Gigantische Hilfsaktion für gestrandete Lkw-Fahrer

17 Lkw-Fahrer aus Russland harren seit fast drei Wochen auf einem Rastplatz im Landkreis Coburg aus. Ihr Geld und ihre Vorräte sind längst aufgebraucht. Doch ihnen fehlen offenbar nötige Papiere, um eine große Maschine aus Coburg in ihre Heimat transportieren zu können.

Ebersdorf/C. – Der Wind pfeift eiskalt über den A 73-Rastplatz Coburger Forst. 17 große Lkw stehen hier seit fast drei Wochen, und mit ihnen sitzen die 17 russischen Fahrer fest. Eigentlich sollten sie Ende November bei Waldrich in Coburg eine große Maschine abholen und in ihre Heimat transportieren. Durch unvollständige Zolldokumente wurde der ursprüngliche Zeitplan jedoch zur Makulatur. Inzwischen steht aber fest, dass die Gestrandeten noch in dieser Woche samt Ladung die Heimreise antreten.

Steven Langbein ist selbst Lkw- Fahrer. Sein Weg führt den Coburger immer wieder an dem Rastplatz vorbei. Und er sieht die vielen gleichen Lastwagen, die tagein, tagaus unverändert dort parken. „In der zweiten Woche wurde ich stutzig“, schildert er. Der 31-Jährige tauscht sich am Wochenende mit anderen befreundeten Fahrern aus. „Ich finde es beschämend, da einfach nur vorbei zu fahren“, sagt er. Und öffnet schließlich eine Facebookgruppe, um eine Glühweinaktion für die gestrandeten Fahrer zu organisieren. „Wir wollten ihnen einfach eine Freude machen. Trucker helfen sich gegenseitig“, meint Langbein.

Die Feuerwehr aus Grub am Forst verspricht für Notstrom und Licht zu sorgen, am Montagabend rollen die Helfer mit Glühwein und Lebkuchen an der tristen Autobahnraststätte an. Illona Bauer gehört zu der Gruppe der Gruber Feuerwehr und ist schon beim Aufbau dabei. „Die Menschen waren erst total zurückhaltend und dann völlig begeistert, haben nach Hause telefoniert und mit uns Lieder gesungen“, ist sie begeistert von der gelungenen Überraschung.

„Wir haben alles getan, um rechtzeitig alle Zolldokumente und Genehmigungen zu beschaffen, sind aber leider an bürokratischen Hürden gescheitert“, bedauert Waldrich-Chef Hubert Becker die Verzögerung. Nachdem das Schicksal der Gestrandeten am Dienstag in den sozialen Medien hohe Wellen schlug, hatte der Coburger Maschinenbauer kurzfristig eine Pressekonferenz einberufen, um die Hintergründe zu erläutern. Danach sollte ein in Deutschland ansässiger weißrussischer Spediteur ab 21. November die Multitec-Großmaschine in Coburg auf fünf Schwertransporter und 17 Lkw verladen und zum Bestimmungsort 350 Kilometer südöstlich von Moskau transportieren.

Allerdings habe die Bürokratie einen Strich durch die Rechnung gemacht, sagte der Waldrich-Chef. Er verwies darauf, dass die Abfertigung in Moskau per Blockverzollung erfolge – ein Vorgang, bei dem sowohl alle 22 Lkw als auch die erforderlichen Dokumente in einem Zug kontrolliert werden. Letztere konnten aber erst am Montag dieser Woche komplettiert werden. „Die fünf Schwertransporter sind schon auf dem Weg nach dem Moskau und die 17 Lkw werden sich bis zum Wochenende ebenfalls auf den Weg machen“, zeigte sich Becker zuversichtlich, das Kapitel bis Freitag abzuschließen.

Zurück zu den Gestrandeten und den Helfern: Dank einer ehrenamtlichen Übersetzerin klappt auch die Verständigung, denn Russisch spricht von den deutschen Helfern niemand. Das dringendste Anliegen der Fahrer:“Bitte duschen, hat ein Mann uns förmlich angefleht“, berichtet Illona Bauer. Die Feuerwehr verteilt bei ihrem Einsatz Nahrungsmittel, Eier, frisches Brot, Obst und Süßigkeiten. Am Dienstagmorgen ist Bauer wieder vor Ort und bringt Käse und Wurst. Ein Fitnessstudio in Mönchröden hat sich bereit erklärt, alle Fahrer kostenlos duschen zu lassen, ein Busunternehmen aus Rossach stellt spontan eine Transportmöglichkeit samt Fahrer zur Verfügung. Peter Prüfer aus Rödental ist selbst bis vor einem Jahr als Lkw-Fahrer unterwegs gewesen, inzwischen ist er froh, als Busfahrer abends meist zu Hause zu sein. Er arbeitet bei dem Rossacher Busunternehmen und hat am Dienstagmorgen die Fahrer zum Duschen gebracht. „Sie waren richtig glücklich und haben auf der Heimfahrt im Bus gesungen“, sagt er. Und berichtet von der Dankbarkeit der Männer, auch wenn die Verständigung nur mit Händen und Füßen möglich war.

Christian Metzner Frenzel ist seit 17 Jahren Lkw-Fahrer und war ebenfalls bei der Hilfsaktion dabei. „Ich habe die Lkw stehen sehen und erst gedacht, die Leute wären weg. Aber die waren alle noch dort“, schildert er bedauernd. Die Vorräte der Fahrer seien langsam zu Ende gegangen, schließlich sei keiner darauf vorbereitet gewesen, so lange in der Fremde warten zu müssen. Und eine Fahrt zum Einkaufen sei mangels Orts- und Sprachkenntnissen schwer zu bewerkstelligen gewesen. „Ich möchte nicht erleben, irgendwo zu stranden ohne mich verständigen zu können“, meint er.

Nachdem die Hilfsaktion der Lkw-Fahrer auf den sozialen Netzwerken die Runde macht, bietet auch ein Altenheim an, den gestrandeten Russen eine warme Mahlzeit zu liefern. Doch noch ehe es dazu kommen kann, rollen am späten Dienstagvormittag mehrere Waldrich-Autos an. „Mein Chef hat gesagt, wir sollen die Fahrer zum Duschen und Mittagessen abholen“, habe einer der Angestellten zu ihm gesagt, schildert Peter Prüfer, der gerade mit seinem Bus die russischen Fahrer vom Duschen zu ihren Lkw zurück gebracht hat.

„Wir finden das schäbig. Erst als die Medien das aufgreifen, kümmert sich die Firma“, sind sich die Helfer vor Ort einig. Dem widersprach der Waldrich-Chef vehement. „Wir haben im Unternehmen Mitarbeiter, die russisch sprechen und standen seit vergangener Woche in Kontakt mit den Fahrern. Im Übrigen ist es Aufgabe Spediteurs, sich um seine Angestellten zu kümmern.“ Gestrandete Lkw-Fahrer seien aber „beileibe kein Einzelfall“, verwies Hubert Becker darauf, dass längere Verzögerungen bei Transporten in bestimmte Länder durchaus an der Tagesordnung seien.

Quelle dieses Artikels klick hier : Neue Presse