Versmold. Auf seine blaue Elise wird Andreas Bittner ständig angesprochen, verrät seine Frau. Auf Facebook sammeln er und sein Lkw täglich „Gefällt mir“-Klicks. Mehr als 1.300 Facebook-Nutzer haben den Peckeloher als »Freund« hinzugefügt – einige davon kenne er gar nicht. Und trotzdem punktet Bittner bei ihnen mit seiner fahrbaren Zweitwohnung und den Fotos von seinen Dienstreisen. Selbst dann, wenn er nur ein Bild vom Käffchen an der Raststätte veröffentlicht.
Trotz Fahrerkult ist sein Blick auf seinen Beruf kritisch. Dass händeringend Nachwuchs gesucht wird, wundere ihn nicht. 45.000 Berufskraftfahrer fehlen laut deutschem Speditions- und Logistikverband. Allein für Versmold wurden bei der Arbeitsagentur 200 Gesuche aufgegeben. Bittner betont: „Ich würde heute keinem dazu raten, diesen Beruf zu ergreifen.“
Umso erstaunlicher ist, dass seine beiden Söhne trotzdem in seine Fußstapfen getreten sind – „obwohl ich ihnen gesagt habe, lernt was Vernünftiges.“ Die beiden Jungen seien schon als Kinder mit Papa Touren gefahren. Daraus wurde ein richtiger Faible für die Fahrerei. Auch er selbst wurde durch einen Verwandten angespornt. „Mein Onkel war Berufskraftfahrer. Ich durfte früher oft mitfahren.“ Vor 40 Jahren entschied er sich dann für den Job hinterm Steuer.
„Heute würde ich den Führerschein nicht mehr machen.“ Aber früher sei es anders gewesen. Als junger Mann habe ihn die Freiheit unterwegs und die Reisen ins Ausland gereizt. Bis nach Portugal durfte er fahren. „Das war schon spannend.“ Heute habe sich das Arbeitsklima verändert. „Der Zeitdruck wird immer größer.“ Verbunden mit langen Schichten: „Mindestens 13 Stunden am Stück sind die Regel.“
„Ohne Lkw bricht alles in unserer Gesellschaft zusammen“
Hinzu komme die schlechte Bezahlung in vielen Speditionen. Das ärgere ihn, auch wenn er selbst mit seinem Arbeitgeber Glück habe. Er arbeitet für das Sauerländer Unternehmen Brass, einem Geschäftspartner von Nagel.
Zudem haben Lkw-Fahrer hohe Ausgaben, um ihren Führerschein alle fünf Jahre verlängern lassen. Die ärztlichen Kontrolluntersuchungen und Prüfungen werden von Arbeitgebern oft nicht bezahlt.
Im Alltag werde er außerdem an den Raststätten „geschröpft“. Mit den 24 Euro Spesengeld muss er gut haushalten, da allein ein Kaffee an der Autobahn mehr als drei Euro kostet.
Zu allem Überfluss müssen sich die Fahrer mit den Imageproblemen ihres Berufsstandes herumschlagen – vor allem im Stau und bei Unfällen habe Bittner den Eindruck, dass der Frust automatisch beim Lkw-Fahrer landet: „Dabei gibt es heutzutage sehr gute Sicherheitssysteme, die viele Unfälle verhindern.“Anstatt solcher Anschuldigungen und Sprüche über das Fahrtempo auf Autobahnen wünsche er sich, dass die Leute darüber nachdenken, welche Bedeutung die Berufskraftfahrer im Alltag hätten: „Der Lkw bringt sämtliche Waren, die wir benutzen in die Geschäfte. Ohne Lkw bricht alles in unserer Gesellschaft zusammen.“
Erschreckend sei bei diesem Gedanken, dass mit seiner Generation Zigtausende Fahrer in den Ruhestand gehen. Der Fahrermangel wird sich enorm verschärfen. Bittner wundert, dass trotzdem wenig gemacht wird, um Frauen für den Beruf zu begeistern. Die Fahrerinnen, die er kenne, „machen alle einen tollen Job. Genauso gut wie Männer.“ Das Fahren sei längst keine reine Männerdomaine mehr, aber es gebe immer noch zu wenig Frauen.