„Geduld geht zu Ende“: Söder will Lkw-Straßensperren in Bayern

Im Streit um die Blockabfertigung von Lkw in Österreich drängt Bayern nun auf Straßensperrungen im Freistaat. „Wir müssen jetzt unsere Bürger schützen“, sagte Ministerpräsident Söder. Tirol kündigte derweil an, an der Blockabfertigung festzuhalten.

Angesichts des seit Jahren ungelösten Transit-Streits über die Blockabfertigung in Österreich will Bayern zum Schutz der Anwohner jetzt eigene Straßensperren für Lastwagen. „Bei jeder Blockabfertigung durch Tirol fahren unzählige Lkw durch Ortschaften im Inntal und in Oberbayern“, schrieb Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf Twitter. „Bayerns Geduld geht zu Ende.“

Nötig seien nun Maßnahmen zum Schutz der heimischen Bevölkerung. Nach dem Willen Söders soll der Ausweichverkehr durch die Orte im Inntal und Richtung Salzburg gestoppt werden. Zuerst hatte der „Münchner Merkur“ darüber berichtet.

Söder: Verkehrsinfarkt droht

Der Ministerpräsident rief die für Landstraßen zuständigen Landratsämter auf, den Lkw-Transitverkehr zu sperren, um Ortsdurchfahrten zu verhindern. Die Staatsregierung könne sie darin bestärken und dabei unterstützen. „Die bayerische Polizei wird das kontrollieren und durchsetzen. Andernfalls droht der Verkehrsinfarkt.“ Dem „Münchner Merkur“ sagte Söder: „Ich habe den Innen- und den Verkehrsminister gebeten, sehr zügig ein Konzept dafür zu entwickeln.“

Forderung an den Bund: Abfahrverbote

Vom Bund forderte der bayerische Ministerpräsident „Abfahrverbote für überregionalen Verkehr an der A8 und A93“. Im BR-Interview betonte Söder, für die Bundesautobahn sei der Bund zuständig. Er wolle gemeinsam mit dem Bund nach Lösungen suchen. Die bayerische Polizei könne dann die Abfahrten dahingehend kontrollieren.

Der CSU-Politiker beklagte, dass sich bisher in Berlin und Brüssel zu wenig bewege.“ Auch unser Vorschlag der Süd-Maut von München bis Verona auf der Brenner-Strecke wird bisher nur zögerlich verfolgt, obwohl Bayern, Tirol und Südtirol dafür sind.“ Der Freistaat müsse jetzt seine Bürger schützen.

Aiwanger: Gütertransport auf der Schiene subventionieren

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) rief den Bund derweil zur Subventionierung des Schienengüterverkehrs auf. „Solange der Gütertransport auf der Schiene weiterhin deutlich teurer und weniger zuverlässig ist als der Transport auf der Straße, wird sich wenig ändern“, argumentierte Aiwanger.

Der Bund soll daher den Gütertransport auf der Schiene finanziell fördern, auch auf Kurzstrecken aus Süddeutschland. „Wir bezuschussen derzeit ja auch den ÖPNV beim Personenverkehr mit dem 9-Euro-Ticket. Warum also nicht etwas Ähnliches auch im Güterverkehr umsetzen?“, sagte der Freie-Wähler-Politiker.

Landratsamt sucht rechtssichere Lösung

Nach Angaben des Landratsamts Rosenheim fand bereits ein Gespräch mit dem Verkehrs- und dem Innenminister sowie mit der Polizei und der Autobahn GmbH des Bundes statt. Die Autobahnabfahrten für den Lkw-Transitverkehr zu sperren, sei die bevorzugte Idee. Überlegungen, dass das Landratsamt Ortsdurchfahrten für den Transitverkehr sperrt, seien schwerer umzusetzen. Man prüfe weiterhin, ob es dafür eine rechtssichere Lösung gebe, heißt es aus dem Landratsamt.

Der Bürgermeister der Marktgemeinde Neubeuern, Christoph Schneider, lobte Söders Forderung: „Endlich kommt Bewegung in die Sache.“ Brannenburgs Bürgermeister Matthias Jokisch sagte dem BR: „Tatsächlich muss nun schnell etwas passieren, denn die Belastung ist so einfach nicht mehr tragbar.“

Tirol will an „Notmaßnahmen festhalten“

Tirols Landeshauptmann Günther Platter sieht durch den bayerischen Vorstoß die Blockabfertigung bestätigt. Söders Aufruf erinnere ihn an den Tiroler Kampf gegen die Verkehrsbelastung, sagte Platter in Innsbruck. „Der Transitverkehr entlang des Brennerkorridors entsteht nicht in Tirol oder Bayern. Vielmehr sind wir Opfer einer verfehlten europäischen Verkehrspolitik, die den Transport auf der Straße stark begünstigt und in den vergangenen Jahren eine Transitlawine ausgelöst hat.“

Tirol bekomme die Auswirkungen schon seit vielen Jahren zu spüren. „Deshalb wehren wir uns mit Notmaßnahmen wie der Blockabfertigung“, betonte der Landeshauptmann. Von der Transitbelastung sei aber auch die Bevölkerung entlang der bayrischen Autobahnabschnitte betroffen. Am Ende brauche es eine Gesamtlösung auf europäischer Ebene. „Solange es diese nicht gibt und die Belastung in diesem Ausmaß vorhanden ist, wird Tirol an den Notmaßnahmen festhalten und Blockabfertigungen oder Fahrverbote keinesfalls lockern.“

Bundesverkehrsministerium: Gespräche mit Österreich

Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums betonte, Minister Volker Wissing (FDP) führe mit Blick auf die Blockabfertigung Gespräche mit Österreich und strebe eine einvernehmliche Lösung an. „Das Bundesministerium für Verkehr und Digitales setzt sich seit langem für die Abschaffung der einseitigen verkehrsbeschränkenden Maßnahmen in der Brenner-Region ein.“ Neben der Lkw-Blockabfertigung gebe es auch Fahrverbote für bestimmte Zeiten und Fahrzeuge sowie Beförderungsverbote für bestimmte Güter. „Das erschwert den freien Warenverkehr erheblich und führt zu Staus.“

SPD: Söder will ablenken

Der bayerische SPD-Fraktionschef Florian von Brunn zeigte sich verwundert darüber, „dass die CSU da keinerlei Einfluss auf ihre konservative Schwesterpartei ÖVP in Österreich hat“. Dem Ministerpräsidenten warf er vor, davon ablenken zu wollen, „dass es die CSU-Verkehrsminister von Ramsauer über Dobrindt bis Scheuer nicht geschafft haben, die Güter auf die Schiene zu bringen“. Die Leidtragenden seien jetzt die Anwohner. Von Brunn fügte hinzu: „Ich hoffe, Bundesverkehrsminister Wissing nimmt die Sache in die Hände, denn so kann es nicht weitergehen!“

FDP: „Kindergartenniveau“

Der FDP-Kreisvorsitzende Bad Tölz-Wolfratshausen, Simon Roloff, bezeichnete Söders Aussagen als „Quark“. „Die Blockabfertigung in Tirol gibt es, da wir seit Jahren beim Brennerausbau (welcher auch uns massiv entlasten würde) nicht vorankommen und Sie auch sonst kein Interesse an einem konstruktiven Austausch mit unseren Nachbarn haben“, twittert Roloff. „Das ist Kindergartenniveau.“

Dagegen begrüßte die Rosenheimer CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig den Vorstoß des Ministerpräsidenten. „Das ist eine gute Nachricht für unsere Region! Gut, dass Markus Söder die Angelegenheit zur Chefsache gemacht hat!“

Regelmäßig kilometerlange Staus

Hintergrund ist der seit Jahren schwelende, heftige Streit zwischen Bayern und Tirol um das Verkehrsmanagement. Um die zum Brenner führende Inntalautobahn zu entlasten, hat das österreichische Bundesland in diesem Jahr an insgesamt 38 Tagen die Einreise für Lastwagen beschränkt. Am Grenzübergang Kufstein/Kiefersfelden dürfen dann pro Stunde höchstens etwa 300 aus Deutschland kommende Lastwagen auf der A12 einreisen. Gegebenenfalls wird der Schwerverkehr auch völlig zum Erliegen gebracht. Dies hat regelmäßig Staus bis ins Münchner Umland zur Folge.

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