Kaputte Straßen bremsen Industrie aus

Schlechte Straßen, marode Brücken und langwierige Genehmigungsverfahren: Schwertransporte werden in Deutschland immer schwieriger. Das belastet die Industrie und gefährdet auch die Energiewende.

Der Landmaschinenhersteller John Deere befindet sich derzeit in der Hochsaison. In Afrika beginnt bald die Ernteperiode, und in der Niederlassung im rheinland-pfälzischen Zweibrücken, in der Mähdrescher und große Feldhäcksler hergestellt werden, weiß man aktuell nicht, wie alle Aufträge an die Kunden gebracht werden sollen. Werksleiterin Cornelia Walde erklärt dazu: „Alle Strecken auf deutschen Autobahnen zu den für unsere Exporte wichtigen Seehäfen in Belgien weisen laut der Autobahn GmbH Sperrungen für den genehmigungspflichtigen Großraum- und Schwertransport mit einer Breite über 3,25m aus.“

„Nicht mehr in der Lage, Transporte abzuwickeln“

Die Autobahn GmbH liegt in der Verantwortung des Bundesverkehrsministeriums (BMDV) und ist seit 2021 zuständig für Planung, Betrieb und Erhaltung der Autobahnen in Deutschland. Das Ministerium teilt dazu mit: „Seit einigen Monaten führt die Autobahn GmbH in ihren Niederlassungen schrittweise neue automatisierte Prozesse ein. Es hat sich gezeigt, dass das Verfahren nach der Umstellung erheblich effizienter und schneller läuft.“

John Deere beklagt, dass die Autobahn GmbH die Verantwortung für alternative Routenfindung den Transportunternehmen überlasse, bereits etliche Routen abgelehnt habe und keine Unterstützung bei der Streckenfindung leiste, „sodass unsere Transportunternehmen nicht mehr im Stande sind, die Transporte ab März 2023 abzuwickeln“. Das liegt nicht nur an zu schmalen Autobahnbaustellen, sondern auch an langwierigen und teuren Genehmigungsverfahren für die Transporte.

Infrastruktur und Bürokratie bremsen die Wirtschaft

Sebastian Steul vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagebau kritisiert mangelnde Transparenz auf Behördenseite: „So sind die Vorgaben zum Erhalt einer Genehmigung häufig unklar oder nicht umsetzbar, werden zu spät bearbeitet oder werden abgelehnt.“ Zudem gebe es große Unterschiede in den Behörden, welche Unterlagen und Dokumente für die Genehmigung der Transporte bereitgestellt werden müssten.

Das alles sorge für große Unsicherheiten in der Branche und mache die Kalkulierbarkeit von Projekten nahezu unmöglich. Unternehmen könnten nicht voraussehen, wann sie den Genehmigungsbescheid zu ihrem Transportvorhaben erhalten. Erst wenn dieser vorliege, könne Aufbau, Montage und Inbetriebnahme einer neuen Anlage final geplant werden.

Corona-Pandemie wirkt nach

Kommt es aufgrund ausstehender Genehmigungen zu einer Verzögerung, löst das eine logistische Kettenreaktion aus. Meist ist der Lkw-Transport auf deutschen Straßen ja nur die erste Etappe, der der Weitertransport zur See folgt und im Empfängerland die weitere Beförderung per Lastwagen. Wird eines der Transportfahrzeuge nicht erreicht, entstehen gravierende Kosten und in der Regel Vertragsstrafen.

Nach der Corona-Pandemie sind Logistikkapazitäten ohnehin nur eingeschränkt am Markt. Neu angekündigte Auflagen für Nachtfahrten und eine ausgeweitete polizeiliche Begleitung machen Unternehmen wie John Deere zusätzliche Sorgen.

Walde befürchtet, dass weitere Transportunternehmen sich vom Markt zurückziehen könnten. „Diese zusätzlichen enormen Verschärfungen stellen die Durchführbarkeit unserer Transporte vor noch größeren Herausforderungen und treiben die damit verbundenen Zusatzaufwendungen mit den siebenstelligen Beträgen allein für unser Unternehmen in die kritische Höhe.“

Größtes Problem sind die Brücken

Der Bedarf an Großraum- und Schwertransporten wurde in Deutschland in den vergangenen Jahren kontinuierlich größer, das Straßennetz hingegen weist einen großen Sanierungsstau auf. Dazu schreibt Christopher Gerhard vom Bundesamt für Straßenwesen: „Neben der Alterung der Infrastruktur haben die Belastungen von Brückenbauwerken im Zuge der Bundesfernstraßen in den letzten Jahren deutlich zugenommen und stellenweise zu Schädigungen der Bauwerke geführt.“

Und weiter: „Je nach vorliegender Schädigung muss der Schwerverkehr auf der Brücke teilweise oder ganz eingeschränkt werden. Zudem hat insbesondere im letzten Jahrzehnt die Zahl genehmigungspflichtiger Schwertransporte exponentiell zugenommen.“ Dies wirke sich ebenfalls auf die Zustände der Brücken aus, so Gerhard.

Deutschland steht sich selbst auf den Füßen

Doch die Unternehmen sind auf gute Infrastruktur angewiesen. 2022 lag die Exportquote im deutschen Maschinenbau bei gut 80 Prozent. Mittlerweile beurteilen bundesweit viele Unternehmen die Transportkosten, bezogen auf die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojektes, als zu hoch.

Und auch die von der Bundesregierung ausgerufene Energiewende wackelt aufgrund des Transportproblems. Die manchmal 100 Meter langen Flügel von Windkraftanlagen stellen eine besondere Herausforderung dar, die vielerorts nur noch mit viel Zeit, Geld und Umwegen zu bestehen ist. Sowohl einem herbeigesehnten Wirtschaftsaufschwung als auch der angepeilten Unabhängigkeit bei der Energieversorgung steht sich der Standort Deutschland hierbei selbst im Weg.

Schnellere Verfahren könnten schon helfen

Der  Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) fordert deshalb, Genehmigungsverfahren mithilfe von Standardisierungen auf drei Wochen zu beschleunigen. Dabei helfen sollen digitale Karten, aus denen nicht nutzbare Streckenabschnitte sofort erkennbar sind.

Solche Strecken könnten dann beim Antrag auf Genehmigung des Transports gleich weggelassen werden, was wiederum Bearbeitungszeit bei der Behörde sparen würde, betont VDMA-Referent Steul. „Auch die Erschaffung von ausgewiesenen Schwerlastkorridoren oder der Genehmigung von Konvoi-Fahrten würden Erleichterungen für alle Beteiligten mit sich bringen.“

Warum nicht Flugzeug, Bahn oder Schiff?

Das Verkehrsministerium nennt Großraum- und Schwerlasttransporte auf der Straße in einer Infobroschüre grundsätzlich nur als genehmigungsfähig, wenn „eine Schienenbeförderung oder eine gebrochene Beförderung Schiene/Straße nicht möglich ist oder unzumutbare Mehrkosten verursachen würde.“ Auffällig, so eine dort genannte Studie von Ende 2020, sei, „dass die zu erbringenden Nachweise weder von den Antragstellern vorgelegt noch von den Genehmigungsbehörden angefordert werden“.

Für die großen Landmaschinen von John Deere wären solche Ausnahmegenehmigungen sicher möglich. Das Unternehmen erklärt auf die Frage nach alternativen Transportmöglichkeiten: „Alternative Transportmittel für unsere Erntemaschinen gibt es nicht. Aufgrund der Abmessungen der Maschinen ist ein Transport per Bahn und Flugzeug nicht möglich. Der Flugzeugtransport wäre zudem unwirtschaftlich.“

Ein abschnittsweiser Transport auf dem Rhein sei theoretisch möglich, doch würde man damit nicht verhindern, dass die Mähdrescher zunächst vom Werk über die Straße bis zum Flusshafen in Mannheim gebracht werden müssen. „Somit gäbe es für den Lkw-Transfer die gleichen Herausforderungen wie beim Lkw-Transport zu den Seehäfen. Hinzu kommt ein deutlich höherer Aufwand für die Verladung/Umladung und den längeren Transportweg.“

Baustellen als Nadelöhr

Und bei den schlechten Straßen beißt sich die Katze endgültig in den Schwanz: Um die Situation zu verbessern, sind viele Baustellen einfach nötig, und die wiederum sind zusätzliche Hindernisse für die Schwertransporte. Das Bundesverkehrsministerium schreibt dazu: „Es gilt dabei stets, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einerseits dem Schutz der Verkehrssicherheit und der Infrastruktur, insbesondere der Brücken, und andererseits den Belangen der Wirtschaft zu finden. Gewisse Vorgaben zum Schutz der Infrastruktur sind dabei zwingend erforderlich.“

Es gäbe auch einen Weg dazwischen, sagt Walde von John Deere: Autobahnbaustellen könnten auch für Transporte mit mehr als 3,25 Metern Breite übergangsweise, bis die Unternehmen sich produktionstechnisch und logistisch auf die Situation eingestellt hätten, genehmigt werden. Ihr Konzern habe bereits an die Bundes- und Landesministerien für Verkehr mit entsprechenden Vorschlägen für praktikable Lösungen geschrieben. Eine Antwort habe man aber bislang nicht erhalten.

Quelle