An Karl-Heinz Schmidt kann sich niemand so leicht wortlos vorbeischleichen. Wenn der 62-Jährige jeden Morgen die Schüler mit dem Bus nach Schwarmstedt fährt, hat er immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Nachmittags kommt er in Langlingen, Hohenbostel und Wienhausen vorbei.
CELLE. „Man kann nicht nicht miteinander kommunizieren“, ist Schmidt überzeugt. Gebürtig stammt er aus Castrop-Rauxel, einer 75.000-Einwohner-Stadt im Ruhrpott. Seit Anfang der 90er Jahre arbeitet er bei der CeBus. An seinem Alltag schätzt Schmidt, ständig mit Leuten in Kontakt zu kommen und trotzdem sein eigener Herr zu sein. Der Wahl-Celler möchte wissen, wie es seinen Fahrgästen geht, wer heute fehlt oder wer eine Klausur schreiben muss. Doch am liebsten diskutiert er mit den Cellern über das aktuelle Weltgeschehen. „Ungerechtigkeiten kann ich nicht ab“, sagt er.
Viele Celler kennen Schmidt noch aus Bundeswehr-Zeiten, schließlich war er dort viele Jahre lang Ausbilder. Spätestens seitdem es Youtube-Videos über ihn gibt, ist „Kalle, der Busfahrer“ im Landkreis Celle Kult. Mit Schmackes trällert er in die Kamera: „Mir haben sie gestern meinen Hut geklaut. Trotzdem ich hingeschaut, sie haben ihn doch geklaut. Aber eins und da verlasst euch drauf, wenn jeder einen hat, dann hört das auf.“ Er nennt seine selbst geschriebenen Zeilen „eine Persiflage auf das Nachmittagsprogramm.“
Kalle hat viel zu erzählen, zum Beispiel von seiner Zeit unter Tage. Die Jahre im Schacht haben ihn besonders geprägt. „Im Bergbau hat Kameradschaft einen hohen Stellenwert. Sie kommt von Herzen und nicht vom Imperativ wie bei der Bundeswehr. Wenn man sich jeden Tag sieht, prägt das das Zusammengehörigkeitsgefühl. Als Kumpel, da hilft einer dem anderen. Es geht gar nicht ohne den anderen.“ Vier-, fünfmal im Jahr müsse er „über die A2 back to the roots, da fühle ich mich wohl“.
Der Liebe wegen ist Kalle nach Celle gezogen. Kennengelernt hat er seine Ehefrau im Urlaub auf Mallorca. „Die Zufriedenheit im Leben hängt mit der Freizeit zusammen“ lautet eine Lebensweisheit von Kalle. Ihm ist es wichtig, genügend Zeit für die Familie zu haben, um Musik zu hören und Bücher zu lesen. Sein Nachbar hatte ihn auf die Idee gebracht, sich bei der CeBus zu bewerben, denn der war selbst Busfahrer. „Man sollte nicht nur die eigene Karriere im Kopf haben, sondern überall einsetzbar sein“, findet Kalle.
Bildung ist für Kalle das wichtigste Gut. „Das schafft auch Menschlichkeit“, betont er. Er weiß, wovon er spricht. In seiner Jugend hat er erst den Hauptschulabschluss gemacht und dann viele Jahre später das Fachabi nachgeholt. Er findet es wichtig, dass Kinder wissen, was ein Monsun ist oder die Sahel-Zone. „Wer über ein Land Bescheid weiß, führt keinen Krieg.“
Nächstes Jahr könnte Kalle in den Ruhestand gehen. „Aber vielleicht will ich noch länger arbeiten“, überlegt er. Denn so leicht kann er sich doch nicht vom Busfahren trennen.