Sie waren 35.000 Kilometer unterwegs, fast einmal rund um die Erde. Dabei haben sie Bayern nicht verlassen, pendelten auf der A9 zwischen München und Nürnberg. Zwei MAN-Trucks, denen rein äußerlich nicht besonderes anzusehen war. Dabei lief hier über Monate durchaus Besonderes ab. Denn die beiden Lkw fuhren in einem Abstand zwischen 15 und 20 Metern hintereinander her, eng verbunden durch eine sogenannten „elektronische Deichsel“. Genannt wird das alles „Platooning“, was im Englischen für eine Art militärische Marschordnung bedeutet.
Bekannte Assistenzsysteme wie Abstandsradar machen es möglich, dass der Abstand zwischen den Brummis verkürzt werden kann. Normal sind heute rund 50 Meter zwischen den Lkw. Beim Platooning gibt das vordere Fahrzeug Tempo und Richtung vor. Alle anderen dahinter folgen wie das Küken dem Huhn. Verbunden sind die Fahrzeuge zudem mit dem speziellen WLAN-P, ein System für das autonome Fahren der Zukunft, dass es sich um die üblichen Funklöcher nicht kümmern muss.
Systeme arbeiten zuverlässig
Torsten Klein, Vize-Präsident in der MAN-Forschung berichtete jetzt auf dem Berliner Zukunftskongress der Dekra von den Erfahrungen auf der öffentlichen Versuchsstrecke mit dem zur deutschen Bahn gehörenden Testpartner und Spediteur Schenker. „Nur einmal pro 2.000 Kilometer gab es eine Unregelmäßigkeit, bei der der Fahrer eingreifen musste. Die Systeme arbeiteten also zu 98 Prozent zuverlässig“. Und die Menschen, die in der Kabine tagtäglich ihrem Beruf nachgehen? Die Hochschule Fresenius hat den Test im Hinblick auf die Auswirkungen auf beide beteiligten Fahrer ausgewertet.
Demnach waren die meisten von ihnen anfangs skeptisch, schwenkten dann aber um. Professorin Sabine Hammer: „Sicherheitsempfinden und Vertrauen in die Zukunftstechnologie spiegeln sich in der Bewertung konkreter Fahrsituationen wider, keine wurde als unkontrollierbar empfunden“. Lob auch für das Gefühl der Entspannung vor allem beim eher untätigen Hintermann. Aber, derzeit sind aus Sicherheitsgründen die Abstände zwischen den Trucks noch größer als später einmal geplant. Das stresste die Fahrer, da sich immer wieder vor allem Pkw zwischen die miteinander verbundenen Laster schoben und so das Test-Duo sprengten. MAN-Manager Klein: „Die Praxisprofis wünschen sich eine Distanz zum Vordermann von etwa zehn Metern, was das Lückenspringen zwischen den Spuren reduzieren würde.
Keine Einsparung beim Treibstoff
Im nächsten Schritt der Versuche sollen die strengen Vorgaben der Behörden gelockert werden. Torsten Klein: „Bisher müssen wir bei Regen, in Baustellen oder auch im Bereich von Autobahnkreuzen unsere Systeme ausschalten, kamen aber in Summe doch auf 69 Prozent automatische Hinterherfahrt.“ In diesen Auflagen und Beschränkungen sieht Klein auch die Gründe für eine Enttäuschung. Die erhoffte Treibstoff-Ersparnis von bis zu acht Prozent stellte sich nämlich nicht ein. In der Bilanz waren es gerade einmal drei bis vier Prozent. Wenn sich später einmal mehrere Lastwagen zu einem Güterzug auf Rädern eng zusammenschließen, könnte der Einspareffekt deutlich ansteigen.
Für den wichtigsten MAN-Konkurrenten ist das Platooning kein Thema mehr, nicht nur wegen der mageren Ausbeute beim Spritsparen. Mercedes, immerhin größter Nutzfahrzeug-Hersteller der Welt, ist aus dem Projekt ausgestiegen, da die schwäbischen Forscher in dem halbautomatischen Fahren vor allem für Europa einen Irrweg sehen. So müsse sich der Verbund bei jeder Ausfahrt, die ein Glied der Kette nutzen muss, auflösen, um sich anschließend wieder neu sortieren. Auch den Platzgewinn pro Autobahnabschnitt durch geringere Abstände zwischen den Trucks sehen die Stuttgarter eher kritisch. Mercedes setzt seinen Schwerpunkt auf autonom fahrende Einzel-Lkw, deren Erprobung auch in den USA längst angelaufen ist.
Bei allen Meinungsunterschieden besteht Einigkeit, dass das Nutzfahrzeug der Zukunft automatisch und vernetzt sein wird, vor allem aber auch elektrisch dank Batterie oder Wasserstoff nebst Brennstoffzelle. Denn selbst wenn das Platooning etwa ab 2025 Realität werden könnte: Wirklich sinnvoll ist das alles nur, wenn die dicken Truck-Auspuffrohre auf dem Schrottplatz der Automobilgeschichte entsorgt worden sind. Und das wird noch einige besorgte Regierungen überdauern.
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