bleibe finden können.
Tatsächlich schaffen es die beiden Polizisten, zu zweit gegen Hunderte Schwerlaster, das Chaos zu ordnen. Schmale Gassen bleiben offen, Pkws kommen durch zur Tankstelle, und die Laster werden oft zentimeternah aneinandergerückt. In den brummenden Gassen entsteht internationales Lagerleben. Polen radebrechen mit Italienern, Weißrussen mit Letten, das gemeinsame Schicksal verbindet.
Es wird dunkel, und es schaut gut aus. Immer weniger Lkw drängen von Norden heran, ihnen wird die Zufahrt zur Raststelle mit Blaulicht verwehrt. Schließlich ist es gut, die Ordnungshüter können abrücken, das Kaisergebirge leuchtet im letzten Abendlicht, es kehrt Friede ein, auch hier auf der Autobahn. Doch er wird nur von kurzer Dauer sein.