Die Grünen wollen per Gesetz festlegen, dass in geschlossenen Ortschaften nur noch Lastwagen mit Abbiegeassistent fahren dürfen. Diese technischen Hilfen sollen verhindern, dass Lkw-Fahrer beim Abbiegen Radfahrer oder Fußgänger übersehen – denn dabei kommt es immer wieder zu sehr schweren Unfällen. Ein Gesetzentwurf der Grünen dazu stand für Mittwochabend zur ersten Beratung auf der Tagesordnung des Bundestags. Das Bundesverkehrsministerium äußerte rechtliche Bedenken.
„Lkw dürfen in Verkehrssicherheitszonen nur am Straßenverkehr teilnehmen, wenn sie mit dem Stand der Technik zur Sicherung des verkehrlichen Umfeldes ausgerüstet sind“, heißt es im Entwurf. Solche Zonen sollen geschlossene Ortschaften sein. Die örtlichen Behörden sollen demnach Ausnahmen festlegen können – etwa, wenn auf einer Straße gar kein Abbiegen möglich ist.
Eine EU-weite verpflichtende Einführung von Abbiegeassistenten ist erst ab Juli 2022 für neue Fahrzeugtypen und ab Juli 2024 für neue Fahrzeuge vorgesehen. Eine Pflicht zum Nachrüsten gibt es nicht.
2019 wurden in Deutschland 2692 Unfälle zwischen Lkw und Fahrrad registriert, wie das Bundesverkehrsministerium am Mittwoch mitteilte, 50 Menschen kamen hierbei ums Leben. Mehr als 90 Prozent der Unfälle sei auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen – einen „toten Winkel“ solle es bei schweren Lkw nicht mehr geben, hieß es. Minister Andreas Scheuer (CSU) „würde lieber heute als morgen eine generelle Pflicht einführen“ zur Ausrüstung mit Abbiegeassistenten, das sei aber europarechtlich nicht möglich – denn die Pflicht-Ausstattung werde auf EU-Ebene geregelt.
Den von den Grünen vorgeschlagenen Umweg über die Einführung von Verkehrssicherheitszonen lehnt Scheuer ab. Das könne „europarechtlich problematisch und unverhältnismäßig“ sein, teilte sein Ministerium mit. Brüssel habe schon gegen einen Plan für Wien, das Rechtsabbiegen ohne Assistent zu verbieten, Bedenken gehabt.
Ein grundsätzliches Lob für den Grünen-Plan kam vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat. Die Initiative sei begrüßenswert, heißt es in einer Einschätzung, die der dpa vorliegt. Die Idee, Ortschaften und städtische Räume zu Verkehrssicherheitszonen zu erklären und Lastwagen ohne Abbiegehilfe dort zu verbieten, sei „interessant“.
Allerdings sehen die Verkehrssicherheitsexperten Probleme bei den Fristen, die den Grünen vorschweben – diese wollen den Abbiegeassistenten von Juli 2021 an für 7,5-Tonner und ein Jahr später für alle Nutzfahrzeuge innerorts verpflichtend machen. Bis Ende 2025 soll alternativ eine Begleitperson dabeisitzen können, die das Abbiegen überwacht. Letzteres sei „in der Realität nicht durchführbar“, heißt es in der Bewertung. Die Fristen seien problematisch, weil für die Nachrüstung Montagekapazitäten bereitgestellt werden müssten. Es brauche ein Förderprogramm, weil nicht jeder Betrieb sich die Umrüstung leisten könne.
Das Verkehrsministerium teilte mit, über die Gestaltung von Kreuzungen, Ampelschaltungen, abgetrennte Radwege oder auch ein Rechtsabbiegeverbot für Lkw ohne Abbiegeassistenten könnten mit weniger eingreifenden Maßnahmen Fortschritte erreicht werden. Das Ministerium verwies auch auf die seit Ende April gültige Regel, dass Lkw innerorts nur im Schritttempo abbiegen dürfen. Deutschland und Österreich hätten in Brüssel darum gebeten, eine Nachrüst-Pflicht zu prüfen, aber noch keine Antwort. Das Ministerium verwies auf Förderprogramme und die freiwillige „Aktion Abbiegeassistent“, in deren Rahmen Unternehmen sich selbst verpflichteten, Maßnahmen zu ergreifen.