Wer eine reine Elektro-IAA erwartet hatte, wurde in Hannover eines Besseren belehrt. Der sparsame Diesel hat längst nicht ausgedient und fand neben Elektro-, Brennstoffzellen-, Wasserstoff- und Gas- Antrieben bei allen Schwer-Lkw-Herstellern seinen gebührenden Platz.
Die IAA Transportation 2024 im September war spannend wie nie. 1.650 Aussteller aus 41 Ländern zeigten 145 Welt- und Messepremieren.
Selbst US-Hersteller Tesla präsentierte auf der Messe erstmals die schon längst angekündigte Semi-Sattelzugmaschine mit E-Antrieb. Sie soll künftig sogar über europäische Straßen rollen. Volvo Trucks stand dem nicht nach und holte seinen neuen Elektro-Hauber VNL über den Teich nach Deutschland. Bei den IAA-Besuchern sorgte sie für Herzklopfen. Die Schweden beweisen damit einmal mehr, dass sie auch außerhalb Europas CO2-neutrale Trucks im Programm haben. Bereits seit zwei Jahren bietet Volvo serienmäßige E-Laster an, kann inzwischen auf acht unterschiedliche Elektromodelle verweisen und hat weltweit bereits mehr als 4.200 E-Lkw verkauft.
Mit Diesel: Mercedes-Benz Actros L auf der IAA
Insgesamt überzeugte die IAA in Hannover durch viel Klasse statt Masse. Waren sonst bei Mercedes-Benz Trucks sämtliche Baureihen vom Unimog
bis zur SLT-Schwerlastzugmaschine auf dem Messestand vertreten, fokussierten sich die Schwaben diesmal auf die Trends der Zukunft. Dass die in den kommenden Jahren nicht allein aus Elektro- und Wasserstoff-Lkw bestehen kann, unterstrich der neue Mercedes-Benz Actros L mit futuristisch gestalteter ProCabin, verbesserter Aerodynamik und sparsameren OM 471-Motoren der dritten Generation. Die um 8 cm verlängerte Front der hoch aufgesetzten und rundgelutschten Kabine soll dem Flaggschiff 3 Prozent Dieseleinsparung bringen. Der Bestseller aus dem Premium-Segment der dieselgetriebenen Schwer-Lkw feierte in Hannover seine Messepremiere und geht Ende 2024 in Serie.
eActros 600 wird „Truck of the Year 2025“
Im November dieses Jahres soll auch der neue eActros 600 für den Fernverkehr in Wörth vom Band laufen. Der batterieelektrische Schwaben-Truck
ist auf der Messe zum „International Truck of the Year 2025“ gekürt worden und hat seine Feuertaufe auf einer über 15.000-Kilomter-Testtour durch ganz Europa bereits bestanden. Dabei haben zwei Probanden mit 40 t Gesamtgewicht im Rücken durchschnittlich 103 kWh auf 100 km verbraucht. Umgerechnet entspricht das dem Energieinhalt von rund 10 l Diesel – nur halb so viel wie sich ein Diesel-Pendant genehmigt hätte. Ausgerüstet mit einer eigenentwickelten E-Antriebsachse mit integriertem Viergang-Getriebe und drei quer zur Fahrtrichtung eingebauten LFP-Batterien für satte 621 kWh Gesamtkapazität soll der eActros 600 Reichweiten von mindestens 500 km ohne Nachladen schaffen.
Ergänzend zum rein batterieelektrischen Lkw brachte Daimler Truck seinen wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen-Lkw GenH2 Truck für flexible und besonders anspruchsvolle Anwendungen im Schwerlast- und Fernverkehr mit nach Hannover. Seine Praxistauglichkeit hat der Flüssigwasserstoff-tankende Prototyp des GenH2 Trucks auf einer über 1.000 km langen Tour durch Deutschland mit nur einer Tankfüllung schon unter Beweis gestellt. Jetzt startet die kundennahe Erprobung von fünf GenH2 Trucks bei ausgewählten Speditionen.
Brennstoffzellen-Lkw von Daimler
Die zwei eingebauten Brennstoffzellen von Cellcentric leisten jeweils 150 kW und liefern den Strom für den elektrischen Antrieb. Den übernehmen zwei E-Motoren nahe der Hinterachse mit je 330 kW Maximalleistung und je 2.071 Nm Drehmoment. Der erzeugte Strom teilt sich zwischen Batterieladen und Antriebsstrom für die Elektromotoren auf. Da sich die Brennstoffzellen nicht so dynamisch wie ein Verbrenner steuern lassen und nicht auf sämtliche Fahrleistungsschwankungen reagieren können, ist immer eine kleine Pufferbatterie nötig. Mercedes hat den 72-kWh-Akku geschützt im Rahmen verbaut. Er hilft vor allem beim Anfahren, Rangieren und an Steigungen. Brauchen die E-Motoren mehr Energie als die Brennstoffzellen erzeugen können, kommt Saft aus dem Speicher hinzu. Sein Aufladen erfolgt während der Fahrt über die Brennstoffzelle oder durch Rekuperation. Zusätzlich ist eine Ladedose für das Plug-in-Laden an einer Ladesäule vorhanden.
Die neuesten Mercedes-Lkw-Generationen wie Actros L oder eActros 600 besitzen eine weit verbesserte Mechatronik-Architektur, die auf eine Reduzierung an dezentralen Steuergeräten basiert. Eine schlanke, hochleistungsfähige Architektur erlaubt, Daten bis zu 20-mal schneller als bisher zu verarbeiten. Damit sind künftig Fahrzeug-Funktionen möglich, von denen heute kaum zu träumen ist. Innerhalb von etwa zehn Jahren sollen hochintelligente, softwaredefinierte Nutzfahrzeuge auf den Markt kommen, die Fracht- und Auftragspapiere automatisch digital übermitteln, einen Parkplatz samt Ladestation und Duschkabine reservieren oder das Abendessen des Fahrers vorbestellen. Schöne neue Fahrer-Welt.
Bei MAN Trucks dominieren alternative Antriebe
Alternative Antriebe dominierten auch auf dem MAN-Stand. Darunter die neuen eTGS und eTGX mit batterieelektrischem Antrieb,
von denen eigenen Angaben zufolge bereit 2.300 Bestellungen vorliegen. Die schwere Klasse mit Elektroantrieb der Münchener ist fit für alle relevanten Branchen, Aufbaulösungen und Transportaufgaben. Mit ihren wahlweise drei bis sechs modular kombinierbaren und variabel positionierbaren Batterien leisten die 18- bis 28-Tonner 245, 330 oder 400 kW (333, 449 oder 544 PS) und erreichen mit Zwischenladen bis zu 800 km Tagesreichweite. Das Aufladen der Akku-Pakete soll durch Installation des künftigen Megawattladestandard MCS mit 1.000 kW und mehr innerhalb der Lenkzeitpause des Fahrers möglich sein.
Erstmals auf der IAA zeigte MAN ein eTGX 6×2-Fahrgestell mit einer siebten Hochvolt-Batterie. Der zusätzliche Akku erhöht die Gesamtkapazität auf 623 kWh, von denen 560 kWh nutzbar sind. Dadurch erweitert sich die Reichweite deutlich. Je nach Fahrweise sollen rund 650 km ohne Zwischenladen möglich sein. Die zusätzliche Batteriepower lasse sich auch für den Betrieb von Nebenaggregaten am Fahrzeug nutzen. Nach unten rundet jetzt der neue eTGL das Elektro-Programm der Münchener ab. Der vollelektrische Zwölftonner für den leichten Verteilerverkehr feierte in Hannover seine Weltpremiere.
MAN hTGX erhält „Truck Innovation Award 2025“
Den Preis „Truck Innovation Award 2025“ holte sich der MAN hTGX, den die Fachpresse schon im August begutachten konnte. Der neu entwickelte Schwerlast-Lkw mit Wasserstoff-Verbrenner soll die alternative Zero-Emission-Lösung für spezielle schwere Anwendungen wie Baufahrzeuge, Tank- und Silotransporte sowie Holztransporte sein. Auch in Regionen, in denen es keine ausreichende Ladeinfrastruktur für Batteriefahrzeuge aber genügend Wasserstoff gibt, könne der hTGX eine umweltfreundliche Alternative zum Batterie-Lkw sein. Den Antrieb übernimmt der MAN H4576-Verbrenner, der auf dem 16,8 l großen Dieselaggregat D38 von MAN basiert und über eine Fremdzündung verfügt. Der Sechszylinder-Reihenmotor leistet 383 kW (520 PS) und entwickelt ein maximales Drehmoment 2.500 Nm, die zwischen 900 bis 1.300 U/min anliegen. Dank Direkteinspritzung des Wasserstoffs in die Zylinder soll die Leistungsentfaltung besonders schnell und ähnlich wie bei einem konventionellen Dieselmotor erfolgen. Mit dem hTGX, den es zunächst in den Achsvarianten 6×2 und 6×4 geben soll, stellt MAN eine praxistaugliche Alternative zum batterieelektrischen Lkw auf die Räder. Neben einer hohen Zuladung kann das Modell mit einer maximalen Reichweite bis 600 km ohne Nachtanken punkten. Die Tankkapazität beträgt 56 kg. Das Auftanken mit auf 700 bar komprimiertem Wasserstoff (CG H2) sei in weniger als 15 min erledigt. 2025 will MAN eine Kleinserie von zirka 200 hTGX auflegen und für Feldtests in ausgewählte Märkte bringen.
Für den Übergang müssen auch bei MAN noch konventionelle Verbrenner-Lkw herhalten. Dafür haben die Bayern den neuen PowerLion-Antriebsstrang für die Sattelzugmaschinen der Baureihen TGX und TGS vorgestellt. Als Basis dient der neue D30-Konzern-Motor in sechs Leistungsstufen von 380 bis 560 PS sowie 14-Gang-TipMatic-Getriebe, eine neue Bremsengeneration und aerodynamischer Feinschliff. Zusammen soll das bis zu 4% Kraftstoff- und CO2-Ersparnis bringen.
Scania: Sattelzugmaschine mit neuem E-Antrieb
Nicht minder fleißig hat sich Scania auf die IAA Transportation vorbereitet. Auch in Södertälje weiß man, dass es keine One-size-fits-all-Lösung bei der Dekarbonisierung der Transportlogistik geben kann. So sind Dieselverbrenner, Hybrid-Gas-Fahrzeug sowie rein batterieelektrische Lkw zur IAA an den Start gegangen. Im Mittelpunkt stand die zweiachsige Sattelzugmaschine Scania BEV 45R, die mit neuem Elektroantrieb EM C1-4 für 400 kW und 728 kWh Batteriekapazität ausgestellt war. Insgesamt kann Scania dafür fünf Leistungsstufen und Batteriegrößen von 416 bis 728 kWh Kapazität anbieten. Der Einbau des fünften Batteriesatzes unter dem Fahrerhaus ermöglicht dem 40-Tonner eine Reichweite von mindestens 530 km ohne Nachladen. Scania plädiert jedoch dafür, nur die für den jeweiligen Fahrauftrag nötige Batteriekapazität mitzuführen. Dadurch lassen sich der Radstand verkürzen und die Nutzlast erhöhen.
Flankiert wurde die E-Sattelzugmaschine von einem BEV-Wechselbrücken-Fahrgestell 6×2*4 mit dem Elektroantrieb P160+, den es in den zwei Leistungsstufen
400 und 450 kW sowie 2.800 Nm Maximaldrehmoment gibt. Das Gesamtzuggewicht kann bis zu 64 t betragen. Das Fahrzeug verfügt über ausreichend Batteriekapazität, um Nebenantriebe für Kräne, Stützbein-Ausschub oder Absetz- und Abrollaufbauten zu nutzen. In Sachen Verbrenner zeigte Scania einen R 460 mit 12,7-l-Gasmotor, der wahlweise verflüssigtes Biogas (LBG) oder komprimiertes Biogas (CBG) konsumiert. Zudem gesellten sich der Green Truck Award 2024-Sieger Scania Super 460 R, der sich durch extrem sparsamen Dieselverbrauch auszeichnet und ein Scania 660 S Highline mit der neuesten Generation des V8-Motors, der für den Betrieb mit Alternativ-Treibstoffen wie HVO (hydriertes Pflanzenöl) und FAME (Biodiesel) ausgelegt ist.
Volvo zeigt batterieelektrische Lkw
Seine Verbrennungsmotoren hat auch Volvo Trucks längst noch nicht in die Mottenkiste verbannt und will sie für den Übergang zum CO2-freien Güterverkehr weiter optimieren und mit erneuerbaren Treibstoffen füttern. Dennoch dominierten auf dem Volvo-Messestand die batterieelektrischen Lkw der Schweden, einschließlich des Volvo VNL 860 auf neuentwickelter Plattform für das autonome Fahren in den USA. Eine Nummer kleiner, dafür aber für den europäischen Markt bestimmt, stellten die Göteborger ihren FH16 Aero mit verlängerter XXL-Kabine, Kamera-Monitor-System (CMS) und D17-Motor dem interessierten Publikum vor. Sein Motor verträgt neben Diesel auch HVO und Biodiesel. Mehr Aufmerksamkeit bei den Unternehmern erhielt der aerodynamisch optimierte FH Aero Electric, der künftig mit E-Achse und mehr Batteriekapazität auch für 600 km Reichweite ohne Zwischenladen gut sein soll. Der neue batterieelektrische Langstreckenläufer soll in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 auf den Markt kommen. Darüber hinaus entwickelt Volvo elektrische Antriebe unter Verwendung von Cellcentric-Brennstoffzellen sowie Lkw mit Wasserstoff-Verbrenner. Letztere bekommen eine Hochdruck-Direkteinspritzung (HPDI), der zusätzlich eine kleine Menge Zündkraftstoff in den Brennraum eingespritzt und gezündet wird, bevor der Wasserstoff für die Hauptzündung hinzukommt. Die ersten Volvo mit Wasserstoff-Verbrenner sollen in 2026 für Kundentests bereitstehen. Die Markteinführung ist erst für Ende des Jahrzehnts geplant.
E-Lkw bei Renault
Auch das Schwesterunternehmen Renault Trucks aus der Volvo Group fehlte auf der IAA Transportation nicht und zeigte ausschließlich
batterieelektrische Lkw – darunter den Renault Trucks E-Tech T „Diamond Echo“. Dieses vollelektrische Modell besticht durch eine lumineszierende Lackierung, die unter elektrischen Impulsen leuchtet und die Zukunft der Elektromobilität auf spektakuläre Weise visualisiert. Mit der Platzierung am Stand von Milence, ein Gemeinschaftsunternehmen zum Ausbau der Lkw-Ladeinfrastruktur, will Renault die Bedeutung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur unterstreichen. Ferner feierte der erste Renault Trucks E-Tech C mit Kipphydraulik seine Premiere und war mit dem Kippsattelauflieger MHPS 44/3N Grandload von Meiller gekoppelt.
DAF: Wasserstoff-Verbrenner in der Pipeline
Sämtliche Register bei alternativen Lkw-Antrieben hat auch DAF Trucks gezogen. Neben rein batterieelektrischen XB, XD und XF der mittelschweren und schweren Klasse für bis zu 500 km Reichweite am Stück sind auch Brennstoffzellen-Antrieb und Wasserstoff-Verbrenner bei den Niederländern in der Pipeline. Die Entwicklungskosten teilen sich DAF und Paccar in den USA, die auf Brennstoffzellentechnik setzen. Die H2-Verbrennungsmotoren werden dagegen in Eindhoven bei DAF zur Serienreife gebracht und in den kommenden Jahren auf den Markt kommen. Lange dürfte es auch mit der e-Achse für die Stromer nicht mehr dauern. Sie befindet sich bereits in der Entwicklung und werden sicher für höhere Batteriekapazitäten und mehr Reichweite der E-Lkw sorgen.
Darüber hinaus haben die Niederländer Feinschliff an den MX-11- und MX13-Dieselmotoren vorgenommen, um den Verbrauch weiter zu senken. Unter anderem
wurde die Ventilsteuerung optimiert sowie eine Kühlflüssigkeitspumpe mit Doppelantrieb und ein gekuppelter Zwei-Zylinder-Luftkompressor eingeführt. Außerdem kommen neue Einspritzdüsen zum Einsatz. Die neue Schaltstrategie sorgt für niedrigere Drehzahlen bei Marschtempo. Zusammen mit der verbesserten Aerodynamik am Fahrzeug und dem Einsatz einer Reihe moderner Fahrerassistenzsysteme soll sich der Verbrauch um bis zu 10 Prozent senken lassen. Zudem verbaut DAF jetzt serienmäßig ein sogenanntes Aero-Paket. Ohne Aufpreis sind ab sofort für 4×2- und 6×2-Modelle Leichtlaufreifen, vorausschauender GPS-Tempomat und das neue Kamerasystem DAF Digital Vision statt der klassischen Rückspiegel im Programm.
Multi-Antriebs-Angebot bei Iveco
Iveco will den Wandel der Branche mit einem Multi-Antriebs-Angebot vorantreiben. Demzufolge zeigten die Italiener in Hannover HVO-, Biomethan-, Batterie-Elektro- und Wasserstoff-Antriebe zur Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs. Weltpremiere feierten das lokal emissionsfreie Iveco S-eWay-Fahrgestell sowie der Iveco eMoovy, ein elektrischer 3,5-Tonner aus der Kooperation mit Hyundai. Das neue E-Fahrgestell S-eWay kann mit vier, fünf oder sieben Batterien und Gesamtkapazität von 280, 350 oder 490 kWh in verschiedenen Einbauvarianten bestückt werden. Zusammen mit der großen Auswahl an Fahrerhäusern, Federungen, Radständen sind Konfigurationen für fast alle Anwendungen denkbar. Mit Reichweiten bis zu 400 km und der Schnelllademöglichkeit bis 350 kW sei das Fahrzeug für den Stadt- und Regionalverkehr prädestiniert. Den Antrieb übernimmt eine zweimotorigen e-Achse von FPT Industrial mit 480 kW Dauerleistung und 1.800 Nm Maximal-Drehmoment. Die kompakte eAchse ermöglicht viel Platz für Aufbau und Ausrüstung entlang des Fahrgestells, ohne dass ein E-Motor und eine Antriebswelle im Weg sind. Ferner sind für den S-eWay drei unterschiedliche ePTOs verfügbar, um Ladebordwand, Kühlaggregate oder Kipper und Kräne zu nutzen.
Ein Blick in die Zukunft verrieten der Prototyp eines Iveco S-Way mit speziellem 13-l-Wasserstoff-Verbrenner und das Konzept eines schweren Hybrid-Lkw mit Reichweitenverlängerung mittels Cursor-9-H2-Motor auf dem Messestand. Dort fungierte außerdem ein 580 PS starker Iveco S-Way in schwarz-gelber Metallica-Lackierung als Eyecatcher. Zusätzlich waren im Außenbereich über 20 weitere Iveco-Fahrzeuge bei Aufbauherstellern zu sehen – darunter eine noch nicht marktreife dreiachsige S-eWay Fuel-Cell-Sattelzugmaschine.
Ford Trucks zeigt elektrischen F-Line
Ford Trucks will ebenfalls mit alternativen Antrieben durchstarten. Der türkische Lkw-Hersteller zeigten einen neuen F-Line
E mit batterieelektrischem Antriebssystem. Der E-Lkw mit Kofferaufbau basiert auf einem 6×2-Fahrgestell mit 4,25 m Radstand und besitzt ein zulässiges Gesamtgewicht von 27 t. Der E-Zentralmotor leistet in der Spitze 390 kW (310 kW Dauerleistung). Der Dual-eMotor arbeitet mit einem Dreiganggetriebe zusammen und bezieht seine Energie aus einer 392 kWh-Batterie, die dank CCS-Stecker mit bis zu 350 kW in 45 min von 20 auf 80% aufgeladen sind. Die Reichweite ohne Zwischenladen gibt Ford Trucks mit bis zu 300 km an. Ab 2025 soll der batterieelektrische F-Line E für 19 bis 27 t Gesamtgewicht auf den Markt kommen.
So weit ist der in Erprobung befindliche Reihen-Sechszylindermotor EcotorqH2 noch nicht. Der Wasserstoffverbrenner soll aber in diesem Jahrzehnt serienmäßig im Fern- und Spezialtransport zum Einsatz kommen. Aktuell ist das neue Fernverkehrsmodell F-Max Gen2 als Sattelzugmaschine jetzt mit einem Spiegelersatzsystem auf Kamerabasis ausgestattet, das mittels hochauflösenden Displays im Fahrerhaus die Rundumsicht verbessern. Zusätzlich wurde die Aerodynamik und der Ecotorq-Gen2-Dieselmotor mit 12,7 l Hubraum und 500 PS verbrauchstechnisch optimiert.
Mit dem neuen F-Line und seinen Achskonfigurationen 4×2, 6×4 und 8×4 will Ford Trucks Straße und Baustelle bedienen. Dafür kommen die Lkw als Sattelzugmaschine oder Baufahrgestell zum Kunden. Je nach Konfiguration sind Ecotorq-Motoren mit 9,0 oder 12,7 l Hubraum zu haben. Die Leistung der Dieselaggregate reicht von 330 bis 480 PS. Sie geben ihre Kraft über ein manuelles oder automatisiertes 9- beziehungsweise 16-Gang-Getriebe an die Hypoid- und Außenplanetenachsen weiter. Darüber hinaus hat der Hersteller motor- und getriebeseitige Nebenabtriebe im Angebot.
Tesla Semi Sattelzugmaschine auf der IAA
Viel Aufmerksamkeit erhielt die lange angekündigte, vollelektrische Tesla Semi Sattelzugmaschine auf der Messe. Der US-Truck mit Reichweite bis 800 km ohne Nachladen soll nicht mehr als 100 kWh pro 100 km Energie verbrauchen. Bei voller Zuladung dürfte der Amerikaner mit Megawatt-Ladetechnik demnach um rund 60 Prozent effizienter als vergleichbare Diesel-Lkw sein. Der US-Hersteller will den Semi mit mittig positioniertem Fahrersitz und zwei großen Farbmonitoren auch in Europa anbieten. In zwei Jahren könnte es so weit sein. Dafür muss der E-Laster noch an europäische Vorschriften und Marktbedürfnisse angepasst werden. Die in Bau befindliche Tesla-Fabrik in Nevada soll dann eine Produktionskapazität von über 50.000 Einheiten Jahr besitzen. Denkbar auch, dass der Ami-Truck für Europa langfristig in Berlin-Grünheide vom Band läuft.
E-Lkw von Designwerk
Bereits im Markt ist Designwerk als E-Mobility-Spezialist für schwere Nutzfahrzeuge und präsentiert den batterieelektrischen High Cab-Lowliner
als erste E-Sattelzugmaschine mit LFP-Batteriesystem für den Volumentransport. Das Unternehmen aus der Schweiz verspricht mit dem 40e Semi 4×2 X Lowliner eine Laufleistung von bis zu 850.000 km bei über 3.000 Ladezyklen. Die Leistung der E-Motoren liegt bei 450 kW (610 PS). Die Bodenfreiheit ist identisch mit der von Dieselfahrzeugen, was einen uneingeschränkten Einsatz ermöglichen soll. Mit einer Aufsattelhöhe ab 937 mm biete das Fahrzeug in Kombination mit Megatrailern bei 3,0 m Innenladehöhe bis zu 15% mehr Ladevolumen beziehungsweise Platz für 50% mehr Ladungsträger im Vergleich zum herkömmlichen Sattelzug. Dank zulässiger Auflastung entstehe kein Nutzlastverlust.
ATP Trucks erstmals auf der IAA
Ein Debütant auf der IAA Transportation war ATP Trucks Automobile aus Rumänien. Der 2019 gegründete Hersteller von Nutzfahrzeugen zeigte unter anderem den überarbeiteten 430 PS starken Truston 8×4-Muldenkipper mit Stamer-Aufbau für 20 m³ Ladevolumen. Der Vierachser besitzt ein 16-Gang-Automatikgetriebe, 360°-Kamera für volle Rundumsicht und eine erhöhte Bodenfreiheit von 530 mm für schweres Gelände. Zusätzlich hatte ATP den Truston 430 HP 8×4 als Fahrmischer für 12 m³ und eine Truston 550 HP 4×2-Sattelzugmaschine mit Kippsattel in Hannover dabei. Die Rumänen planen den Bau einer zweiten Fabrik zur Kapazitätserweiterung und wollen einen Lkw mit Wasserstoffantrieb entwickeln.
Elektro-Lkw von Steyr
Eine Renaissance erlebt derzeit die Marke Steyr. Der Lkw-Bauer Steyr Automotive entwickelt gemeinsam mit der chinesischen
Marke SuperPanther neue, schwere Elektro-Lkw. Als Ergebnis feierte der Stromer eTopas 600 sein Debüt in Hannover. Das Elektromodell für den europäischen Markt besitzt moderne LFP-Batterien für eine Reichweite von 500 km bis zum erneuten Aufladen. Außerdem bekommt der Lkw ein von SuperPanther entwickeltes Doppelmotorensystem mit 394 kW Dauer- und 692 kW Maximalleistung verpasst. Zudem sind elektrische Achse und ein integriertes Thermo- und Energiemanagement aus eigenem Haus verbaut. Voraussichtlich Ende 2025 soll der eTopas 600 als Sattelzugmaschine bei Steyr Automotive in Österreich in Serie gehen.
Wasserstoff-elektrischer Hybridantrieb von Hyliko
Mit einem Schwer-Lkw aus Frankreich war Hyliko angerückt. Das Start-up präsentierte mit dem Hy T44 First Edition 4×2 eine Sattelzugmaschine mit wasserstoff-elektrischem Hybridantrieb für emissionsfreie Schwertransporte bis 44 t Gesamtzuggewicht. Basis bildet ein Renault Trucks T-Fahrgestell, das eine neue Architektur auf Basis eines Toyota-Brennstoffzellenmoduls mit 160 kW Leistung bekommen hat. Parallel plant Hyliko, ein weiteres Modell mit Brennstoffzellenantrieb als 26-Tonner (6×2 und 6×4) zu entwickeln. Darüber hinaus will das Unternehmen eine eigene Infrastruktur für grünen Wasserstoff inklusive Produktion, Lagerung und Distribution aufbauen.
Sattelzugmaschinen aus China
Eine zwei- und dreiachsige Sattelzugmaschine brachte auch der 2022 gegründete chinesische E-Lkw-Hersteller Windrose Technology mit auf die Messe und will den stark an den Tesla Semi erinnernden E-Truck auch in Belgien bauen. Die beiden Fernverkehrs-Lkw Windrose 4×2 EV und Windrose 6×4 EV sollen eine Spitzenleistung von 1.040 kW besitzen und bei voller Beladung mit maximal 49 t Gesamtzuggewicht über 670 km Reichweite mit einer Batterieladung erzielen. Dafür sind Akkus mit 705 beziehungsweise 729 kWh Gesamtkapazität verbaut, die mittels 800-V-Hochspannungsplattform mit Dual-Inlet-Ladefunktion auch mit Megawatt-Ladern aufgeladen werden können.
Paul PH2P mit mehr Nutzlast
In Hannover sorgte die Paul Group in Vilshofen einmal mehr für Furore. Der Fahrzeugumrüster präsentierte als IAA-Highlight eine Weiterentwicklung des Paul PH2P (Paul Hydrogen Power). Den kann der Hersteller nun auch als 6×2 Fuel Cell-Lkw für Anwendungen mit mehr Nutzlast (bis 13 t) und Reichweite anbieten. Mit zusätzlicher luftgefederter Nachlauflenkachse sind nun bis zu 22 t zulässiges Gesamtgewicht möglich, was sich besonders im innerstädtischen Lieferverkehr bezahlt macht.
Die weiteren Ausstattungsmerkmale entsprechen denen des zweiachsigen PH2P. Dazu zählen 80 kW-Brennstoffzelle von
Toyota sowie E-Antrieb von Voith mit 200 kW Spitzenleistung und einstufigem Antrieb mit 310 kW in der Spitze. In sechs Gasflaschen mit jeweils 5 kg Füllvolumen befinden sich rund 30 kg Wasserstoff, die mit 350 bar Druck ins Paul-H2-Tanksystem gepumpt werden. Als Zwischenpuffer dient eine 120-kWh-Batterie. Je nach Fahrprofil verspricht Paul Reichweiten von rund 300 km für den Brennstoffzellen-Dreiachser, bevor erneut eine H2-Tankstelle angesteuert werden muss. Damit erfülle der mittelschweren H2-Lkw die Anforderungen im Überland- und Stadtverkehr.
IAA 2024: Verschiedene Alternativen zum Dieselmotor
Ein Rundgang auf der IAA Transportation 2024 lohnte sich für alle Besucher. Modelle, die noch vor zwei Jahren als Prototyp gezeigt wurden, sind inzwischen ausgereift und befinden sich teils schon in Serienfertigung. Zudem gab es einen umfassenden Ausblick auf verschiedene Antriebstechniken, die die Lkw-Hersteller im Fokus haben. Sie zeigten, dass der Dieselmotor langfristig ausgedient haben und durch mehr als nur eine Antriebslösung ersetzt werden könnte.