Seit 37 Jahren ist Hardy Werberger als Berufskraftfahrer unterwegs und weiß genau, wie er sich den täglich wechselnden Herausforderungen stellen muss. Dabei wollte der 55-Jährige zunächst Tierpfleger oder Förster werden.
„Das ist nicht immer Ankommen und Loslegen“, stellt Hardy Werberger nüchtern fest, als er am Morgen die Baustelle in Rostock erreicht, die er mit Kranteilen beliefern soll. Denn sein Kollege Leu, der erst kurz vor ihm angekommen war, hat sich festgefahren. „Die haben den Boden hier nicht verdichtet“, sagt er. Die Reifen seines 40 Tonnen schweren Gespanns haben sich tief in den losen Sand gegraben. Nix geht mehr.
Aus der Ruhe lassen sich die Männer dennoch nicht bringen. „Wenn du auf die Felder raufmusst, wo die Windparks entstehen, schön in der Modder, das ist noch besser“, sagt Leu ironisch. Weitergehen muss es trotzdem immer. Hardy Werberger dreht seinen offenen Sattel um und fährt rückwärts an das Führerhaus seines Kollegen heran, um eine Abschleppkette zu spannen.
Ausbildung begann mit Technikgrundkurs
Zunächst wollte Hardy Werberger Tierpfleger oder Förster werden. „Aber in den Stall wollte ich dann doch nicht und wegen der schlechten Noten war ein Forstwirtstudium nicht drin.“ Gelernt hat der heute 55-Jährige seinen Beruf im Alter von 18 Jahren bei Ostseetrans. Dort wurde er zum Kfz-Schlosser mit Spezialisierungsrichtung Berufskraftfahrer ausgebildet. „Mein Vater war auch bei Ostseetrans und hat immer gesagt, als Schlosser müsste ich den Scheiß von anderen heil machen und als Kraftfahrer nur meinen eigenen.“ Die Lehre begann also in der Werkstatt. Hier wurden ihm Grundkenntnisse zur Technik vermittelt. „Irgendwie musste ich den Laster ja auch nach Hause bringen, wenn er mal kaputt ist“, sagt Werberger, den alle nur Hardy nennen. In solchen Fällen sei man schließlich oft alleine und müsse sich dann zu helfen wissen.
Improvisieren ist auch jetzt angesagt. Hardy schmeißt seine 510 PS starke Maschine an und befreit den Lkw mitsamt seinem Kollegen Leu aus der misslichen Lage, der losfährt und die nächste Fuhre Kranteile holen kann. Ein Mitarbeiter auf der Baustelle schnappt sich die Rüttelplatte. „Ich verdichte dir dat hier eben“, sagt er. Endlich kann auch Hardy auf die Baustelle rauffahren und Betongewichte und den Turm des Krans abladen. Kein loser Sand mehr, kein Festfahren.
So sauber wie im Wohnzimmer
Dann geht es auch für Hardy weiter ins sechs Kilometer entfernte Bentwisch. Beim Baumaschinenhandel Friedrich Niemann lädt Mitarbeiter Jürgen den beiden Truckern die nächste Ladung für die Baustelle an der Warnow auf den Plateauauflieger. Auch Kollege Leu ist bereits angekommen und gerade dabei, weitere Betongewichte auf seinem Auflieger festzuzurren. Hardy muss warten. Ungenutzt bleibt die Zeit aber nicht. Aus der Fahrertür zückt der 55-Jährige eine Schuhbürste und entfernt sich damit den Dreck von der Jeans, den er sich beim Freischaufeln der Reifen geholt hatte. Auf ein gepflegtes Erscheinungsbild legt der Trucker Wert. „In Jogginghose und unrasiert rumlaufen, wie so manch ein Kollege, das ist nix für mich.“Auch in seinem Führerhaus findet man kaum ein Sandkorn. Die samtig rote Inneneinrichtung hat er sich selbst ausgesucht, näht sogar Gardinen selbst.
Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn hat Hardy zunächst Räucherfisch ausgefahren – später auch international. „Ich habe Europa komplett durchreist“, sagt er. Dann lernte er seine zweite Frau kennen. „Ehe das wieder in die Brüche geht, habe ich mich entschieden, in der Region zu bleiben.“ Eine gute Entscheidung – die Beziehung hält seit 27 Jahren. Für Spezialtransporte Schumacher sitzt er inzwischen knapp 20 Jahre hinter dem Steuer.
37 Arbeitsjahre in Büchern festgehalten
Die Ladefläche seines Volvo FH 12 ist inzwischen wieder voll. Hardy soll das Führerhaus des Krans und weitere Gewichte zur Baustelle fahren. Seitlich aus seinem Auflieger zieht er rot-weiß gestreifte Bleche heraus. „Das sind Tafeln zum Kennzeichnen von Überbreite“, sagt Hardy und schraubt hinten ein orange blinkendes Licht an. „Die Wichtigleuchte.“ Bevor es wieder in Richtung Baustelle losgehen kann, kritzelt Hardy ein paar Notizen in sein Buch. „Ich kann genau sagen, wo ich heute vor 30 Jahren um 16.30 Uhr gewesen bin“, sagt er. Er könne nachlesen, ob ihn jemand geschnitten hat oder ob ein grauer BMW auf der A 9 eine Vollbremsung machen musste. Aber auch andere Erinnerungen landen in den Büchern, die bei ihm zu Hause bereits ganze Regale füllen. Da war etwa die Tour mit Windkraftanlagen in den Schwarzwald, für die extra Straßen geteert wurden. „Am Straßenrand stand einer und blies in sein Alphorn“, sagt Hardy. Oder die Tour mit dem großen Bagger, der über die Elbe musste und den gesamten Platz, den die Fähre zu bieten hatte, einnahm.
Vorliebe für lange Touren
Verändert haben sich im Laufe der Jahrzehnte vor allem die Ansprüche und die Mentalität der Fahrer. „Wir waren früher sechs Wochen am Stück unterwegs, das war völlig normal. Und ich hab auch mal auf einem Baumstumpf gesessen und geweint“, sagt Hardy. „Heute will das keiner mehr und die brauchen alle Keramikschüssel und -becken.“ Hardy bezeichnet sich und seine langjährigen Kollegen als Dinosaurier. „Dabei ist der Meteorit längst runtergefallen“, sagt er. Und dennoch sind ihm die längeren Touren auch heute noch das Liebste. „Am Freitag vorladen, Montag los und Mittwoch das erste Mal anhalten“, sagt er. Da sei man zeitlich unabhängiger. „Wenn ich meine Tour weiß, sicher bin, dass alles festgezurrt ist, dann mach ich die Tür zu und bin in meiner Welt.“
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