Die Antriebswende im Lkw kommt voran – wenn auch etwas langsamer als erhofft. Hersteller wie Logistiker haben diese Woche im Verkehrsministerium unisono Planungssicherheit für die Umstellung gefordert. Die hohen Investitionen müssten durch einen klaren politischen Fokus abgesichert sein. Dann könne der Wandel im Straßengüterverkehr auch ohne Förderung gelingen.
Am Dienstag dieser Woche lud das Bundesministerium für Digitales und Verkehr zum dritten Mal in Folge zur Fachkonferenz Klimafreundliche Nutzfahrzeuge nach Berlin. Lkw-Hersteller wie Logistikunternehmen folgten dem Ruf – und debattierten konstruktiv den aktuellen Stand der Antriebswende im Lkw. Nach dem plötzlichen Aus für die KsNI-Förderung zu Jahresbeginn war das nicht selbstverständlich. Doch die Branche scheint sich an die Situation gewöhnt zu haben. Mehr noch, sie macht aus der Not eine Tugend. Und so lässt ein Satz besonders aufhorchen: „Wir müssen davon wegkommen, aus Fördertöpfen zu leben, sondern einen funktionierenden Markt aufbauen.“ Gesagt hat ihn kein geringerer als Manfred Schuckert, der sich bei Daimler Truck als Head of Automotive Regulatory Strategy um alle Regulierungsfragen kümmert.
Für den Daimler-Manager ist klar, dass die Elektrifizierung des Lkw-Verkehrs auf Kurs ist: Der Batterie-elektrische Langstrecken-Lkw eActros 600 startet in die Serienfertigung und die Nachfrage in Europa sei riesig. Fallende Preise – auch im Wettbewerb mit neuen Anbietern aus Asien – wollte Schuckert allerdings nicht versprechen. „Unter ein bestimmtes Level kann es nicht gehen, ansonsten fahren wir mit Verlust“, sagte Schuckert. Dafür machte er deutlich, dass Daimler Truck auch den Brennstoffzellen-Lkw als zweiten Strang weiter konsequent verfolge, auch wenn die Serienreife und Markteinführung der Batterie deutlich nachlaufe.
Da sich die Hersteller – und da steht Daimler Truck bekanntlich nicht alleine da – nun einmal auf diese beiden Technologien festgelegt haben, forderte Schuckert, sich auch politisch von weiteren Debatten um Technologieoffenheit zu verabschieden. Der europäische Lkw-Markt sei begrenzt, nicht jede Entwicklung sei bezahlbar. „Wir müssen uns für Pfade entscheiden“, so Schuckert. Und angebliche Alternativen wie E-Fuels und HVO 100 seien keine.
In dasselbe Horn blies auch Ralf Többe von Schenker Deutschland – also ein Logistiker durch und durch. Der Staat müsse „langfristige Planbarkeit und Sicherheit bei neuen Technologien gewährleisten“, so Többe. Bei aller Technologieoffenheit müsse ein klarer Fokus her. Schließlich verschlinge nicht nur die Anschaffung elektrischer Lkw viel Geld, sondern vor allem auch die Bereitstellung entsprechender Ladeinfrastruktur in den Depots. Den Anfang habe Schenker („Wir sehen uns in Europa als der Pionier.“) längst gemacht. Von aktuell 5.000 Lkw der schwersten Klasse N3 würden bei Schenker schon bald 100 emissionsfrei fahren, verriet Többe. Und die Hersteller dürften „die Technologie gerne günstiger anbieten“, dann würden es sehr schnell viel mehr.
Doch wie gestaltet sich nun der weitere Hochlauf der elektrischen Trucks? Eine Idee davon vermitteln die Cleanroom-Gespräche, welche die NOW im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums mit der Branche geführt hat. Die neueste Befragung datiert auf das Frühjahr dieses Jahres und es zeigt sich, dass die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs in Europa mit großem Tempo vorankommen könnte. Laut den Angaben der Hersteller sollen 2030 bereits 70 Prozent aller neu zugelassenen N3-Lkw in Europa emissionsfrei sein. Den Löwenanteil daran würden Batterie-elektrische Trucks ausmachen, konkret 43,3 Prozent des Gesamtmarktes . „Der Schwerpunkt liegt auf der Batterie-elektrischen Mobilität“, sagte denn auch Dagmar Fehler, seit September Sprecherin der Geschäftsführung der NOW, bei der Vorstellung der Ergebnisse. Der Wasserstoff-Bereich fächert sich zunehmend auf in Brennstoffzellen-Lkw (12,3% Marktanteil 2030) und Wasserstoff-Verbrenner (5,5%). Auffällig ist: Vor zwei Jahren haben die Lkw-Hersteller für 2030 noch mit 75% Marktanteil für saubere Brummis gerechnet. Der Fade-out des Diesel dauert also etwas länger.
Dass die Zeichen auf Strom stehen, daran ließ auch Roman Hilgers keinen Zweifel. „Unser Fokus bleibt auf Batterie-elektrischen Fahrzeugen“, sagte der Head of E-Mobility Sales & Services von MAN Truck & Bus. Der Wasserstoff-Verbrenner sei als Alternative für nicht oder nur schwer elektrifizierbare Nischen gedacht und die Brennstoffzellen-Technologie werde zwar auch bei MAN (etwa im Rahmen der Bayernflotte) weiterentwickelt, aber ein echtes Marktpotenzial sieht Hilgers dafür „nicht vor 2030“. Bei MAN, so viel wurde einmal mehr deutlich, steht der Akku im Zentrum der Aufmerksamkeit. Und das hat einen Grund: „Wir sehen dort für unsere Kunden im Vergleich zu anderen Technologien einfach die beste Gesamtkostenperspektive.“ Zudem sei die Technologiereife am weitesten fortgeschritten, sodass MAN im Jahr 2030 rund 50 Prozent seiner Lkw-Verkäufe Batterie-elektrisch gestalten wolle. Das passt gut zu den Europa-Zahlen.
Und das passt auch zu den Plänen von Contargo: Der Logistik-Dienstleister wickelt Transporte zwischen den Seehäfen und dem europäischen Hinterland ab und gehört zur Rhenus-Gruppe. Bis Mitte 2025 sollen bereits 90 von insgesamt 750 Lkw in Deutschland rein elektrisch fahren, aktuell sind es 30, wie Contargo-CEO Jürgen Albersmann bei der Konferenz in Berlin zu berichten wusste. Alle 15 Terminal-Standorte von Contargo werden deshalb mit Ladeinfrastruktur ausgerüstet. 90 Ladepunkte entstehen insgesamt. „Wir schaffen uns ein eigenes Elektro-Ökosystem“, sagte Albersmann. Und er will mehr: „Wir trauen uns auch elektrisch auf die Langstrecke.“ Wenn das Service-Angebot der Hersteller stimme und das Laden (etwa mit Ladeanschlüssen auf beiden Seiten der E-Lkw) weiter verbessert werde, stehe der Antriebswende nichts im Wege.
Von der Fachkonferenz für Nutzfahrzeuge gingen also viele positive Signale aus. Wenn Wirtschaft und Industrie ihre Hausaufgaben machen und an einem Strang ziehen, könne der Markthochlauf gelingen. Hilfreich wäre natürlich, auch das wurde vielfach geäußert, wenn die Einnahmen der CO2-Maut wieder in die Antriebswende fließen würden – und nicht in den allgemeinen Haushalt oder die Schiene. Aber darum muss sich 2025 ja eine neue Regierung in Berlin kümmern.