Soest – Berufskraftfahrer Ringo Eichler steuert seinen Sattelzug zum Parkplatz und hält an. Dann kommen die Viertklässler und stellen sich ein paar Schritte neben den Truck. Nach und nach steigen die Schüler ins Führerhaus, schwingen sich hinters Steuer, schauen, was sich draußen abspielt – und sehen keinen Einzigen aus ihrer Klasse, weder im Spiegel noch durchs Fenster. Alle sind im „Toten Winkel“ verschwunden, als wären sie vom Erdboden verschluckt.
Der Unfall am Deiringser Weg, bei dem vorigen Herbst ein 12-jähriger Junge starb, hat viele Soester geschockt. Der Radfahrer hatte an der Ampel gestanden, wollte, als das Signal auf Grün sprang, geradeaus weiterrollen, war aber von einem nach rechts abbiegenden Transporter erfasst worden.
Um die Wahrnehmung zu schärfen und den jungen Verkehrsteilnehmern tückische Gefahrensituationen vor Augen zu führen, die außerhalb des eingeschränkten Sichtfeldes von Lkw-Fahrern liegen, stand jetzt eine eindrucksvolle Lehrstunde auf dem Stundenplan der Georgschule: Die Kinder des dritten und vierten Schuljahres sollten sich selber ein Bild davon machen, was der Chauffeur aus seiner Kabine heraus erkennt und was eben nicht, wenn er an Einmündungen wartet, Kreuzungen passiert oder die Spur wechselt. Ringo Eichler, Vater des Schülers Tom, ist überzeugt vom Wert dieser praxisnahen Übungen. Er arbeitet bei der Spedition Müller in Meiningsen, ist oft auf Achse und weiß, wie schnell auf der Straße etwas passieren kann – selbst bei großer Umsicht. Sein Chef, berichtet er, habe das Anliegen, mit den Kindern zu trainieren, sofort unterstützt. Also habe er sich einen Tag Urlaub genommen, um den Schülern zu zeigen, wie sie sich schützen können.
Eichler weist auf die Vorschriften und auf die modernen Weitwinkelspiegel an der Maschine als zusätzliche Sicherung hin. „Unsere Autos sind alle damit ausgerüstet und auf dem neuesten Stand“, betont er. Der Gesetzgeber macht Auflagen, technische Lösungen sollen den „Toten Winkel“ schrumpfen lassen. Doch immer ist Vorsicht geboten.