Aachener Ingenieure wollen die Elektromobilität im Güterverkehr vorantreiben und haben einen elektrischen Lkw für den Stadtverkehr entwickelt. Neben zwei Prototypen mit Elektroantrieb sind bis 2020 ein 18-Tonner mit Wasserstoff-Brennstoffzelle sowie ein LKW mit Stromabnehmer für Oberleitungen geplant.
Was sich hier wie ein Gabelstapler anhört, ist tatsächlich ein LKW. Flüsterleise rollt das elektrische betriebene Fahrzeug über den Hallenboden.
„Wir sehen vor uns den ersten Prototypen einer elektrischen LKW-Baureihe. Das ist ein 7,5-Tonner auf Basis einer Isuzu N-Serie.“
Ein ganz typischer Kleinlastwagen also, wie man ihn bei der Deutschen Post oder bei Handwerksbetrieben findet.
„Den haben wir umgerüstet auf einen komplett elektrischen Antriebsstrang, als ersten Demonstrator, oder wie man bei uns sagt, ‚Primotyp‘, für ein Baukastensystem, was in der Lage ist, für verschiedene Anwendungen eben einen entsprechenden elektrischen Antriebsstrang in verschiedenen Gewichtsklassen bereitzustellen.“
Gerret Lukas und seine Kollegen vom Lehrstuhl für „Production Engineering of E-Mobility Components“ in Aachen sind keine Unbekannten – sie haben schon den StreetScooter entwickelt, der für die Deutsche Post heute vielerorts Pakete transportiert. Der neue Lastwagen hört auf den Namen „LiVe One“ und ist ihre neueste Entwicklung.
Äußerlich wie ein handelsüblicher 7,5-Tonner
Auf den ersten Blick sieht LiVe One auch gar nicht besonders aus, erst wenn man hinter das Führerhaus und unter den kastenförmigen Aufbau schaut, fällt auf, dass Motor und Antriebsstrang fehlen.
Stattdessen hängen hier mit Elektronik gefüllte Kästen und eine große Plastikwanne für die Lithium-Ionen-Batterie – die versorgt das Fahrzeug mit Energie.
Um das eigentliche Herz des Lastwagens zu sehen, klettern wir auf die Ladefläche. Dort ist im Boden eine große Plexiglasscheibe eingelassen und gibt den Blick auf die Hinterachse frei.
Hier findet sich auch der Elektromotor – und der ist schon die erste Besonderheit von LiVe One. Die Aachener haben ihn direkt in der Antriebsachse verbaut. Genaugenommen sind es sogar zwei Elektromotoren, die jedes der beiden Räder einzeln antreiben können. Das ist ein großer Unterschied zu den meisten anderen handelsüblichen Elektrofahrzeugen, wie Sören Bethlehem, zuständig für die Konstruktion des Fahrzeugs, erklärt.
„Da werden sogenannte Zentralmotoren verbaut. Zentralmotoren muss man sich so vorstellen: Man nimmt einen Benzin- oder Dieselmotor aus einem Fahrzeug raus, zusammen mit dem Schaltgetriebe, und baut an den gleichen Ort, wo vorher der Benzin- oder Dieselmotor war, einen großen Elektromotor. Den verbindet man mit der Kardanwelle – und so wird die Energie an die Hinterachse bei LKWs übertragen.“
Indem die Ingenieure die Elektromotoren direkt in die Achse integrieren, können sie auf den größten Teil des Antriebsstrangs verzichten. Das spart nicht nur Kosten und Energie, sondern schafft auch Platz, zum Beispiel für eine größere Batterie. Aber nicht alles lief beim Umbau glatt. Vor allem die hydraulischen Nebenaggregate, zum Beispiel Servolenkung oder Feststellbremse, machten Probleme:
„Aktuell ist es so, dass diese Nebenaggregate über den Dieselmotor bei einem LKW mit versorgt werden mit Energie, und wir brauchen die elektrisch mit Energie versorgt. Davon gibt es auf dem Markt aktuell aber einfach keine Serienlösung und deswegen mussten wir sehr viel mit Teilen arbeiten, die ursprünglich nicht für den LKW gedacht sind. Deswegen haben wir ganz speziell bei unserem LKW noch ein Komfortproblem mit der Servolenkung.“
Elektro-LKW nach dem Baukastenprinzip
Für die nächsten Prototypen hat sich das Team aus Aachen noch einige weitere Ideen einfallen lassen. Gleich vier Fahrzeuge sollen dann gebaut werden: Zwei nur mit Batterien, ein dritter mit Wasserstoff-Brennstoffzelle und ein vierter mit einem Abnehmer für Oberleitungen, wie man sie sonst nur von Zügen und Straßenbahnen kennt. So könnte auch die Reichweite der elektrischen LKWs gesteigert werden – die ist bei der heute üblichen Batterietechnik nämlich immer noch sehr gering.
„Wenn wir den Bauraum mit dem Batteriesystem, das wir entwickeln, vollpacken würden, würden wir, glaube ich, so auf 120 bis 150 Kilometer kommen.“
Die Ingenieure arbeiten auch an einem eigenen Lithium-Ionen-Akku, bei dem einzelne Zellen aus der Batterie entnommen und ausgetauscht werden können. Gegenüber herkömmlichen Batterien, wo die Zellen fest miteinander verschweißt sind, hätte das einige Vorteile. Dazu Francesco Maltoni, am PEM zuständig für die Entwicklung von Batterietechnik:
„Wenn ein Teil der Zelle ausfällt, weil normalerweise, 10-15 Prozent der Zellen sind alt, wenn die ganze Batterie alt ist, die restlichen Zellen sind immer noch relativ funktionsfähig, dann könnte man gezielt diese Zellen aussortieren, recyceln und dann aus einer ausgeschöpften Batterie mit Ersatz von wenigen Zellen noch eine funktionsfähige Batterie realisieren“.
Das wäre nicht nur viel günstiger als der Ersatz des gesamten Akkus, es würde auch noch die Lebensdauer und damit die Ökobilanz der Batterie deutlich verbessern.
Voraussichtlich in zwei Jahren serienreif
Angesichts drohender Dieselfahrverbote und der Debatte um saubere Luft wird E-Mobilität auch im Güterverkehr immer wichtiger. Auch andere Hersteller haben bereits funktionierende Prototypen auf der Straße, so Sören Bethlehem.
„Wir sind damit nicht exklusiv.“
Besonders in Städten könnten die Fahrzeuge zum Einsatz kommen, also etwa beim Projektpartner DHL oder im Handwerk.
Aber auch überall dort, wo sowieso schon elektrische Systeme im Fahrzeug verwendet werden, bietet sich die Technik an – zum Beispiel beim Transport von Tiefkühlware, bei einem Kran oder einer Hebebühne.
„Wenn man diesen LKW jetzt in Serie bringen würde, bräuchte man wahrscheinlich nochmal zwei Jahre.“
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