Frauen-Power: Vom Supermarkt ans Lenkrad eines 40-Tonners

Die Mühlhäuserin Guni Steppat fährt seit einem Jahr quer durch Europa – mit einem 40-Tonner. Die 50-Jährige hat sich einen Kindheitstraum erfüllt und heimlich den Lkw-Schein gemacht. Für die Eichsfelder Spedition Siebold Nutzfahrzeuge GmbH fährt sie Waren quer durch Europa. Mehr als 120.000 Kilometer hat sie schon zurückgelegt.

Monaco, Niederlande, Italien, Belgien und alle 16 Bundesländer. Für die Mühlhäuserin Guni Steppat hat vor einem Jahr ein neues und aufregendes Berufsleben begonnen. „Sehr, sehr schön“, sagt sie. Damals ist sie nach 20 Jahren an der Kasse eines Supermarktes in den europaweiten Lkw-Verkehr und damit in eine Männerdomäne gewechselt.

Niemand wusste von ihren Plänen

Den Lkw-Führerschein hat sie heimlich gemacht, nicht mal ihrer erwachsener Tochter hat sie es verraten. Trotzdem ist diese stolz und hat ihr ein Glücksschwein geschenkt. Dieser Glücksbringer begleitet Guni auf ihren neuen Wegen; auch der Schutzengel der Kolleginnen aus dem Supermarkt. Über ihrer Liege im Fahrerhäuschen hat sie ein Kennzeichen hängen; auch das ist ein Geschenk von Freunden zum Start im Fernverkehr.

Eine Frau in einem großen blauen LKW.

Das Glücksschwein fährt immer mit. Bildrechte: MDR/Claudia Götze

Fasziniert von Transportern

„Das war keine Null-Acht-Fünfzehn-Nummer mit dem Lkw-Schein“, blickt Guni zurück. Sie sei immer fasziniert gewesen, wenn im Supermarkt der Lkw kam und die Ware brachte. Da sei sie schon immer sehnsuchtsvoll hingelaufen. Dann habe sie viele Nächte drüber geschlafen und dann gedacht: Wenn nicht jetzt, wann dann.

Das war keine Null-Acht-Fünfzehn-Nummer mit dem Lkw-Schein.Guni Steppat

Lkw-Fernfahrerin sei nur etwas für Mütter mit erwachsenen Kindern, sagt die gelernte Textilfacharbeiterin. Denn so lang die Fahrstrecken auch sind: Unterwegssein gehört zum Beruf. Verzichten muss sie auf nichts, sagt sie. Alle im Alltag vorhersehbaren privaten Termine lassen sich beim Einsatzplan berücksichtigen.

Männliche Kollegen verblüfft

„Ich bin eine Ausnahme“, sagt sie. Im Fernfahrer-Alltag komme sie sich manchmal wie „etwas Seltenes, eine Rarität“ vor. Egal, ob an Rasthöfen oder in Firmen erlebe sie deshalb eine besondere Aufmerksamkeit. Als Frau im Fernverkehr sei sie noch eine Ausnahme.

Entsprechend verblüfft seien auch die männlichen Kollegen, wenn Guni frühmorgens an der Rampe steht. „Ich sage dann „Guten Morgen“ und schon lächeln mir die Männer entgegen, die eben noch vor lauter Staunen den Mund offen gehabt haben.“ Nur selten seien Männer wirklich entsetzt gewesen. Der Vorwurf, sie würde ihnen den Arbeitsplatz wegnehmen, war bisher die absolute Ausnahme.

Auf Rastplätzen helfen die männlichen Kollegen

Auf Rastplätzen fährt sie immer so weit wie möglich an die Zapfsäulen der Tankstelle heran, weil es da am hellsten sei. Aber auch dort kann sie sich immer auf ihre männlichen Kollegen verlassen. Wenn möglich, bieten sie ihr an, mit ihren Fahrzeugen ein wenig zu rücken, um Platz für Gunis Lkw zu machen. Überhaupt sei das Verhältnis zu den fast immer männlichen Kollegen gut, wie sie sagt. „Ich fühle mich involviert und beschützt“.

„Freundliche“ Ladestellen

Vor jeder Fahrt guckt sie sich den Zielort im Internet an und entscheidet dann, wie sie am besten an die Ladestelle heranfahren kann, und auch die Strecke will gut geplant sein. Denn nicht überall gibt es Damentoiletten. Wenn Rasthöfe beizeiten schließen, muss sie manchmal auf die Toiletten ihrer männlichen Kollegen gehen. „Wir haben nur eine Männertoilette“, hört sie auch öfter in Firmen. Ab und zu gebe es aber auch Männer, die sagen: „Gehen Sie vor in den Bürobereich, da arbeiten Frauen, und deshalb gibt es dort Damentoiletten“.

Eine Frau in einem LKW.

Wenn sie unterwegs ist, muss Guni Steppat auch in ihrem Lkw schlafen. Bildrechte: MDR/Claudia Götze

Vom Kalender bis zum Granulat alles geladen

Sie transportiert „alles“ und weiß oft nicht, was sie vor Ort erwartet. Ob es ein Hinterhof oder eine breite Ladestelle ist. Sie bringt Kalender, Granulat, Fenster, Bauteile, Lebensmittel und Bahnachsen, Getränke und Erde dorthin, wo sie gebraucht werden. Für die Supermarktkette, wo sie 20 Jahre gearbeitet hat, musste sie aber bisher noch nichts transportieren.

Ich genieße die Ruhe am Steuer. Ich bin mein eigener Chef und kann meine Zeit selbst einteilen.Guni Steppat

Zeitdruck kennt Guni Steppat nicht. „Ich genieße die Ruhe am Steuer. Ich bin mein eigener Chef und kann meine Zeit selbst einteilen“, schwärmt sie. Der Bordcomputer sagt ihr deutlich, wie viel Zeit sie hat. Probleme mit den Lenk- und Pausenzeiten kenne sie nicht. Rechtzeitig losfahren nimmt den Druck und sichert einen früheren Feierabend. Nach jeder Tour oder Tourwoche ist sie aber auch froh, wieder zu Hause zu sein. „Da lernt man auch das Zuhause noch mehr schätzen.“

Eine Frau neben einem großen blauen LKW.

Wenn sie nach einer Tour ihren Lkw abstellt, freut sich Guni Steppat auf ihr Zuhause. Bildrechte: MDR/Claudia Götze

Unvergessliche Eindrücke

Ins kleine Monaco hat sie Krankenhausbetten gebracht und sich wie die Rennfahrer gefühlt, die auf dieser Strecke Formel 1 fahren. „Das war schön und bleibt unvergessen“. Ansonsten genießt sie die Sonnenauf- und -untergänge, die Fahrten am Meer entlang und die Ruhe nach Feierabend. Da stellt sie ihren blauen Transporter ab und erkundet die Gegend. Denn die tägliche Bewegung aus dem Supermarkt, die muss sie nun mit abendlichen Spaziergängen kompensieren.

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