Das Problem der Abbiegeunfälle durch Lkw mit oft tödlichem Ausgang ist nicht neu, doch derzeit steht das Phänomen im Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen. Der Druck auf Politik und Wirtschaft wächst, die lebensrettende Technik verpflichtend zu machen. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD sieht zwar eine rasche Einführung vor, doch wohl erst 2022 wird das entsprechende EU-Gesetz kommen. Vorläufig kann also nur eine freiwillige Nachrüstung von Seiten der Logistikunternehmer für eine schnellere Verbreitung sorgen. Dieses Ziel verfolgt auch die im Juli von Verkehrsminister Scheuer ins Leben gerufene „Aktion Abbiegeassistent“, die für einen sprunghaften Anstieg freiwilliger Nachrüstungsaktionen vor allem bei Supermarkt-Ketten sorgt.
Zu den Vorreitern der Discounter-Szene gehört Edeka Südbayern. Bereits 2015 hat das Unternehmen einen eigenen Assistenten entwickelt und damit begonnen, seine gut 150 Lkw mit einem kamera- und sensorbasierten Warnsystem auszustatten. Mittlerweile sollen alle Fahrzeuge über die nur rund 1.000 Euro teure Technik verfügen. Ebenfalls schon früher, nämlich 2017, hat Netto damit begonnen, alle neuen Laster mit Abbiegeassistenten auszustatten. Mittlerweile sind gut 150 der rund 500 Lastwagen im Netto-Fuhrpark mit der Warntechnik ausgestattet, bis spätestens 2019 soll die Umrüstaktion abgeschlossen sein. Aldi hat nach eigenen Angaben bereits 700 mit Abbiegeassistenten ausgerüstete Lkw im Fuhrpark. Ab kommenden Jahr sollen bei beiden Aldi-Gesellschaften alle Neuanschaffungen mit dieser Technik versehen werden.
Mit sofortiger Wirkung hat außerdem die Handelskette Norma angekündigt, alle neuen Lkw mit Abbiegeassistenten auszustatten, ohne jedoch einen genauen Zeitplan zu nennen. Ein weiterer Vorstoß kommt von Edeka Hannover Minden: Hier sollen in naher Zukunft zwölf Lkw für einen Testbetrieb zwei unterschiedliche Warnsysteme erhalten. Am Ende der Testphase will sich das Unternehmen für eine Version entscheiden, mit der dann alle ab 2019 neu angeschafften Lkw ausgerüstet werden. Der jüngste Vorstoß kommt von der Rewe-Gruppe, die nach eigenen Angaben über 70 Lkw mit Abbiegeassistent verfügt. Mit sofortiger Wirkung will das Unternehmen alle Neuanschaffungen mit dem Warnsystem ausstatten.
Darüber hinaus haben neben auch Lidl, DB Schenker sowie einige Kommunen die Einführung entsprechender Sicherheitstechniken angekündigt. Letztere wollen vor allem Müllfahrzeuge mit Abbiegeassistenten nachrüsten. Gelsenkirchen hat dies bereits getan, Frankfurt ist dabei, Bochum testet, unter anderem Gladbeck und Herne planen.
In der Regel werden bei den Nachrüstaktionen kamera- und/oder sensorbasierte Assistenten montiert, die Lkw-Fahrer auf Fußgänger und Radfahrer hinweisen, die beim Abbiegen übersehen werden könnten. Ein hingegen vollintegriertes System hat seit 2016 Mercedes als bislang einziger Hersteller für die Baureihen Actros, Arocs Econic, Antos und Setra-Busse im Angebot. Die Einbaurate liegt allerdings bei nur etwa einem Drittel. Auch das Mercedes-System warnt lediglich vor der Gefahr, greift allerdings nicht aktiv ins Geschehen ein. In einem nächsten Schritt sollen aber auch Abbiegeassistenten Serienreife erlangen, die in Gefahrensituationen eine automatische Notbremsung einleiten, um einen Crash zu verhindern. Noch ist allerdings unklar, ob auch diese weitergehende Variante verpflichtend werden könnte. Bei Lastenwagenfahrern und Logistikunternehmen gibt es jedenfalls noch große Vorbehalte.