Der Bußgeldkatalog wurde aktualisiert. Außer durch Veränderungen nötige Anpassungen enthält er die üblichen Verschärfungen. Die machen uns auch nicht sicherer
Der neue Bußgeldkatalog ist in Kraft getreten. Darin Anpassungen an eine veränderte Verkehrssituation, mit klaren Bußgeldern zum Beispiel fürs Parken auf einem Elektroauto-Ladeplatz oder einem ausgewiesenen Carsharing-Stellplatz. Darin weiterhin deutliche Verschärfungen bei Tempoverstößen. Da klatschen die Wenigfahrer und die Berufskraftfahrer sorgen sich. Und wie immer geht die Maßnahme am verfolgten Zweck vorbei. Doch eins nach dem anderen.
Der Zweck
Der Mensch schätzt die auftretenden Energien von Geschwindigkeiten intuitiv stets falsch ein. Er hat sich in einer Welt entwickelt, in der er selten mehr als 25 km/h Relativgeschwindigkeit aufbaut. Die exponentiell steigende Energiekurve über linear steigender Geschwindigkeit, sie bleibt seinem Gefühl rätselhaft, selbst wenn der Verstand sie hintersteigt.
Deshalb gehört es tatsächlich zu den vordersten Aufgaben der Verkehrssicherheitsexekutive, die Geschwindigkeiten zu kontrollieren. Natürlich reichen auch die willkürlich festgelegten Grenzen aus, Menschen zu töten. Doch mit „etwas mehr“ Speed als erlaubt liegt die Energie immer gleich „viel mehr“ über dem erlaubten, sodass diese Argumentation nicht hält. Fast alle gesellschaftlichen Konventionen enthalten willkürliche Abgrenzungen. In ferner Vergangenheit zog jemand bei schönen, runden 50 km/h eine Linie in den Sand und sagte: „Dies sei unser Kompromiss zwischen Fortkommen und Sicherheit innerorts!“ Und siehe, es ward so, zufällig-willkürlich bis zum heutigen Tage.
Aus der Problematik heraus entsteht eine Asymmetrie: Meines Wissens wurde zuletzt 1997 jemand für behinderndes Langsamfahren verurteilt (StVO § 3, Abs. 2). Wegen zu schnellen Fahrens dagegen gehen jeden Tag Strafen raus. Es schaut ganz einfach so aus: Zwischen „Auto steht vor dem Fußgänger“ und „Unfall mit Todesfolge“ reichen bei ansonsten identischen Bedingungen häufig 10 km/h, die man am Steuer kaum als relevant wahrnimmt. Ich fahre auch gern Rennstrecke, aber dieser Realität müssen gerade wir von der „schneller-ist-besser“-Fraktion uns stellen.
Die Mittel
Die neuen theoretischen Handhaben, diese Grenzen zu sichern wurden strenger. Ich kann aus Sicht des Berufskraftfahrers sagen: Bei weitem nicht alle Geschwindigkeitsverstöße geschehen aus Übermut. Einer der häufigsten Fälle dürfte eine unklare Lage sein. Offene Autobahn. Dann eine Baustelle. Wissen Sie, warum man die kilometerweit vorher ankündigt? Damit man nicht auf Volllast im letzten Gang in die Bremszone rauscht, in der es heißt: 120-100-80-60. Wenn man jedoch in Baustellenbremszonen blitzt, kann man den ganzen Tag Fahrverbote aussprechen, selbst wenn in der Baustelle selbst kein Verstoß mehr stattfände. Wer sich fragt, warum das so ist, kann ganz einfach die korrekte Fahrweise ausprobieren, wie ich es um meines zur Arbeit nötigen Führerscheins praktiziere: Lichthupen, Auffahren bis auf haarsträubend geringe Abstände, wütende Gesten, knapp gequetschte Überholvorgänge. „Hier fährt noch niemand 100!“, scheinen sie zu rufen. Und doch steht es auf dem Schild.