Was tun, wenn Fachkräfte fehlen? Busunternehmen in der Wartburgregion haben sich zu einer ungewöhnlichen Werbeaktion zusammengetan. Auf dem Flugplatz Kindel nördlich von Eisenach haben sie am Dienstag nicht nur über den Beruf des Busfahrers informiert, sondern die Interessenten auch gleich zu einer Probefahrt eingeladen. Mehr als 30 setzten sich selbst hinters Steuer – und staunten.
Auf dem Gelände des Verkehrssicherheitszentrums auf dem Flugplatz Kindel bei Eisenach fahren zwei Busse ihre Runden. Immer wieder halten sie kurz an zum Fahrerwechsel. Das Besondere an diesem Tag: Alle Fahrer sitzen erstmals hinter dem Lenkrad eines Busses, einen Fahrlehrer an der Seite, den erforderlichen Führerschein haben sie nicht. Noch nicht?
Auf Quereinsteiger als künftige Busfahrer hoffen sechs private Busunternehmen aus der Region und das kommunale Verkehrsunternehmen Wartburgmobil (VuW). Deshalb haben sie diesen Berufswerbetag am Dienstag gemeinsam organisiert. Mehr als 30 Männer und eine Frau sind der Einladung gefolgt. Einige räumen ein, dass sie die Chance nutzen und einfach mal Busfahren wollten, einen Kindheitstraum erfüllen. Für andere könnte es mehr werden.
Mehr lenken, nicht schalten
Frank Suffa-Petri beispielsweise kann sich Busfahren durchaus als Beruf vorstellen. Ihm gefällt, nicht im Büro vorm Computer zu sitzen. „Man ist draußen, man hat mit Menschen zu tun.“ Er hat sich nach 20 Jahren Büroarbeit in der mobilen Gastronomie selbstständig gemacht, aber fände es gut, ein zweites Standbein als Angestellter zu haben. „Ich fahr‘ gerne, hab‘ jetzt alles gefahren außer Busse, da dachte ich mir: Ich guck‘ mir das mal an.“
Frank Suffa-Petri könnte sich einen Zweitjob als Busfahrer gut vorstellen. Bildrechte: MDR/Ruth Breer
Also steigt er in den Bus eines Bildungsträgers, der Busfahrer ausbildet. Fahrlehrer Jörg Kögler weist ihn kurz ein – wo sind Gurt, Gas und Bremse, wo wird die Handbremse gelöst? Und schon geht es los. Man müsse mehr lenken als im Pkw, sagt der Fahrlehrer, vor allem rechtzeitig. Und auf das Heck achten, das ausschwenkt. Schalten entfällt: Der Bus hat ein Zwölf-Gänge-Automatik-Getriebe.
Busfahren ist nicht so schwer wie gedacht
Jeder darf den Bus zwei Runden über das Gelände lenken. Die Größe des Fahrzeugs beeindruckt. „Eine andere Dimension“, sagt einer. Der Fahrschulbus hat noch einen Hänger hinten dran, ist damit 18,70 Meter lang. Auch den Platz im Cockpit empfindet mancher als ungewohnt geräumig – so weit weg von allem. Aber das Fahren sei „nicht so schwer wie gedacht“, erzählen die Neulinge. „Sehr bequem, sehr leichtgängig“, sagt ein anderer, „eine schöne Erfahrung.“ So geht es auch Frank Suffa-Petri, der seine Runden ganz in Ruhe absolviert. „Super“, sagt er, „eine ganz andere Welt. Sehr interessant, sehr spannend.“ Und sucht im Anschluss gleich das Gespräch mit einem Unternehmen.
Den Fahrlehrer immer rechts neben sich: Bus-Neuling auf der Proberunde. Bildrechte: MDR/Ruth Breer
Die Branche braucht Quereinsteiger. Der Verband Mitteldeutscher Omnibusunternehmen hatte jüngst den Thüringer Bedarf an Busfahrern auf 300 pro Jahr beziffert. In der Wartburgregion benötigten die Firmen in den kommenden fünf Jahren 50 bis 60 neue Busfahrer, schätzt Elke Gabriel vom gleichnamigen Busunternehmen in Wutha-Farnroda. Nach Corona seien Busreisen wieder stärker gefragt. Aber die Fahrer werden natürlich auch benötigt, um den öffentlichen Nahverkehr im Landkreis abzudecken.
Wichtig: Geputzte Schuhe, saubere Fingernägel, ordentliche Frisur
Was müssen die Bewerber mitbringen? Elke Gabriel lacht und zählt auf: Wichtig seien gute deutsche Sprachkenntnisse mindestens Niveau B1, um den Führerschein zu erwerben. Aber auch die äußere Form ist ihr wichtig: „Ich sag‘ mal: Freude am Tragen einer Krawatte, geputzte Schuhe, saubere Fingernägel, geschnittene Haare. Das Busfahren bringen wir ihnen dann bei.“
Nach Corona sind Busreisen wieder stärker gefragt, sagt Busunternehmerin Elke Gabriel aus Wutha-Farnroda. Bildrechte: MDR/Ruth Breer
Als Hürde in den Beruf gelten die Kosten von rund 10.000 Euro für den Busführerschein. Diese finanzielle Barriere aber lasse sich überwinden, sagt Sina Fleischmann, Vorstand des kommunalen Verkehrsunternehmens Wartburgmobil. „Die Interessenten selbst wird es in den seltensten Fällen Geld kosten, die Ausbildung zu machen.“ Sie sieht ihr Unternehmen in der Pflicht, den Nachwuchs auszubilden. Das VuW betreibt eine eigene Fahrschule auch für Behörden.
Was Busfahrer verdienen
Doch fördern auch Arbeitsagentur und Jobcenter den Busführerschein großzügig für Arbeitslose, aber auch für Unternehmen, die einen angehenden Fahrer sozialversicherungspflichtig beschäftigen. Elke Gabriel hat vor Kurzem einen Mann eingestellt, der jetzt seinen dreimonatigen Busfahrer-Lehrgang bei einem Bildungsträger beginnt. Weil das Busunternehmen klein ist, übernimmt die Arbeitsagentur vollständig die Kosten der Weiterbildung. Außerdem zahlt es der Firma in den drei Monaten 75 Prozent des Lohns für den Mann. Bei etwas größeren Unternehmen wird beides zur Hälfte finanziell gestützt.
Und was verdient ein Busfahrer? Zwischen 15 und 17 Euro die Stunde, heißt es von den Unternehmen. Die genaue Höhe hänge davon ab, wie lange jemand schon in dem Job arbeitet – und ob er mehr Linie oder mehr Reisebus fährt. Der Beruf sei durchaus attraktiv, findet Fahrlehrer Jörg Kögler. Anders als Lkw-Fahrer mache man sich nicht die Hände schmutzig, müsse nichts schleppen. Durch die planbaren Arbeitszeiten lasse sich Busfahren gut mit Familienarbeit kombinieren, sagt er – also sei es durchaus ein Beruf auch für Frauen.