Gefahr für Baden-Württembergs Autobahnen – Wenn Fernfahrer aus Osteuropa Trost im Alkohol suchen

Wer den Alkoholkonsum von Fernfahrern aus Osteuropa während der Ruhezeiten eindämmen will, muss vor allem die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Transportgewerbe verbessern. Betriebsseelsorger Krebs fordert mehr Wertschätzung für die Fahrer.

Es ist Wochenende, der Rasthof Wunnenstein bei Ilsfeld im Kreis Heilbronn ist voll mit Lkw. Die meisten haben Nummernschilder aus Osteuropa. Sie kommen vor allem aus Polen, Rumänien, Litauen und Bulgarien. Manche der Fahrer sind wochenlang quer durch Europa unterwegs. Unter der Woche herrscht Druck und Stress, während der Ruhezeiten Langeweile und Einsamkeit.

„Manche Fahrer sehen ihre Kinder nur über das Handy aufwachsen“, sagt Martin Bulheller vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) dazu. Die Bezeichnung „Käfighaltung“ für das Leben im Führerhaus fällt während der SWR-Recherche öfters. In der Situation trösten sich offenbar einige der Fahrer mit Alkohol.

Leere Alkoholflaschen liegen in einem Container. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Martin Gerten)
Leere Alkoholflaschen liegen in einem Container.

Bulheller: „Vorstellung von lauter tickenden Zeitbomben im Führerhaus ist falsch“

Besonders viel wird an Rasthöfen getrunken, wo ein Discounter zu Fuß zu erreichen ist. In Sinsheim, wo es einen großen der Autohöfe gibt, sprechen sie vom „Russen-Lidl“, weil sich dort viele Osteuropäer eindecken. Tank & Rast verkauft auch Alkohol, „wobei es ein Verkaufsverbot zwischen Mitternacht und 7 Uhr morgens gibt, an das wir uns selbstverständlich halten“, sagt Rasthof-Sprecher Dietmar Thomas.

In den Ruhezeiten können die Fahrer tun und lassen, was sie wollen. Solange sie am nächsten Morgen beim Schlüsselumdrehen wieder nüchtern sind, erklärt Bulheller. Polizeikontrollen des fließenden Verkehrs zeigten auch, dass nicht mehr Lkw-Fahrer als Autofahrer mit Promille am Steuer sitzen. Alkohol sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. „Die Vorstellung, da sitzen lauter tickende Zeitbomben am Lkw-Steuer“ sei falsch.

Bei besonders hohen Promillewerten sei allerdings fraglich, ob diese nach wenigen Stunden vollständig abgebaut sind, so Bulheller vom BGL-Verband. Zumal das Erreichen solch hoher Promille-Werte schon auf mögliche Alkoholprobleme hindeute.

Drei Polizisten besprechen auf dem Rastplatz an der A6 den Alkoholtest mit einem LKW-Fahrer (Foto: SWR, Andreas Fischer)
Lkw-Kontrolle an der A6 (SWR Archivbild)

Kontrollen der Polizei sind eher selten

Gezielte Alkoholkontrollen bei Lkw-Fahrern sind in Baden-Württemberg anscheinend selten. Die Zahlen der letzten „zielgerichteten, repressiven Kontrollaktion“ des Polizeipräsidiums Heilbronn stammen zum Beispiel aus dem Jahr 2019. Damals wurden auf der A81 84 Lkw-Fahrer kontrolliert. Nur ein Fahrer hatte geringe Mengen Alkohol im Blut. Andere Bundesländer kontrollierten an Wochenenden öfter schwerpunktmäßig an Rasthöfen und Rastanlagen, sagt Bulheller. Im Jahr 2021 gab es im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Heilbronn 1.181 Unfälle mit Lkw-Beteiligung. Bei 30 davon war Alkohol im Spiel.

Manchmal werde bei den Kontrollen eine Parkkralle eingesetzt, um einen betrunkenen Fahrer an einer zu frühen Weiterfahrt nach der Ruhezeit zu hindern, erläutert Bulheller. Hin und wieder werde auch der Schlüssel abgegeben. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung fordert einen Alkolock im Fahrzeug für alle Kfz-Führer, wenn diese schon mal mit Alkohol am Steuer erwischt wurden. Nur wenn der Fahrer nüchtern ist, springt das Fahrzeug an.

Mehr Empathie für die Fahrerinnen und Fahrer

Josef Krebs ist im Kreis Heilbronn Betriebsseelsorger mit dem Schwerpunkt Fernfahrer. Auch er kennt das Problem mit dem Alkohol. Wobei dies nicht allein Fahrer aus Osteuropa betreffe, sagt er. Der Schwerlastverkehr habe in den letzten zehn Jahren dramatisch zugenommen, die Infrastruktur für die Fahrer aber nicht. Zu wenig Stell- und Schlafplätze, zu wenige Toiletten, zu wenige Fahrspuren und viel Stau. Zur Ruhe kommen und sich erholen sei schwierig. Wer könne schon bei dem Lärm an der Autobahn schlafen.

Dazu kommt der Stress: „Da geht das Tor freitags Punkt 18 Uhr an der Rampe zu und dann steht der Fahrer da das ganze Wochenende, weil er nicht abladen durfte – den eigenen Chef im Nacken“. Das ist Stress pur. Krebs wünscht sich mehr Empathie für die Fahrerinnen und Fahrer, mehr Wertschätzung. „Das sind Menschen, die jeden Tag dafür sorgen, dass wir volle Regale haben!“

Polizisten kontrollieren einen Kleinlaster. (Archivbild) (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / dpa | Armin Weigel)
Polizisten kontrollieren einen Kleinlaster. (Archivbild)

Vermehrt bei Fahrern von Kleinlastern: Aufputschmittel und Alkohol

Im letzten Jahrzehnt sind auf Deutschlands Straßen immer mehr Kleinlaster unter 3,5 Tonnen unterwegs. Sie haben keinen digitalen Fahrtenschreiber an Bord. Die Manipulation der Fahrtenbücher ist einfach. Da Alkohol müde mache, würden teilweise zusätzlich aufputschende Substanzen dazu genommen. So ließe sich sehr lange am Steuer der Kleinlaster durchhalten, berichten Brancheninsider.

Der Polizei ist das Problem bekannt, sie spricht von Mischintoxination. „Stellen wir schon geringste Mengen fest, darf der Fahrer nicht weiterfahren“, sagt der Heilbronner Polizeisprecher Daniel Fessler.

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