Selbst Tiroler Speditionen machen beim Lohn- und Sozialdumping im großen Stil mit. Die Tiroler Gebietskrankenkasse erzielte jetzt aber einen Teilerfolg.
Innsbruck – Österreichs Transporteure und Speditionen haben rund 20.000 Transit-Lkw steuerschonend in Billiglohnländern wie Polen, Tschechien, Bulgarien oder Rumänien angemeldet. „Ausflaggen“ heißt das. Dadurch sparen sie sich die deutlich höheren Lohn- und Sozialkosten in Österreich. Auch in Tirol erfolgt das. Schon seit Jahren kämpft die Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) deshalb für Steuer- und Sozialgerechtigkeit. Doch es ist ein Kampf gegen Windmühlen, wie einer der aufsehenerregendsten Fälle im Land zeigt. Allerdings konnte die Gebietskrankenkasse jetzt zumindest einen Teilerfolg gegen einen Tiroler Frächter mit Niederlassungen u. a. in Polen und Tschechien erzielen.
Ursprünglich forderte die TGKK von der im Unterland ansässigen Unternehmensgruppe, die einen Umsatz von 130 bis 140 Millionen Euro im Jahr erzielt, wegen nicht abgeführter Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sogar rund 12,6 Mio. Euro. Mehr als 600 Lkw-Fahrer waren davon betroffen, bei einem Großteil blitzte die Kasse hingegen ab. Weil so genannte A1-Bescheinigungen des Wohnsitz-Staates vorgelegt werden konnten. Obwohl die Schaltzentrale in Tirol war und die Fahrer mit bereitgestellten Bussen extra nach Tirol geführt wurden, um ihre Lkw „auszufassen“, galten sie in Polen als versichert.
Für einen Teil der Fahrer konnte jedoch kein Nachweis erbracht werden. Für sie gilt nun die volle Versicherungspflicht in Österreich. Mit einer Beschwerde dagegen blitzte das Tiroler Transportunternehmen im März 2019 beim Verwaltungsgerichtshof ab.
Fast machtlos gegen Lohn- und Sozialdumping
Besser als nichts. So sieht es die Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. Obwohl sie nach wie vor davon überzeugt ist, dass die Auslagerung von Transit-Lkw in Billiglohnländer wie Polen, Tschechien, Rumänien oder Bulgarien und die dort angemeldeten Lkw-Fahrer ein großes Unterländer Transportunternehmen nicht von der Versicherungspflicht der Arbeitnehmer in Österreich entbinden. Seit 2014 dauert der Rechtsstreit schon, die TGKK hatte ursprünglich 12,6 Millionen an Nachzahlungen für nicht abgeführte Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungsbeiträge gefordert. Für mehr als 600 Fahrer hat sie das geltend gemacht, ein Großteil der Forderungen wurde jedoch abgeschmettert. Andererseits hat der Verwaltungsgerichtshof jetzt im März zumindest in einigen Fällen der Sozialversicherung Recht gegeben. Die Beschwerde (Revision) des Spediteurs wurde jedenfalls zurückwiesen.
Die einzelnen Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof geben jedoch tiefe Einblicke in die Praxis des Gütertransportgewerbes. Jeder zweite Lkw von heimischen Unternehmen ist wettbewerbsbedingt in die mittel- und osteuropäischen EU-Staaten ausgelagert. Die Fahrer werden mit 500 bis 1000 Euro abgespeist. Dadurch sparen sich die Frächter pro Lkw monatlich 4000 bis 5000 Euro an Betriebskosten. Weil niedrige Löhne bezahlt und dementsprechend geringere Sozialabgaben geleistet werden müssen.
Oft werden Subunternehmen in Polen und Tschechien gegründet, die aber alle – wie im aktuellen Fall – von der Konzernzentrale des Unternehmens im Tiroler Unterland abhängig sind. So hat die Tochter-Gesellschaft in Polen vor allem Lkw-Fahrer aus Polen, Bulgarien, Rumänien und anderen Staaten angeworben, diese eingestellt und dann ausschließlich einer weiteren Firma des Konzerns in Tschechien überlassen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Gesellschaft eine nennenswerte Tätigkeit ausübe, heißt es etwa in den Gerichtsakten.
Ein Betrieb in Tschechien wurde nur aus versicherungstechnischen Gründen gegründet, die Konzernbuchhaltung in Tirol ist für alle Subunternehmen zuständig. Am Hauptstandort im Unterland werden auch die Schulungen für die Fahrer durchgeführt. Es gibt eine enge personelle, organisatorische und unternehmensspezifische Verflechtung der zur Unternehmensgruppe gehörenden Betriebe. Die mittels GPS durchgeführten Kontrollen der Fahrzeiten und der gewählten Fahrstrecken sind ebenfalls in der Konzernzentrale in Tirol erfolgt. Und: Die Trucker wurden mit den vom Dienstgeber bereitgestellten Bussen oder mit privaten Pkw, teilweise gegen Kostenersatz, von Polen bzw. ihrem jeweiligen Heimatort nach Tirol und nach den Einsätzen wieder dorthin zurückgebracht. In Tirol hat der jeweilige Lkw-Fahrer die betankte Zugmaschine samt Auflieger mit den entsprechenden Frachtbriefen erhalten.
Weil „Transitverkehre“ von der EU-Entsenderichtlinie ausgenommen wurden, sind die Fahrer mit ihren Arbeitsverträgen in den Billiglohnländern sozialversichert. Für viele Fahrer konnten die so genannten E101- bzw. A1-Bescheinigungen vorgelegt werden, weshalb die Tiroler Gebietskrankenkasse mit ihren Forderungen abgeblitzt ist. Doch das traf nicht auf alle zu, deshalb konnte die Kasse wenigsten einige ungerechtfertigte Fälle von Sozial- und Lohndumping aufdecken.
Der große Coup ist noch nicht gelungen, die schärferen Kontrollen haben noch nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Man sei fast machtlos im Kampf gegen Sozial- und Lohndumping im Gütertransportgewerbe, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
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