Knapper Laderaum infolge akuten Fahrermangels bereiten Handel, Industrie und Logistikern zunehmend Kopfzerbrechen. Um hier Abhilfe zu schaffen gilt es, die vorhandenen Kapazitäten besser zu nutzen, eine höhere Flexibilität bei der Abfertigung an den Rampen des Handels zu erreichen und vor allem den Job des Fahrers aufzuwerten und mehr in die Ausbildung zu investieren. Dabei sind vor allem die Logistikverbände gefordert, ein Konzept für die Aus- und Weiterbildung vorzulegen. So lautet das nahezu übereinstimmende Ergebnis von Podiumsdiskussionen auf dem Handelslogistik Kongress in Köln und dem Branchenforum Stahllogistik des Logistikclusters NRW in Dortmund.
„Wir haben im vergangenen Jahr eine Fahrerakademie gegründet und wollen eine eigene Fahrschule aufbauen, um Berufskraftfahrer auszubilden“, kündigte Björn Schniederkötter, COO bei Kraftverkehr Nagel, in Köln an. Dazu will Nagel ein entsprechendes Unternehmen übernehmen. Namen nannte der Manager nicht. Gleichzeitig hat Nagel das Recruiting auf online umgestellt, um Fahrer gezielter ansprechen zu können.
Samstag als zusätzlichen Anliefertag
„Ich halte nichts davon, Fahrer zu Logistikmanagern zu machen und ihnen weitere Aufgaben in der Supply Chain zuzuteilen. Fahrer müssen fahren“, wies Schniederkötter das Bestreben zurück, Fahrer noch mehr Funktionen und Tätigkeiten in der Lieferkette zu übertragen. Der Job müsse für junge Leute wieder attraktiver werden. Der Nagel-COO setzte sich zudem dafür ein, den Samstag als sechsten Tag für die Anlieferung zu nutzen, um die Probleme an der Rampe zu entzerren. „Vonseiten des Handels haben wir dazu aber bislang noch keine zufriedenstellende Antwort erhalten“, sagte er.
Auch Stefan Krautwurst-Leister, Vertriebschef von Dachser Food Logistics, machte sich dafür stark, Fahrer von Tätigkeiten zu entlasten, die nichts mit dem eigentlichen Fahrerjob zu tun haben, wie beispielsweise die Be- und Entladung des LKW. Dies werde den Beruf attraktiver machen, ist er überzeugt. Zudem sprach er sich für eine bessere Planbarkeit vor allem der Arbeitszeit aus. Auch Dachser sei mit dem Handel im Gespräch über eine Nutzung des Samstags als zusätzlichem Anliefertag, um für Montag bestellte Ware bereits dann anfahren zu können.
Mehr Flexibilität an der Rampe
„Es gilt, den vorhandenen Laderaum effizienter zu nutzen“, betonte hingegen Oliver Wittig, Logistikchef des Waschmittel- und Konsumgüterherstellers Henkel. Die LKW seinen beispielsweise oft nicht voll beladen. Zugleich müssten Bedingungen geschaffen werden, damit Fahrer auch fahren können. „Wir brauchen dynamische Zeitfenstersysteme“, sagte Wittig – schlicht mehr Flexibilität an der Rampe. Damit könne man beispielsweise auf Staus reagieren und trotzdem eine schnelle Abwicklung erreichen. „Wir verladen zudem immer alles selbst.“ Es gebe Gespräche mit dem Handel, ob dies nicht dort auch an den Rampen möglich sei. Jeder müsse einen Beitrag leisten, appellierte Wittig.
Rewe lehnt Standkosten ab
„Rewe will demnächst in zwei Projekten testen, wie Fahrer schneller von der Rampe wieder wegkommen“, kündigte Birgit Heitzer an, die Logistikleiterin der Rewe Group. Details wollte sie nicht nennen. Es soll aber darum gehen, was man im Wareneingang verändern kann, um die Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen. Ein Thema sei die Bündelung von Ware in der Beschaffung, ein weiteres die Digitalisierung und die Abschaffung von Papieren. „Wir sind im Handel allerdings alle etwas spät damit dran“, räumte Heitzer ein. Sie lehnte dagegen die Übernahme von Standkosten klar ab. Es gehe vielmehr darum, die Prozesse an der Rampe effektiver abzuwickeln. Heitzer zeigte sich für eine Anlieferung am Samstag offen. Dazu sei aber auch ein entsprechend großes Volumen erforderlich. Klar war in der Runde aber auch, dass eine Anlieferung am Samstag nicht gegen den Fahrermangel hilft.
Gejammer müsse aufhören
„Strategien in der Personalentwicklung sind in der Logistikbranche kaum zu erkennen“, meinte indessen Ludger Wolfgart, zuständig für die Berufsbildung im Bundesverband Deutscher Stahlhandel (BDS), auf dem Branchenforum Stahllogistik in Dortmund. „Das ist schwierig und mit finanziellem Aufwand verbunden“, fügte er hinzu. Dabei gehe es in erster Linie um eine höhere Wertschätzung für Berufe in der Logistik generell und für Berufskraftfahrer im Besonderen. Das ständige Gejammer über die Abschaffung der Wehrpflicht und deren Folgen für die Fahrerausbildung müsse aufhören. Es seien vor allem die Verbände gefordert, ein Gesamtkonzept zu entwickeln und die Mitglieder mitzunehmen. „Ich vermisse Vertreter der Logistik in wichtigen Gremien zum Thema Berufsbildung auf Verbändeebene in Berlin“, sagte Wolfgart.
Gemeinsame Finanzierung ist schwierig
Christoph Kösters, Hauptgeschäftsführer des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL) räumte ein, das es angesichts der stark fragmentierten Branche mit ihren vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen schwierig sei, alle Beteiligten unter einen Hut zu bringen, geschweige denn eine gemeinsame Finanzierung hinzubekommen. „Wir müssen als Verband aber dafür sorgen, die Sensibilität für die berufliche Ausbildung zu erhöhen“, betonte er. Es sei leider noch nicht so, dass die Unternehmen ähnlich in Aus- und Weiterbildung investierten wie in LKW.
„Bei dem Thema Konzept in der Aus- und Weiterbildung ist noch Luft nach oben. Es ist nicht so beliebt bei den Kollegen“, meinte auch Stefan Windgätter, mittelständischer Spediteur und Vorsitzender der Stahllogistiker im Verband Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL). Er beklagte eine gewisse Raubtiermentalität in der Branche: Konkurrenten werben Fahrer von den Ausbildungsbetrieben ab, während diese auf ihren Kosten für die Ausbildung sitzen bleiben. Andererseits gebe es auch Initiativen zumindest auf regionaler Ebene, wie zum Beispiel die Kooperationen zur gemeinsamen Ausbildung im Raum Osnabrück oder in Ostwestfalen. Das geht aber oft auf die Initiative einzelner Mitgliedsunternehmen zurück. Der VVWL unterhält in Münster zudem ein Bildungswerk.