VW-Truck-Tochter Traton bekommt Chipmangel zu spüren

Der Halbleitermangel trifft auch die VW-Tochter hart. Der Absatz des Lkw-Herstellers dürfte im dritten und vierten Quartal niedriger ausfallen als geplant

München Seit mehr als neun Monaten hält der Chipmangel in der Automobilindustrie inzwischen an. Aus der erhofften Besserung im zweiten Halbjahr ist bislang nichts geworden. Im Gegenteil: Es zeichnet sich eine weitere Verschärfung der Lage ab. Am Mittwochmorgen schlug die VW-Lastwagentochter Traton Alarm. Die Lkw-Verkaufszahlen werden demnach bis zum Jahresende hinter den Erwartungen zurückbleiben.

„In den weltweiten Lieferketten mangelt es derzeit nicht nur an Halbleitern, es fehlen auch zahlreiche weitere Produkte“, sagte Traton-Vorstandschef Matthias Gründler. Die angespannte Versorgungslage werde voraussichtlich im vierten Quartal anhalten. Schon heute zeichne sich ab, dass auch das Jahr 2022 alles andere als einfach werde, weil Halbleiter und andere Bauteile knapp blieben.

Die VW-Trucksparte, zu der Scania und MAN gehören, kündigte an, dass die Absatzzahlen im laufenden dritten Quartal niedriger als geplant ausfallen werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gelte das genauso für die letzten drei Monate des Jahres. Die „hohe Volatilität in der Versorgungskette“ erschwere eine konkrete Aussage über den weiteren Jahresverlauf.

Halbleiter werden in der Automobilindustrie vor allem in Steuergeräten verwendet. Diese Steuergeräte wiederum regeln beispielsweise das Licht, die Klimaanlage oder die Fensterheber. Um den akuten Mangel an verwendbaren Steuergeräten zumindest abzumildern, greifen die Traton-Marken jetzt auf ihre nicht verkauften Lagerfahrzeuge zurück.

Dort werden Steuergeräte nun verstärkt ausgebaut und in bestellten Lastwagen eingesetzt. „Unsere Kunden, die nach dem Einbruch der Wirtschaft derzeit großen Bedarf an Lkw haben, sollen möglichst schnell ihre Fahrzeuge erhalten“, erläuterte Vorstandschef Gründler.

Bänder bei MAN und Scania stehen still

Trotzdem reichen die Reserven nicht mehr für einen regulären Betrieb. Bei Scania hat die Produktion im September für eine Woche stillgestanden. MAN versucht sich dadurch zu behelfen, dass immer wieder einzelne Schichten gestrichen werden. Diese Zwangspausen in der Produktion dürfte es auch im weiteren Verlauf des Jahres noch geben. Auch andere Lkw-Hersteller leiden unter dem Chipmangel: Beim schwedischen Traton-Konkurrenten Volvo ruhte die Produktion im September ebenfalls für eine Woche.

Analysten wie Klas Bergelind von Citigroup rechnen vor, dass sie ihre Erwartungen für den operativen Ertrag bei Traton wegen der Ankündigung vom Mittwoch um etwa 20 Prozent kürzen werden. Scania und MAN würden im dritten Quartal statt der erwarteten 62.000 nur 56.000 Fahrzeuge ausliefern.

Innerhalb des Volkswagen-Konzerns spielen die Lastwagen nur eine untergeordnete Rolle, am wichtigsten sind die Pkw. Während bei Traton wegen des Chipmangels bislang nur einige Tausend Lkw nicht produziert werden konnten, hat sich die Lage bei den Autos viel dramatischer entwickelt.

Im Frühjahr sprach VW-Konzernchef Herbert Diess davon, dass wegen der fehlenden Halbleiter etwa 100.000 Fahrzeuge nicht produziert worden seien. Zur Hauptversammlung im Juli war Einkaufsvorstand Murat Aksel schon bei einer „höheren sechsstelligen Zahl“ nicht produzierter Autos angekommen.

Nach den jüngsten Produktionsausfällen dürfte Volkswagen inzwischen eine siebenstellige Zahl erreicht haben. Im Stammwerk Wolfsburg laufen in normalen Jahren etwa 700.000 Neuwagen vom Band. Nach aktuellem Stand wird die Wolfsburger Produktion in diesem Jahr gerade einmal 550.000 Exemplare schaffen, hieß es am Mittwoch in Unternehmenskreisen.

Bestellungen steigen, doch die Produktion hakt

In der kommenden Woche wird in Wolfsburg wieder kaum gearbeitet. Auf zwei von drei Montagelinien ruht die Produktion bis Donnerstag vollständig, auf der dritten Linie wird es nur die Frühschicht geben. In Wolfsburg werden die wichtigen Modelle Golf und Tiguan gefertigt.

Der Produktionsausfall ist für Volkswagen besonders schmerzlich, weil die Bestellungen von Kunden immer stärker zunehmen. Angeblich stehen in den Orderbüchern aktuell rund 100.000 Golf-Bestellungen, die das Unternehmen nicht sofort bedienen kann. Lieferzeiten bis zu sechs Monaten sind nichts Außergewöhnliches mehr.

Der Konzern hat unter seinem Einkaufsvorstand Aksel eine Taskforce eingerichtet, die sich täglich trifft und immer wieder mit neuen Hiobsbotschaften zurechtkommen muss. Aktuell kamen die meisten schlechten Nachrichten aus Malaysia, einem wichtigen Logistik-Stützpunkt für die Verpackung und den Versand von Chips. Wegen einer hohen Zahl an Corona-Erkrankungen konnten die wichtigen Chiplieferungen dort nicht auf die weite Reise nach Europa geschickt werden.

Um die finanziellen Auswirkungen des Chipmangels möglichst gering zu halten, streicht der VW-Konzern nach Möglichkeit zuerst die renditeschwachen Autos aus dem Produktionsprogramm. „Wir priorisieren unsere Halbleiter entsprechend den Margen“, hatte Konzernchef Diess schon vor den Sommerferien gesagt.

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