Tausende Lkw-Fahrer suchen täglich vergeblich einen Abstellplatz. Diese sind an den Autobahnen Mangelware. Mit am schlimmsten ist die Situation in Bayern. Pilotprojekte sollen die Situation verbessern. Aber ohne mehr Parkplätze wird es nicht gehen.
Christina Scheib mag das gleichmäßige Dröhnen ihres 500-PS-Diesels. Sie ist selbstfahrende Transportunternehmerin – eine der ganz wenigen Frauen in der Branche. Seit zehn Jahren steuert Christina Scheib Lastzüge über deutsche Autobahnen. Maximal neun Stunden pro Tag und einmal pro Woche zehn Stunden darf sie fahren. Dann muss der Brummi für mindestens elf Stunden abgestellt werden. Aber das ist oft leichter gesagt als getan, klagt die 34-jährige:
„Gegen Nachmittag spürt man schon förmlich, dass alle Trucker aggressiver unterwegs sind. Das ist manchmal Stress pur, denn man weiß: In zwei Stunden muss ich einen Parkplatz haben, aber oft ist keiner frei und dann stellt man sich halt an den Seitenstreifen oder fährt weiter und riskiert ein Bußgeld.“ Christina Scheib
Kleine Gemeinden bekommen Folgen der Lkw-Parkplatznot zu spüren
30 Euro pro überzogener Stunde Lenkzeit. Das ist für die Fahrer und Fahrerinnen viel zu teuer. Deshalb suchen sie sich oft Parkplätze in der Nähe von Raststätten, die bereits voll sind. Die Folgen bekommen kleine Gemeinden entlang der Transitrouten zu spüren. So wie Sauerlach im Süden von München. Das Gewerbegebiet liegt nur wenige hundert Meter von der Autobahnausfahrt entfernt. Hier parken abends und am Wochenende bis zu 50 Lkw. Das Gewerbegebiet gleicht an manchen Stellen einer Müllhalde, sagt Bürgermeisterin Barbara Bogner:
„Die hinterlassen halbleere Konservendosen, zerrissene Kleidung und leere Bierflaschen. Aber damit nicht genug: Unser Bauhof findet oft auch Plastikflaschen voller Urin und benutztes Klopapier in den Büschen. Da sind die Mitarbeiter natürlich begeistert, wenn sie das wegmachen müssen.“ Barbara Bogner, Bürgermeisterin Sauerlach
Sauerlach: Schäden in Höhe von 30.000 Euro pro Jahr
Außerdem sind die Straßen hier eigentlich zu eng für die vielen Brummis. Das führt zu Schäden an den Gehwegen und den Blumenbeeten. Regelmäßig müssen Reparaturtrupps der Gemeinde umgefahrene Straßenschilder, überrollte Absperrpoller und angefahrene Stromkästen in Ordnung bringen. Auch schiefe Bäume und abgebröckelte Bordsteine sind keine Seltenheit. Das verursacht der Gemeinde jährlich Kosten von etwa 30.000 Euro. Bürgermeisterin Barbara Bogner fordert die Landes- und Bundespolitik auf, das Problem endlich in den Griff zu bekommen.
In Bayern fehlen 4.000 Lkw-Parkplätze
Bundesweit fehlen etwa 23.500 Lkw-Parkplätze, in Bayern sind es rund 4.000. Den Verantwortlichen ist das Problem durchaus bewusst und es wird auch gehandelt. Nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums wurden seit 2008 jährlich etwa 100 Millionen Euro für den Aus- und Neubau von Rastanlagen für Lkw zur Verfügung gestellt. Etwa 30 Millionen davon kommen pro Jahr in Bayern an, sagt die Bayerische Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU):
„Wir haben in den vergangenen zehn Jahren 110 Rastanlagen ausgebaut, und damit etwa 8.000 neue Lkw-Parkplätze in Bayern geschaffen. Aber wir müssen zusätzlich auch auf intelligente Lösungen setzten und vorhandenen Parkraum besser ausnutzen.“ Kerstin Schreyer, Bayerische Verkehrsministerin
Zwei Pilotprojekte zur Verbesserung der Situation
Zwei Pilotprojekte laufen zu diesem Thema derzeit in Bayern. In dem einem soll den Lkw-Fahrern schon unterwegs angezeigt werden, wie viel Kapazität die Rastanlagen auf ihrer Route noch haben. In dem anderen wird eine computergesteuerte, effektive Parkraumauslastung getestet. Dadurch können die Lastzüge zum Beispiel enger beieinander abgestellt werden, weil Fahrer, die früher wieder los müssen vom System ganz vorne einen Platz zugewiesen bekommen.
Sebastian Lechner vom Verband Bayerischer Transport und Logistikunternehmen erkennt die Anstrengungen der Politik durchaus an. Er fordert sie aber auf, das Problem auch weiterhin konsequent anzugehen:
„Wir erwarten noch einmal eine Zunahme des Lkw-Güterverkehrs bis 2030 um 20 Prozent. Schon allein daran sieht man, dass weitere Parkplätze gebaut werden müssen und man jetzt mit den Anstrengungen keinesfalls nachlassen darf.“ Sebastian Lechner, Verband Bayerischer Transport und Logistikunternehmen
Forderung: Ausbau der Lkw-Parkplätze zwischen München und Salzburg
In Sauerlach sieht man das ganz ähnlich. Bürgermeisterin Barbara Bogner fordert einen weiteren Ausbau der Lkw-Parkplätze zwischen München und Salzburg. Sie findet es unfair, dass dieses Problem einfach auf ihre kleine Gemeinde abgewälzt wird. Um die Situation wenigstens halbwegs in den Griff zu bekommen, hat sie im Gewerbegebiet mehrere Dixi-Klos für Lkw-Fahrer aufstellen lassen.
Christina Scheib stimmt zu, wenn auch aus einer anderen Perspektive. Jeder Lkw-Fahrer und jede Fahrerin hätten es verdient, abends einen sicheren und legalen Parkplatz zu finden, sagt die Truckerin. Heute hat sie Glück gehabt: In der ausgebauten Rastanlage Fürholzen nördlich von München sind noch Stellplätze frei, aber sie weiß: Schon morgen wird der Kampf um die Parkplätze für sie und ihren Lkw woanders von vorne losgehen.
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