Allgäu – Die Zahl weiblicher Auszubildenden in „Männerberufen“ steigt. Doch es ist noch Luft nach oben, sagt ein IHK-Ausbildungsexperte mit Blick auf den jüngsten „Girls‘ Day & Boys‘ Day“.
Als Mädchen Industriemechanikerin werden oder als Junge im Hotelfach eine Ausbildung starten – warum eigentlich nicht? Die Zahlen der IHK Schwaben belegen, dass sich Schulabgänger bei der Berufswahl immer weniger von klassischen Geschlechterrollen leiten lassen.
„Längst sind Frauen in technischen oder gewerblichen Berufen keine Seltenheit mehr. Ebenso interessieren sich auch Männer verstärkt für Berufe jenseits von Rollenklischees“, berichtet Dr. Christian Fischer, Leiter des Fachbereichs Berufliche Bildung bei der IHK Schwaben. Dazu beigetragen haben auch die bundesweiten Aktionstage „Girls‘ Day & Boys‘ Day“, die Ende April stattfanden.
Oft fehlen im persönlichen Umfeld Vorbilder
Im Bereich der IHK Schwaben nahmen zahlreiche Unternehmen am „Girls‘ Day & Boys‘ Day“ teil. Ziel ist es, den Jungen und Mädchen schon ab der 5. Klasse Berufe näher zu bringen, die sie selbst möglicherweise gar nicht in Betracht ziehen – weil sie sie nicht kennen, für „Jungs- oder Mädchenberufen“ halten oder ihnen im persönlichen Umfeld die Vorbilder fehlen.
Wegen der Corona-Krise fanden die Angebote im Rahmen des „Girls‘ & Boys‘ Day“ digital statt. Unternehmen stellten Ihre Berufsbilder in den Klassen virtuell vor. „Vor allem die Mädchen können sich so unterstützt durch weibliche Vorbilder über diverse Berufsbilder austauschen, die eher männlich geprägt sind“, berichtet Fischer.
Girls‘ & Boys‘ Day von Unternehmen sehr geschätzt
Ergänzend gab es ein großes digitales Live-Event mit Impulsen, Interviews und Diskussionsrunden. Die Unternehmen schätzen die Initiative des „Girls‘ & Boys‘ Day“. „Diversität hat in den Unternehmen heute einen hohen Stellenwert. Schließlich ist es für viele Betriebe ein absoluter Mehrwert, wenn unter ihren Beschäftigten verschiedene Talente und Kompetenzen vertreten sind – ganz unabhängig von deren Geschlecht“, erläutert Fischer.
Was bisher häufig fehlte, waren vor allem im technischen Bereich qualifizierte weibliche Nachwuchskräfte. In den vergangenen Jahren hat sich hier einiges getan, berichtet der Ausbildungsexperte der IHK. „Das Interesse der jungen Mädchen an diesen Berufen ist gewachsen.“
„Es ist noch Luft nach oben“
So lag beispielsweise der Anteil der weiblichen Auszubildenden 2020 unter den Bauzeichnern und Bauzeichnerinnen – einst ein klassischer Männerberuf – bei mehr als 60 Prozent. Auch unter den Auszubildenden zum Berufskraftfahrer oder Berufskraftfahrerin nimmt der Frauenanteil zu. Er liegt nun bei knapp 17 Prozent. Bei den Industriemechaniker und -mechanikerinnen machen die weiblichen Auszubildenden gut zehn Prozent aus, bei den Elektronikern und Elektronikerinnen für Geräte und Systeme sind es rund 13 Prozent.
„Es ist noch Luft nach oben“, sagt Fischer. „Umso wichtiger ist es, dass die Aktionstage auch unter den derzeit schwierigen Bedingungen stattfinden.“ Im Jahr 2020 waren viele Stellen unbesetzt geblieben, da die Betriebe keine geeigneten Kandidaten fanden. Unklar ist, wie sich die Corona-Krise in diesem Jahr auswirken wird. „Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ist weiterhin sehr hoch“, sagt Fischer. Aktuell gibt es fast 1500 offene Stellen, die Unternehmen aus Bayerisch-Schwaben in der IHK-Lehrstellenbörse eingetragen haben – deutlich mehr als im Vorjahr.