Rund 275 Kilogramm vakuumverpacktes Marihuana soll ein Berufskraftfahrer in Umzugskartons transportiert haben. In Gießen klickten die Handschellen.
GIESSEN – Schon seit Wochen hatten Einsatzkräfte einer Spezialeinheit die Straße im Gewerbegebiet des 8500-Einwohner-Örtchens Liederbach im Taunus im Visier. Als die versteckt installierte Überwachungskamera am Morgen des 9. Juni vergangenen Jahres Verdächtiges aufzeichnete, strömten drei Observationsteams aus. Kurz darauf gelang ihnen offenbar ein Schlag gegen die Drogenhändlerszene. Auch im Zuständigkeitsbereich der Gießener Justizbehörden klickten an diesem Sommertag die Handschellen. Ein 44-jähriger Serbe muss sich nun wegen des Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor der 7. Großen Strafkammer des Landgerichts verantworten. Auf der Ladefläche des von ihm gesteuerten Lkw sollen sich 275 Kilogramm Marihuana in Umzugskartons sowie weitere Drogen befunden haben, die laut Anklage „zum gewinnbringenden Weiterverkauf“ bestimmt waren. Doch die juristische Aufarbeitung des Falls kommt nur schleppend voran. Vermutlich für eine schnelle Rast hatte der Berufskraftfahrer damals den Parkplatz „Pfaffenpfad“ an der A 45 – kurz vor der Ausfahrt Lützellinden – angesteuert, unwissend dass er von den Einsatzkräften beobachtet wurde. Der Hauptkommissar und Observationsleiter der rheinland-pfälzischen Spezialeinheit verdeutlicht im Zeugenstand, dass im Fokus der Ermittlungen zwei polizeibekannte Männer aus Mainz standen. „Die Maßnahmen zogen sich über Monate“, konkretisiert er. Richtig Licht ins Dunkel bringen kann der Beamte allerdings nicht. Sein Vorgesetzter hat lediglich eine eingeschränkte Aussagegenehmigung erteilt, die Angaben zu polizeitaktischen Maßnahmen verbietet.
Um kurz nach 7 Uhr – so viel steht fest – hat die Überwachungsanlage an dem Junimorgen die von den Beamten erhofften Bewegungen eingefangen. Das alarmierte Einsatz-Team habe dann live beobachten können, wie zahlreiche Kartons aus dem Lkw-Auflieger in zwei Sprinter mit Frankfurter Kennzeichen, einen Pkw mit Friedberger Nummernschild sowie einen Anhänger umgeladen wurden. Die Observationseinheiten nahmen die Verfolgung auf. In den „Zielfahrzeugen“ – neben dem Zugriff am Parkplatz „Pfaffenpfad“ kam es zu Einsätzen in Rosbach und Bad Soden – wurden an diesem Tag insgesamt 275 Kilogramm vakuumverpacktes Marihuana, 2000 Ecstasy-Tabletten sowie rund 18 Gramm Kokain sichergestellt. Der Kommissar erinnert sich noch an das auffällig gelbe Shirt des Angeklagten, der die Kartons am Startpunkt umgeladen habe. Als der von ihm geführte Lkw wenig später an der Sauerlandlinie in Höhe Gießen geöffnet wurde, fanden Beamte allein darin 104 Kilo Marihuana. „Vollkommen lebensfremd“ An dieser Durchsuchungsmaßnahme stört sich allerdings Verteidiger Manuel Mayer. Laut den Aufzeichnungen in der Akte wurde sein Mandant gegen 9 Uhr festgenommen, allerdings sollen die Einsatzkräfte aufgrund unklarer Zuständigkeiten erst mehr als drei Stunden später in den Auflieger des Lkw geschaut haben, obwohl dieser nicht abgeschlossen war. Für den Rechtsanwalt haben die Beamten aus Mainz „ungewöhnlich lange“ auf einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss aus Gießen gewartet, „ohne in den offenen Lkw zu gucken“. „Vollkommen lebensfremd“, wie Mayer meint – insbesondere vor dem Hintergrund, dass den Polizisten aus dem Inneren des Sattelaufliegers dem Protokoll zufolge „starker Marihuana-Geruch entgegenkam“. Der Verteidiger möchte deshalb ein Verwertungsverbot der Durchsuchungsergebnisse erreichen.
Der Angeklagte selbst will sich nicht zu den Anklagevorwürfen äußern. Lediglich über seine persönlichen Verhältnisse macht der 44-Jährige am Montag Angaben – und dies recht einsilbig. So lässt der Familienvater von einer Dolmetscherin übersetzen: „Seit 14 Jahren fahre ich Lkw. Ich bin überall gewesen.“ Erst auf Nachfrage erwähnt der Serbe, dass er zuletzt bei einer deutschen Firma angeheuert habe. „Dazu sagen wir aber nichts“, unterbricht sein Anwalt. Drogen oder Alkohol habe er niemals konsumiert, behauptet der Angeklagte. Das Gespräch mit einer psychiatrischen Sachverständigen verweigert er. Ein zügiger Abschluss des Verfahrens ist wohl nicht zu erwarten. In Mainz sind vor einigen Wochen drei weitere Angeklagte, die unter anderem als Hintermänner bei den Drogengeschäften fungiert haben sollen, zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Die über 1000 Seiten starke Akte zu diesem Verfahren ist laut der Vorsitzenden Richterin Dr. Kathrin Exler erst jetzt zur Einsichtnahme in Gießen eingetroffen.