Erst fuhr dieser IFA H6 Uranerz, dann Baumaterial für die AWG – Mathias Krause hat ihn mit Weitblick vorm Vergessen bewahrt.
Plauen. Mit alten Autos erlebt man die tollsten Sachen. Mathias Krause, Berufskraftfahrer aus Plauen, kann ein Lied davon singen: „Vor fünf Jahren wollte ich mit meinem H6 zu einem Lkw-Treffen in Bayern fahren, da tat es einen Schlag in der Hinterachse und das Achsgetriebe verabschiedete sich. In einer aufwendigem Bergungsaktion holten wir das Auto mit dem Tieflader heim.“
Eigentlich hatte der 48-Jährige seinen H6 sorgfältig restauriert. Das Sammeln der Ersatzteile eingerechnet, dauerte es sechs Jahre, bis der Lkw wieder so perfekt aussah wie heute. Als der Wagen 1959 seine Betriebserlaubnis erhielt, lagen Jahre harter Arbeit vor ihm. Er kam als Muldenkipper zum Bergbaubetrieb SDAG Wismut im thüringischen Ronneburg, wo er als Uranerz- und Abraumfrachter jahraus, jahrein die Schachthalden hinaufschnaufte. 1968 verkaufte die Wismut den Wagen an eine Privatfirma im vogtländischen Oelsnitz, die ihn zum Dreiseitenkipper umbauen ließ, dann weiter veräußerte, bis ihn 1984 die Arbeiterwohngenossenschaft (AWG) Plauen erwarb. Dass ein 25Jahre altes Lastauto Mitte der Achtzigerjahre noch gefragt war, zeigt den großen Bedarf an Transportkapazitäten in der DDR – und welch gute Substanz der Wagen von Haus aus mitbrachte.
Bis zum Erscheinen des L60 blieb der H6 mit seinem ausgereiften Sechszylindermotor und der Nutzlast von sechs Tonnen der größte Serien-Lastwagen aus ostdeutscher Produktion. Da er im Fernverkehr eingesetzt werden konnte, war der Langhauber mit seinem charakteristischen Klang besonders bei privaten Fuhrunternehmern und Möbelspediteuren beliebt. Vielen Lastwagenkennern gilt der H6 auch als der schönste DDR-Laster. Bei seiner Entwicklung stand das Horchwerk in Zwickau Pate, was sich in der Typbezeichnung widerspiegelt: Das H steht für Horch, die 6 steht für die Nutzlast. Da aber in Zwickau die Pkw-Fertigung in den Vordergrund rückte und die Produktion des kleineren Lkw-Bruders H3 A zusätzliche Kapazitäten forderte, bestimmte man den bisherigen Waggon- und Aufbautenhersteller LOWA in Werdau zum Produzenten des neuen Sechstonners – bekannt wurde der Standort unter dem Namen „VEB Kfz-Werk Ernst Grube Werdau“.
Der H6 war einfach und robust gebaut, die Konstruktion entsprach im Wesentlichen dem Stand der damaligen Technik. Neben der gängigen Ausstattung mit Pritsche, Spriegeln und Plane gab es den Wagen auch mit Spezialaufbauten als Dreiseitenkipper, Muldenkipper, Möbelwagen, Tank- und Kranfahrzeug. Zu den bekanntesten „Ablegern“ gehören der Omnibus H6 B und die ebenfalls im Werdauer Werk gefertigten Zugmaschinen H6 Z und die Sattelzugmaschinen H6 S. Letztere kamen unter anderem mit Doppelstock-Busaufliegern in verschiedenen Verkehrsbetrieben zum Einsatz.
So gelungen das Auto wirkte, im Anhängerbetrieb zeigte sich, dass die 120 PS des 9036 ccm großen Wirbelkammer-Einheitsmotors mit größeren Lasten ein Problem bekamen. 1957 erschien deshalb eine verbesserte Version mit einem nun 9840ccm großen Dieselmotor, der jetzt 150 PS leistete und ein größeres Drehmoment bei geringerem spezifischen Kraftstoffverbrauch erzielte. Auch der hier vorgestellte Lastwagen ist mit dieser stärkeren Maschine ausgestattet.
Mathias Krause erwarb seinen H6 kurz nach der Wende für gerade mal 100 Mark. Das lässt erahnen, in welchem Zustand sich der Wagen befand, auch wenn er noch fahrbereit war. Hinzu kommt, dass man allem, was an die DDR erinnerte, keinen sonderlichen Wert mehr beimaß. Der selbstbewusste Umgang mit der eigenen Geschichte, zu der auch die Fahrzeuge gehören, musste sich erst noch entwickeln. Mathias dachte damals schon weiter und lagerte das Auto ein, bis er Jahre später mit der Restaurierung begann.
Nur, was war mit der Achse los? „Wie sich herausstellte, hatte einer der Vorbesitzer das Differenzial von der Straßenzugmaschine H6 Z eingebaut. Es hat die höheren Geschwindigkeiten nicht verkraftet und gab schließlich den Geist auf. Nach dem Defekt habe ich eine Achse vom H6 Stadtbus eingebaut. Seitdem gibt es keine Probleme mehr.“