Oberallgäuer Helfer fahren Spenden direkt ins Kriegsgebiet

Helfer fahren mit vier Lkw voller Sachspenden über die Grenze in die Ukraine. Ein Übergabeort muss kurzfristig geändert werden – wegen eines Bombeneinschlags.

Nur ein Tag war vergangen nachdem russische Bomben die Stadt Luzk im Westen der Ukraine getroffen hatten. Andreas Rosacker, Geschäftsführer der Firma Dorr in Kempten, fuhr mit seinem 21-jährigen Sohn Timo in einem Lkw voller Hilfsgüter aus dem Oberallgäu über die Grenze ins Kriegsgebiet. Wegen des Angriffs musste der Übergabeort für die Spenden kurzfristig geändert werden. Rosacker fuhr einen von vier Lastwagen, die Hilfsgüter für eine Oberstdorfer Spendenaktion in die Ukraine brachten. Nicht an die polnische Grenze, sondern direkt ins Kriegsgebiet.

Zurück zum Anfang: Rosacker hatte den Krieg in der Ukraine in den Nachrichten verfolgt und in unserer Zeitung von der Oberstdorfer Hilfsaktion gelesen. Gemeinsam mit seinem Sohn habe er entschlossen, aktiv zu werden. „Ich bin leidenschaftlicher Lkw-Fahrer“, sagt Rosacker. Sein Sohn ebenso. Mutig müsse man zwar schon sein, um in die Ukraine zu fahren, aber „Zweifel hatte ich überhaupt keine. Das Leid der Menschen ist zu groß“.

Hilfe für die Ukraine: Fahrer sind 60 Stunden lang unterwegs

Insgesamt waren die beiden etwa 60 Stunden unterwegs und legten dabei 3000 Kilometer zurück. „Wir sind im Teambetrieb die ganze Nacht durchgefahren.“ Währenddessen gingen Bomben auf die Stadt Luzk nieder, wo die Übergabe geplant war – der Ausladepunkt wurde verlegt. An der Grenze erwartete die Fahrer noch ein stundenlanges Zollprozedere. Doch dann ging alles ganz schnell.

Kurz hinter der Grenze trafen Rosackers ihren Kontaktmann, den Bruder des in Oberstdorf lebenden Ukrainers Artem Davydov. Etwa 20 Kilometer seien sie ins Land hinein gefahren. Dort habe es kein Internet und keine Telefonverbindung mehr gegeben. „Das war schon beunruhigend“, erzählt Rosacker. An der Übergabestelle habe bereits ein Lkw mit Helfern gewartet. In 20 bis 25 Minuten seien die Güter umgeladen worden. „Das Material ist sofort in die Kriegsgebiete gekommen. Dorthin, wo es gebraucht wird“, sagt der Geschäftsführer.

Tausende Flüchtlinge am polnisch-ukrainischen Grenz-Übergang

Angst, dass ihnen selbst etwas zustoßen könnte, hätten sie nicht gehabt. „Wir haben uns auf unsere Aufgabe konzentriert.“ Die Hilfsaktion sei zwar nur „ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein“. Für Rosacker sei die Aktion aber sehr berührend gewesen. „Mir fehlen heute noch die Worte.“ Besonders eingeprägt hat sich ihm die Situation an der Grenze. Der Fahrer spricht von Tausenden Flüchtlingen: „Die Grenze war völlig überlastet und überlagert.“ Ständig kämen Frauen und Kinder zu Fuß nach Polen. Und ständig seien Busse mit Flüchtlingen an Bord abgefahren. „Das war sehr bewegend.“

80 Tonnen Hilfsgüter wurden ins Kriegsgebiet gefahren

Den Organisatoren der Spendenaktion war es wichtig, dass die Hilfsgüter nicht an der polnischen Grenze, sondern direkt in der Ukraine ankommen. „Wir wollten die Männer unterstützen, die geblieben sind, um ihr Hab und Gut zu schützen“, sagt Alexa Schwendinger, Oberstdorfer Gemeinderätin und Initiatorin der Sammelaktion. Etwa 2000 Oberallgäuer halfen mit ihren Spenden. Seit 2014 beschäftigt die Unternehmerin den Ukrainer Artem Davydov. Dessen Bruder und Vater befänden sich nach wie vor in der Ukraine und koordinierten die Hilfsaktion auf ukrainischer Seite. 80 Tonnen Hilfsgüter im Wert von geschätzt 200.000 Euro seien laut Schwendinger zusammen gekommen. Zwei Mal fuhren Männer der Sonthofer Firma Fastner Transporte in die Ukraine. Einen Lkw stellte die Rettenberger Brauerei Zötler samt Fahrern kostenfrei zur Verfügung. Den vierten Sattelzug fuhren Rosacker und sein Sohn. Und er sagt: „Ich würde es jederzeit wieder tun.“

Vorerst schickt Schwendinger aber keine Sattelzüge mehr los. Die würden nicht mehr über die Grenze gelassen. Stattdessen werden nun Gelder gesammelt, die geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern im Oberallgäu helfen sollen.

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