Scheeßel – Mara Schneider ist auf dem Sprung. Mal wieder. Noch ein paar Stunden, dann muss die 26-Jährige wieder im 50 Kilometer entfernten Seevetal sein. Mit dabei: natürlich ihr Mercedes-Sprinter. Kein gewöhnlicher Sprinter, sondern einer mit Gelblicht, Warnmarkierungen und einem ausklappbaren Display-Kasten auf dem Dach. „Das ist eine Wechselvekehrszeichenanlage, kurz WVZ“, klärt die junge Frau auf. „Mit der kann ich drei verschiedene Signale anzeigen.“ Wofür die Neu-Scheeßelerin solche Gadgets braucht? Mara Schneider ist von Berufs wegen Schwertransportbegleiterin. „Auf diese Weise kann ich den Verkehr hinter mir leiten.“
Seit fast einem Jahr ist die gebürtige Berlinerin so auf deutschen Straßen unterwegs, auf Autobahnen ebenso wie auf Bundesstraßen – und dies meistens nachts. Touren von 1 000 Kilometern seien dabei keine Seltenheit, sagt sie. Ein Knochenjob? „Ja, aber einer, der mir wirklich Spaß macht“, beteuert Schneider. „Außerdem habe ich einen tollen Chef, der mich morgens nach getaner Arbeit erstmal auf dem Rastplatz ausschlafen lässt.“ Dazu hat Schneider sich den Innenraum ihres sogenannten BF3-Begleitfahrzeugs, das sie auf den Namen „Bothan“ getauft hat, zu einem Schlafgemach auf vier Rädern ausbauen lassen – mit Bett, Schränken und sogar eine kleine Mini-Küche ist mit an Bord. Ein einfacher Campingwagen böte trotzdem sicher mehr Komfort. „Mir reicht das aber völlig aus“, sagt sie. „Schließlich mache ich die Fahrten ja auch nicht zum privaten Vergnügen.“ Einige Eskorten fahre sie auch mit ihrem Lebensgefährten ab. Der sei im gleichen Job tätig, habe sie erst zum Begleitfahren ermuntert. „Zu zweit sind wir aber immer noch in getrennten Sprintern unterwegs – einer vorneweg, einer hintenan.“
Für eine Frau nimmt sich Mara Schneiders beruflicher Werdegang durchaus ungewöhnlich aus. „Wo auch immer ich war – ich war immer das einzige Mädel“, sagt sie. Mit 13 habe sie das erste Mal Werkstattluft geschnuppert – bei einem Praktikum in einem Kfz-Betrieb. „Seit ich mich erinnern kann, habe ich mich schon immer dafür interessiert, wie Motor, Getriebe und Fahrwerk ineinandergreifen.“ Und sie liebe ganz einfach den Geruch von altem Motoröl. Eigentlich habe ihr eine Zeit lang eine Karriere bei der Polizei vorgeschwebt, „am liebsten bei der Reiterstaffel“. Am Ende sei es aber doch eine Lehre zur Kfz-Mechatronikerin geworden. Warum sie heute nicht mehr als solche arbeitet? „Meine Hände“, sagt Schneider und spielt damit auf eine Erbkrankheit an, deren Symptome ähnlich die einer Sehnenscheidenentzündung ein kraftvolles Zupacken fast unmöglich machen würden. Da sei ihr die Idee gekommen, komplett umzusatteln – raus aus der Werkstatt, den Blaumann an den Nagel gehängt und rauf auf den „Bock“. Und so habe sie noch eine Ausbildung zur Berufskraftfahrerin hinterhergeschoben. „Ich fand die Vorstellung, quasi sein eigener Chef zu sein und dabei auch noch immer die ganze Straße überblicken zu können, recht reizvoll.“ Sogar 40-Tonner sei sie damals gefahren, habe nach einer entsprechenden Qualifizierungsmaßnahme auch Gefahrgutladungen von A nach B transportieren dürfen. Sichtlich stolz präsentiert sie ihr vor drei Jahren erworbenes Abschlusszeugnis, welches sie als Beste in der praktischen Prüfung auszeichnet. „Ich habe mich halt immer durchgekämpft, habe an meinen Zielen festgehalten – und es den Männern dabei irgendwie auch immer gezeigt“, schmunzelt Schneider.
Über ihren aktuellen Arbeitgeber, ein Privatunternehmen mit Sitz in Hannover-Garbsen, habe sie jedenfalls immer gut zu tun. Elf Monate mache sie den Job nun schon. Wenn Lkws mit ihrer Fracht zu schwer sind, weil sie beispielsweise Trafohäuser und Bagger aufgeladen haben oder etwa Bauteile für Winkraftanlagen, kommt die 26-Jährige ins Spiel. Etwa wenn es darum geht, Brücken zu überqueren. „In solchen Fällen müssen wir den rückwärtigen Verkehr auch schon mal komplett stoppen, weil es sich um Transporte mit einem Gewicht jenseits der 100 Tonnen handeln.“ Die dürften das Brückenbauwerk dann auch nur als einziges queren – im Schritttempo, versteht sich.
Übergewicht sei die eine Sache, zu große Maße eine andere. Beides sei aber immer erst genehmigungspflichtig. „Teilweise habe ich es mit Transporten zu tun, die fast fünf Meter breit sind.“ Auch hier seien die Begleitfahrer gefragt, den Verkehr zu regeln – oder zeitweise zu sperren, etwa auf engen Autobahnauffahrten. Sie selbst besitze eine solche Lizenz – in Fachkreisen spricht man von BF4 – noch nicht, möchte die aber in naher Zukunft erwerben. „Dafür braucht man vier zwei bis drei Jahre Berufserfahrung, und mehr als zwei Punkte in Flensburg sind nicht drin“, weiß Schneider.
Der Abend dämmert. Jetzt muss sie aber auch wirklich los. Seevetal ruft. Von dort aus geht es die ganze Nacht über gleich mehrere Autobahnen. Gigantisch-große Teile für ein Windrad wollen unbeschadet am Zielort ankommen. Morgen früh, bevor die nächste Mission ruft, kann die Scheeßelerin dann ganz sicher irgendwo wieder ausschlafen – in ihrem wohnlich eingerichteten Sprinter. „Ehrlich gesagt bekomme ich unter der Woche mehr Schlaf als am Wochenende“, schmunzelt sie und wirft den Motor an.