Lange Lkw-Schlangen vor dem Parkplatz – in Sachsen-Anhalt ist das keine Seltenheit. Denn: Es gibt zu wenige Parkplätze für Laster. Für die Trucker ist das oft mit großen Hürden verbunden. Und wenn dann neue Stellflächen gebaut werden, geschieht das oft ohne die nötige Kompetenz, kritisieren Fernfahrer.
- An Sachsen-Anhalts Autobahnen gibt es zu wenige Stellplätze für Lkw-Fahrer auf. Nun sollen rund 400 neue Parkplätze gebaut werden.
- Das Problem: Fernfahrer kritisieren die neu gebauten Parkplätze als oft nicht sinnvoll gebaut. Oft fehlen Grünanlagen und Bäume, die im Sommer Schatten spenden.
- Experten verlangen deshalb, dass sich die Politik mehr einbringt – und sich beim Bau von Stellflächen nicht nur Privatleute verlässt.
Eigentlich ist ein Besuch eines Parkplatzes an der Autobahn eine schnelle Nummer: Schnell die Beine vertreten, snacken, noch schneller auf die Toilette – hoffen, dass es Seife gibt – und dann weiterfahren. Für einige Fernfahrer auf dem Parkplatz Kliekener Aue bei Dessau an der A9 gilt das nicht. Sie werden an diesem Abend im Februar hier übernachten.
Parkplatz an der A9 nur wenig einladend
Es ist 17 Uhr und die Stellplätze für die Lkw füllen sich langsam. Die meisten der Fahrer, die an diesem Tag das letzte Mal ihren Fuß auf dem Gaspedal hatten, kommen laut der Kennzeichen hauptsächlich aus Polen oder Litauen.
Am Parkplatz Kliekener Aue bei Dresden an der A9 sind die Stellplätze nach wenigen Minuten besetzt. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg
Ihre Nacht verbringen die Fernfahrer auf einem Parkplatz, der wenig einladend ist. Nur wenige Meter hinter den Lkw rasen andere Autos und Laster am Parkplatz vorbei. Von Auto zu Auto hat man das Gefühl, dass das Rauschen immer lauter wird. Das Toilettenhäuschen zieren Graffiti, betreten möchte man es nicht und mit der sinkenden Sonne sinken auch die Temperaturen.
3.600 Stellplätze für Lkw an Autobahnen in Sachsen-Anhalt
Die Fernfahrer machen es sich in ihren Kabinen in einigen Metern Höhe langsam bequem. Ziehen vor die Wind- und Seitenscheiben einen Vorhang. Mit MDR SACHSEN-ANHALT möchte an diesem Abend keiner sprechen. Die meisten Fahrer verstehen weder Englisch, geschweige denn Deutsch und sind – so der Eindruck – froh, die Füße hochlegen zu können.
Wenige der Lkw fahren nach einiger Zeit doch weiter. Ob sie einen anderen Stellplatz für die Nacht finden wollen oder ihre Schicht erst begonnen hat, ist schwer zu erkennen. Die, die bleiben, haben immerhin einen der insgesamt 3.600 Lkw-Stellplätze in Sachsen-Anhalt ergattert. So viele gibt es, geht aus Informationen der Autobahn GmbH Niederlassung Ost hervor. Die Stellplätze sind auf 52 unbewirtschafteten Parkplätzen – zu dem der Parkplatz Kliekener Aue gehört –, elf bewirtschafteten Rastanlagen und 18 privaten Autohöfen zu finden.
So viele Lkw-Parkplätze sollen neu gebaut werden
Laut der Niederlassung sind in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt etwa 240 neue Stellplätze erschaffen worden. Im Jahr 2023 werden „knapp 170“ weitere dazukommen. Dabei soll die neue Tank- und Rastanlage Colbitz-Letzlinger Heide mit 125 Stellflächen den Großteil einnehmen, heißt es.
Weitere Stellflächen werden im Rahmen von Sanierungsarbeiten an Parkplätzen, bei denen „durch Flächenoptimierungen in den meisten Fällen ein paar Stellflächen dazu gewonnen werden können“ entstehen, teilt die Behörde weiter mit. Des Weiteren sollen im weiteren Baufortschritt der A14 auf sechs Parkplätzen weitere 200 Stellplätze in 2023 entstehen.
Die Würde des Fernfahrers ist…
Dass die Zahl der vorhandenen Parkplätze zu niedrig ist und neue dringend gebraucht werden, zeigt sich auf dem Parkplatz bei Dessau eindringlich. Sobald ein Fahrer eine der Stellflächen verlässt, dauert es nur wenige Minuten, bis der nächste sie besetzt. Als nach einer halben Stunde alle 17 Lkw-Stellflächen belegt sind, parken auch schon die ersten auf den Zufahrtsstraßen. Lkw um Lkw kommen die stehenden Riesen der Einfahrt zum Parkplatz immer näher.
Der Parkplatz Kliekener Aue an der A9 von oben. 17 Parkplätze je Seite müssen sich Fernfahrer teilen. (Quelle: Google Maps). Bildrechte: MDR/GoogleMaps
Dass das für alle Verkehrsteilnehmer gefährlich werden kann, weiß Jörg Hinze. Er ist ehrenamtlicher Leiter des Fernfahrerstammtisches A2 und kümmert sich um die Sicherheit von Fernfahrern. Auch er findet, dass die Zahl der Parkplätze nicht ausreichend ist und dass den Truckern manchmal nichts anderes übrig bleibt, als sich auf überfüllte Parkplätze zu quetschen, um die Arbeitszeiten und Ruhezeiten einigermaßen einzuhalten, sagt er MDR SACHSEN-ANHALT.
Die Würde des Menschen und die Wertschätzung unserer Kraftfahrer ist in den letzten Jahren ganz stark in den Hintergrund getreten.Jörg Hinze Leiter Fernfahrerstammtisch A2
Hinze findet: „Die Würde des Menschen und die Wertschätzung unserer Kraftfahrer ist in den letzten Jahren ganz stark in den Hintergrund getreten.“ Nach seiner Beobachtung erkennen viele nicht, was Kraftfahrer in ihrem Beruf alles verrichten. Termindruck und die Angst, keinen Parkplatz zu finden, gehörten mittlerweile zum Alltag dazu. Diese geringe Wertschätzung spiegle sich dann auch an dem einen oder anderen Parkplatz durch unhygienische Sanitäranlagen wider. An denen halten die Trucker dann ungern und halten so, im schlimmsten Fall, ihre Pausen- und Ruhezeiten nicht ein.
Parkplätze für Lkw oft nicht sinnvoll gebaut
Jörg Hinze ist Leiter des Fernfahrerstammtisches A2 Magdeburg. Dieser findet jeden ersten Mittwoch im Monat statt. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg
„Ohne unsere Fahrer geht es nicht!“, sagt Hinze in erstem Ton. Schließlich rollen täglich Tausende durch Sachsen-Anhalt, damit unsere Regale in den Supermärkten voll werden. Und die Fahrer brauchen Parkplätze. Deutschlandweit fehlen laut dem Stammtischleiter rund 40.000 bis 45.000 Parkplätze und die, die gebaut werden, seien oft nicht sinnvoll gestaltet.
Wie eingangs erwähnt: Laut Autobahn GmbH Niederlassung Ost soll ein Teil der neuen Parkplätze in Sachsen-Anhalt in 2023 durch „Flächenoptimierungen“ umgesetzt werden. Hinze findet, dass das nicht der richtige Weg ist. Meist würden Bäume, die den Fahrern im Sommer Schatten spenden, durch Parkplätze ersetzt, sagt er verärgert: „Man nimmt ein Stück Papier von irgendeiner Raststätte. Da werden Striche rumgemalt und dann passt das.“
Optimal wäre, wenn es an allen Raststätten und Parkplätzen an der Autobahn vernünftige Lärmschutzwände gäbe, sagt er. Ein Erdwall mit Bepflanzung würde laut Hinze auch schon reichen, um den meisten Schall zu dämpfen.
Nicht nur Privatleute sollen Parkplätze schaffen
Für den Stammtischleiter wäre es wichtig, die Leute, die von der Materie Ahnung haben, in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Die Regierung könne sich nicht nur darauf verlassen, dass es Privatleute gibt, die Parkplätze schaffen, sagt er.
Denn nur ein gesunder Kraftfahrer ist ein leistungsfähiger, guter Kraftfahrer. Vor uns liegt eine große Aufgabe.Jörg Hinze Leiter Fernfahrerstammtisch A2
Ihmzufolge müsse der Bund hinter der Schaffung stehen und entsprechende finanzielle Mittel für die Kraftfahrer zur Verfügung stellen. „Denn nur ein gesunder Kraftfahrer ist ein leistungsfähiger, guter Kraftfahrer. Vor uns liegt eine große Aufgabe“, schließt er.
Auf dem Parkplatz Kliekener Aue bei Dessau fehlt all das – keine Lärmschutzwand und kein einziger Baum. Doch die Sonne ist für heute sowieso verschwunden. Einer nutzt das restliche Tageslicht, um sein rollendes Haus zu putzen, bei den anderen kehrt langsam Ruhe ein. Na dann, gute Nacht.