In Grobritannien mangelt es an Lkw-Fahrern – und damit auch an Sprit und Lebensmitteln. Nun wirbt das Land bei deutschen Einwanderern für den Job – egal ob sie Erfahrung vorweisen können oder nicht.
Susanne Grabinger lebt seit elf Jahren in London. Doch bereits seit geraumer Zeit habe sich viel verändert: Man stehe mehr in Warteschlangen. Auf der Urlaubsrückreise am Flughafen, zum Beispiel. „Obwohl ich einen britischen Pass habe“, so Grabinger. Oder an der Tankstelle. Freunde von ihr hätten zuletzt rund eine Dreiviertelstunde an der Tankstelle angestanden – und durften dann nicht mal vollmachen. Denn: Der Sprit fehlt.
Autofahrer stehen an einer Tankstelle Schlange
Die massiven Engpässe gehen dabei nicht etwa auf einen Mangel an Benzin und Diesel zurück: Es fehlen landesweit Tausende Lkw-Fahrer, die den Sprit zu den Tankstellen bringen. Zwischenzeitlich ging in einigen Landesteilen laut dem Branchenverband PRA bis zu 90 Prozent der Tankstellen das Benzin aus – auch weil es innerhalb der Bevölkerung zu Panikkäufen kam.
Und auch an den Supermärkten gibt es Andrang – bei teils leeren Regalen. Käse aus Italien, Bier aus Deutschland? In manch einer Woche ein Problem, so die Wahl-Londonerin Grabinger. Denn auch hier fehlt es an Lkw-Fahrern.
Deutsche als Lkw-Fahrer angeworben
Deshalb will das britische Department of Transport nun auf eine – gewissermaßen – stille Reserve zurückgreifen: Es rekrutiert Menschen, die in seiner Datenbank mit einem Lkw-Führerschein erfasst sind. Das seien häufig Deutsche, die vor dem Ende der 90er ihren Führerschein gemacht hätten. „Eine Freundin von mir hat einen Brief erhalten, ob sie nicht Interesse hätte, Lkw-Fahrerin zu werden“, erzählt Susanne Grabinger. Schließlich wäre das ein interessanter Job, werben die britischen Verkehrsexperten.
Im Falle von Grabingers Freundin fehlt es allerdings etwas an Erfahrung: „Ich denke, dass sie noch nie Lkw gefahren ist.“ Die Bekannte arbeite stattdessen im Finanzbereich. „Ich glaube nicht, dass sie Interesse hat, umzusatteln.“
Soldaten helfen aus
Doch so abstrus die Idee der britischen Verkehrsexperten auch klingen mag, sie offenbart doch, wie groß die Verzweiflung sein muss. Auch Susanne Grabinger fragt sich, ob sie – bei all den Veränderungen – noch lange in London bleiben will.
Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU hatten viele vom europäischen Kontinent stammende Arbeitskräfte das Vereinigte Königreich verlassen. Die Corona-Pandemie verschärfte den Personalmangel noch, da die Ausbildung von neuen Fahrern ins Stocken geriet. Ab der kommenden Woche sollen Soldaten aushelfen – rund 100 von ihnen werden Lastwagen fahren.