Es ist der 29. Mai 1999, 04:50 Uhr. Pkw warten vor einer Baustellenampel im Tauerntunnel in Österreich, als ein Lastwagenfahrer auffährt – Sekundenschlaf. 40 Fahrzeuge geraten in Brand, 12 Tote, 48 Verletzte. Benzin, Öl, die Plane des Lkw werden zu einem explosiven Gemisch und erhitzen die Luft auf 1.200 Grad. Der Beton explodiert. Wie konnte es dazu kommen? Und kann das auch in den Tunneln in Mitteldeutschland passieren?
Beton-Experte Lutz Nietner von der Leipziger HTWK sieht den Unfall rückblickend als Weckruf für die Wissenschaft: Was macht solche Verkehrsbauwerke sicher? Wie kommen Rettungskräfte im Havarie-Fall unbeschadet rein? Wie kann man verhindern, dass die Lüftung den Brand anfacht? Wie muss Beton gegossen sein, damit er nicht explodiert?
Warum ist Beton nicht hitzebeständig?
Beton brennt nicht, das macht Lutz Nietner klar. Aber im Beton ist genug Wasser eingeschlossen. Und wenn das durch die starke Hitzeentwicklung bei einem Brand verdampft, entstehen so hohe Dampfdrücke, dass das System regelrecht explodiert. Wenn Kraftsstoffe im Tunnel brennen, entstehen in wenigen Minuten 1.200 Grad. Die Hitze kann nicht entweichen und geht direkt in den Beton. Professor Nietner erklärt das im Gespräch mit MDR Wissen sehr anschaulich:
Das ist so ähnlich wie in einem Schnellkochtopf. Der Druck erhöht sich und beim Überschreiten der entsprechenden Widerstandsfähigkeit des Betons platzt das explosionsartig ab. Prof. Lutz Nietner, HTWK Leipzig
Und zwar platzen dabei gleich mehrere Zentimeter des Betons ab, die nächste Schicht erhitzt sich und das Spiel beginnt von vorne. In den Tunnel zu gehen ist jetzt im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich: Feuerwehrleute müssen vor neuen Explosionen höllisch aufpassen, denn die Hitze ist noch da. Schweizer Forscher haben diese Explosionen vor kurzem mit Hochgeschwindigkeitskameras untersucht.
Die Lösung? Plastikfasern im Beton
Nach dem Brand im Tauerntunnel stand die Forschung unter großem Druck. Eine Lösung musste her, und zwar schnell und so effektiv, dass so ein Katastrophenszenario in Zukunft ausgeschlossen werden konnte. Die Lösung, auf die die Forschung kam, ist auf den ersten Blick ganz simpel: Kleinste Plastikfasern im Beton nehmen den Druck, erklärt Betonspezialist Nietner.
Das ist wie Kunststoff, Polypropylen, kurze Fasern, ein bis zwei Zentimeter lang, ein paar Mikrometer Durchmesser, relativ fein. Bei höheren Temperaturen schmelzen die Fasern, schaffen Kanäle und die heiße Luft kann raus. Prof. Lutz Nietner
Heidkopftunnel, Jagdbergtunnel, Königshainer Berge … sicher?
Im MDR-Sendegebiet gibt es viele neue Tunnel. Allein in Thüringen wurden seit 2003, also vier Jahre nach dem Unfall, zehn lange Tunnel gebaut, der längste ist fast 8.000 Meter. Sind die sicher? Nietner denkt nicht lange nach und sagt:
Die sind neu und entsprechend dieser neuen Technik gebaut. Prof. Lutz Nietner
Sowohl Belüftung als auch Fluchtwege entsprechen den neuen Richtlinien und auch der Beton kann dem Experten zufolge nicht mehr explodieren.
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