Auch wenn die Drahtseilbahn derzeit modernisiert, wird rollt betagte, aber zuverlässige Technik den Berg nach Augustusburg hinauf: Felix Mothes sitzt am Lenkrad des Busses Kraus Serie 250. Jeweils an Wochenende pendelt der Oldtimer vom Bahnhofsvorplatz in Erdmannsdorf den Schellenberg hinauf.
Derzeit kutschiert ein 30 Jahre alter Bus die Gäste den Schellenberg hinauf – aber nur noch an drei Wochenenden.
Erdmannsdorf.
Die Drahtseilbahn Augustusburg wird derzeit generalüberholt. Freunde alter Technik kommen dennoch auf ihre Kosten: An Wochenenden kutschiert ein Ikarus-Omnibus der Baureihe 250 die Gäste – sozusagen als Schienenersatzverkehr.
Felix Mothes sitzt gemeinsam mit seinem Vater Thomas und zwei weiteren Kollegen des Unternehmens Regionalverkehr Annaberg am Lenkrad des im geschichtsträchtigen Jahr 1989 gebauten Omnibusses. „Im Fahrzeugwerk im ungarischen Székesfehérvár gebaut, ist das Fahrzeug quasi ein Wendebus. Es war eigentlich schon wieder aus der Mode, als es seinen Dienst im damaligen VEB Kraftverkehr Karl-Marx-Stadt aufnahm“, erzählt Felix Mothes. „Der Wagen war damals eins von 46 von der DDR eingeführten und für den Reisedienst vorgesehenen Luxus-Exemplaren, welche mit dem neuesten im Osten verfügbaren Innenleben ausgestattet worden waren.“ Dazu zählen beispielsweise Lautsprecher in den Sitzlehnen oder die Frischdüsen-Belüftung, Vorgänger der heutigen Klimaanlage.
Spätestens mit der gewonnen Reisefreiheit wollten die Ostdeutschen jedoch mit anderen Fahrzeugmarken durch die Welt chauffiert werden. Der Wagen wurde im Zuge der Umstrukturierungen Teil des rollenden Inventars der Autobus Sachsen GmbH und später der Regionalverkehr Annaberg GmbH. Felix Mothes schwört auf das Gefährt, das immerhin zwei Jahre älter ist als er selbst. Der Bus hat inzwischen 30 Jahre unter den Rädern.
Mothes verweist zudem auf die Alleinstellungsmerkmale des Busses: „Der Klang und der Geruch sind immer noch markant. Außerdem bedienen wir das Sechs-Gang-Getriebe mit einem handgedrechselten Ganghebel.“
Mit dem Omnibus verbinden sich für den Berufskraftfahrer viele Kindheitserinnerungen. „Nicht zuletzt deswegen, weil mein Vati den zuverlässigen Veteranen in all den Jahren im Betrieb umsorgt und am Rollen gehalten hat. Schon als Baby gibt es von mir Fotos im Ikarus.“ Und so lernt Felix Mothes – von der Leidenschaft für Busse infiziert – zunächst den Beruf des Fahrzeugschlossers. Später sattelt er auf Busfahrer um. „Wir können alles noch selbst reparieren, Ersatzteile sind beschaffbar. Nur bei einigen Ausstattungen, etwa Armlehnen, wird es langsam knapp“, sagt Mothes.
Mit 220 PS fährt der wieder in Originalfarbe Rot lackierte Omnibus, vom Bahnhofsvorplatz Erdmannsdorf den Schellenberg hinauf, um die Bergstation der Drahtseilbahn zu erreichen. „Sicher, im Vergleich zu heutigen leistungsstärkeren Motoren ist dies vergleichsweise wenig, aber unser Oldtimer rollt zuverlässig“, sagt der aus Neudorf stammende Mothes. Er berichtet, dass diese Modellreihe 1967 erstmals vorgestellt und in Nizza sogar einen Design-Preis erhalten habe. Seit den 1950er-Jahren bis 1990 hat die DDR insgesamt etwa 30.000 Omnibusse aus dem sozialistischen Freundesland importiert.
Doch zurück in die Gegenwart. Zu den Gästen der ersten Fahrt an diesem verregneten Sonnabend gehört Sven Waschulewski. Der Werdauer ist eingefleischter Fahrzeugfan und extra mit seiner Familie angereist, um wieder einmal mit einem Ikarus fahren zu können. „Das ist ein Stück Ostalgie, mit diesem Verkehrsmittel bin ich groß geworden.“ Reichlich sieben Minuten dauert eine Auf- oder Abfahrt, und liegt damit trotz längerer Distanz im Zeitlimit des Bahnfahrplans.
44 Sitzplätze bietet der Großraumtransporter, mit dem der Regionalverkehr Annaberg zu unterschiedlichsten Anlässen unterwegs ist. „Wir werden für den Schienenersatzverkehr angefordert, wir bieten aber auch Gesellschaftsfahrten an. Etwa für Vereine. Auch für Geburtstagsausfahrten und Jubiläen kann man uns Fahrer samt Bus buchen“, so Felix Mothes. Der feierte in seiner Ikarus-Kutsche übrigens vor drei Wochen selbst seine Hochzeit und chauffierte die Gäste zum Ereignis.
Bislang stehen reichlich 360.000 Kilometer im Fahrtenbuch. „Das ist für einen Omnibus sicher nicht zu viel. Die weitesten Touren haben wir zu Ikarus-Treffen in Ungarn und Österreich zurückgelegt.“
Busfans können noch an drei Wochenenden mit dem Ikarus-Oldtimer vom Bahnhofsvorplatz in Erdmannsdorf zur Bergstation in Augustusburg mitfahren. Die letzten Fahrten gibt es am 26. und 27. Oktober. Danach soll der Bus im Schienenersatzverkehr bei der Fichtelbergbahn eingesetzt werden. Busfahrer Felix Mothes hat sich indes auch etwas vorgenommen: „Ich bin bislang noch nie mit der Drahtseilbahn gefahren“, gibt er lachend zu. „Das muss ich nachholen.“
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