Polizei testet Atemluft. Viele der Kontrollierten hatten getrunken
Beim Blick in die Fahrerkabine rollten den Polizisten zwei leere Wodka-Flaschen entgegen. Anschließend zeigte das Testgerät bei dem Fahrer aus Bulgarien einen Atemalkoholwert von 2,6 Promille an. Der Mann hatte einen Stopp an der Rastanlage Weiskirchen in Südosthessen eingelegt. Seine Tour hatte ihn von Spanien hierher gebracht. Am nächsten Morgen wollte er seine Fracht im Rhein-Main-Gebiet verteilen.
Zeitgleich kontrollierte die Polizei an der Raststätte Wetterau West einen Fahrer aus Polen. Als erste Anzeige stand auf dem Testgerät ein Wert von fünf Promille. Die Beamten fanden heraus, dass der Mann erst kurz zuvor Alkohol getrunken und daher einen derart hohen Promillewert hatte. Nach einer halben Stunde pendelte sich die Zahl bei 2,7 Promille ein – bei einer erlaubten Alkoholgrenze von 0,5 Promille. Damit dieser Berufskraftfahrer nicht zu früh weiterfahren würde, schraubten die Polizisten Parkkrallen an sein Fahrzeug.
In einer spektakulären Aktion haben rund 250 Polizisten aus Hessen insgesamt 1200 Lkw-Fahrer auf Parkplätzen entlang der hessischen Autobahnen kontrolliert. Das erschreckende Ergebnis: 190 Fahrer hatten Alkohol getrunken, 79 Berufskraftfahrer darunter gar so viel, dass sie nicht weiterfahren durften. „Mit vielen Fahrern galt es, sich mit Händen und Füßen verständig zu machen, da der Großteil der Kontrollierten der deutschen Sprache nicht mächtig war“, heißt es in dem Polizeibericht der Aktion. Tatsächlich fielen vor allem Trucker aus Rumänien, Polen, Lettland und Bulgarien mit hohen Atemalkoholwerten auf.
Derartige Kontrollen finden meist gegen Ende des Wochenendfahrverbots am Sonntag um 22 Uhr statt. Dann beenden die Fahrer ihre Ruhezeit und machen sich wieder auf die Autobahn. Fällt ein Berufskraftfahrer mit einem zu hohen Alkoholwert auf, verhindern die Beamten zunächst die Weiterfahrt. Dafür können sie am Fahrzeug Parkkrallen anbringen oder Dokumente und Fahrzeugschlüssel einbehalten. „Wir werden das Problem nicht in den Griff bekommen, wenn wir das Nomadentum in der Fahrerbranche nicht beenden“, sagte Martin Bulheller, Sprecher des Bundesverbands Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL).
Laut dem Branchenlobbyisten betrifft das Alkoholproblem in erster Linie Fahrer, die wochenlang unterwegs sind und ihre Ruhezeiten weit entfernt von Zuhause auf Rastplätzen verbringen müssen. Bulheller verweist darauf, dass in Deutschland nahezu jeder zweite Kilometer im Fernverkehr von einem ausländischen Fahrer gefahren wird.
Laut der aktuellen Statistik der Straßenmaut entfielen im ersten Halbjahr 2018 knapp 56 Prozent der mautpflichtigen Straßenkilometer auf die Lkw-Flotte deutscher Speditionen. Die andere Hälfte verteilt sich auf Fahrer vor allem aus Osteuropa. Rund 800.000 schwere Lkw sind auf deutschen Fernstraßen unterwegs, davon stammen etwa 300.000 Fahrzeuge aus dem Ausland. Doch es gibt auch Reaktionen. In der Europäischen Union werden gerade neue Regeln über die Arbeits- und Freizeit von Lkw-Fahrern sowie deren Aufenthaltsort festgelegt.
In der EU wird noch eine andere Lösung diskutiert. Wie der European Transport Safety Council (ETSC) ausgerechnet hat, werden rund zwei Prozent aller in den EU-Ländern gefahrenen Kilometer von einem angetrunkenen oder betrunkenen Fahrer zurückgelegt. Jeder vierte Verkehrstote auf den Straßen der Europäischen Union ist nach der Analyse Opfer einer Alkoholfahrt. Als Konsequenz dieser Zahlen und des Risikos für Leib und Leben aller Verkehrsteilnehmer fordert der Verkehrssicherheitsrat einheitliche Regeln für den Umgang mit Alkoholsündern.
Eine Forderung betrifft die Technik: Die Experten wollen sogenannte Alkoholwegfahrsperren vorschreiben. Sind sie installiert, muss der Fahrer vor dem Start des Motors in das Gerät pusten. Nur wenn in der Atemluft kein Alkoholgehalt nachgewiesen wird, springt der Motor des Fahrzeugs an. EU-Staaten wie Dänemark, Finnland, Frankreich, Polen, Schweden, Belgien und die Niederlande nutzen bereits diese Apparate.
In Deutschland ist das noch nicht der Fall. So verlangt der Lobbyverband BGL, dass eine Einführung der Technik in ganz Europa erfolgen müsse. Lkw-Fahrer, die trinken, gehen ein hohes Risiko ein – für sich selbst und viele andere Menschen. So hatte ein Kraftfahrer an einer Autobahn-Raststätte nahe Darmstadt 1,6 Promille Alkohol in der Atemluft. Er fuhr einen Lkw mit Salpetersäure als Ladung. Für Fahrer von Gefahrguttransporten gilt die 0,0 Promille-Grenze.
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