In den USA ist Lkw-Messe, normalerweise nehmen davon nur Fachleute Notiz. Diesmal aber sorgen dort Brennstoffzellen-Laster für Aufsehen – vor allem Hyundai mit einem spektakulären Konzeptfahrzeug.
Normalerweise erregt die North American Commercial Vehicle Show in Atlanta kein öffentliches Interesse. Lkw-Hersteller zeigen dort ihre neuesten Produkte für den Fern- und den Verteilerverkehr, die vom Fachpublikum genauestens unter die Lupe genommen und anschließend in kleinen Fachmedien besprochen werden. Dieses Jahr ist das anders – zahlreiche Nachrichtenseiten und Blogs in den USA berichteten über die Messe.
Das hat zwei Gründe: Wasserstoff – und Hyundai. Der Hersteller möchte künftig auch auf dem US-Lastwagenmarkt mitmischen. Zu ihrer Premiere beim Auswärtsspiel brachten die Koreaner allerdings keine klassische Diesel-Zugmaschine mit, sondern ein futuristisches Konzept für einen Lkw mit Wasserstoffantrieb. HDC-6 Neptune heißt die Studie und nicht nur ihr Antrieb ist neuartig. Auch das Design sticht aus der Masse der Lkw auf der Messe heraus.
Designvorbild Dampflokomotive
Denn während die meisten Lkw in den USA sogenannte Langhauber sind, deren Motor vor der Fahrerkabine sitzt, verzichtet der HDC-6 auf das klassische Design. Stattdessen orientierten sich die Gestalter bei Hyundai an einer stromlinienförmigen Art-déco-Dampflok des Industriedesigners Henry Dreyfuss aus den Dreißigerjahren. Ein durchaus passendes Vorbild: Immerhin käme aus dem Auspuff des Lkw lediglich Wasserdampf.
Über die abgerundete Front und die anschließende Schlafkabine zieht sich ein großes Panoramafenster. Außenspiegel gibt es nicht, ihre Funktion übernehmen Kameras und Bildschirme, die den Fahrer über das Geschehen um den Lkw herum informieren.
Toyota erprobt bereits Wasserstoff-Lkw
Hyundai ist mit seinem Wasserstoff-Lkw auf der Messe nicht allein. Die Brennstoffzelle gilt als das große Zukunftsversprechen der Lkw-Branche. „Auf langen Strecken ist Wasserstoff in Verbindung mit elektrischen Antrieben eine sehr gute Lösung“, sagt auch Michael Schier vom DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte. So ist auch Hyundais größter Brennstoffzellen-Konkurrent Toyota vor Ort vertreten – allerdings nur indirekt. Denn Toyota bietet seine Technik in Kooperation mit dem Truck-Hersteller Kenworth an – unter der Haube eines seiner Lkw im klassischen Design mit langer Haube.
Die unauffällige Zugmaschine wird im Gegensatz zum HDC-6, der erst 2030 auf den Markt kommen soll, bereits gebaut. Insgesamt zehn Exemplare entstehen bei Kenworth. Sie sollen im Hafen von Los Angeles Teile des Verteilerverkehrs übernehmen und sind wie das Hyundai-Konzept als sogenannter Class-8-Truck ausgelegt, also für zulässige Gesamtmassen oberhalb von 15 Tonnen. Dem Kenworth fehlt als Lkw für den Verteilerverkehr jedoch die für lange Strecken nötige Schlafkabine.
Zwei Mirai-Brennstoffzellen für einen Lkw
Unter der traditionellen Hülle des Lastwagens stecken zwei Brennstoffzellen aus dem Toyota Mirai, der Wasserstoff an Bord reicht für rund 480 Kilometer und damit nach Toyota-Angaben für das Zweifache eines üblichen Tagespensums im Verteilerverkehr. Das hohe Gewicht der Lkw macht den doppelten Pkw-Antrieb nötig. Denn für den Schwerlastverkehr benötige man Antriebsleistungen von über 300 Kilowatt, erklärt DLR-Forscher Schier: „Hierfür müssen entsprechende Brennstoffzellen noch entwickelt werden.“
Allerdings gebe es hier noch große technische Schwierigkeiten, zum Beispiel beim Energiemanagement für Bremsen und Klimatisierung, aber auch mit der Abwärme des Wasserstoffantriebs. „Denn bei der Brennstoffzelle geht die Hälfte der Abwärme eben nicht einfach durch den Auspuff, sondern muss mit großen Kühlern abgeführt werden“, sagt DLR-Forscher Schier.
Bosch investiert in US-Start-up
Das Hauptproblem sind jedoch die Kosten des Antriebs. „Heute ist die Technologie noch zu teuer. Bei einem Pkw stellen Brennstoffzelle und Tanks den größten Kostenfaktor dar“, sagt Schier. Bis die Lkw-Branche konsequent auf Wasserstoff setze, müssten deshalb die Kosten für das Material der Brennstoffzelle und deren Fertigung deutlich sinken. „Dafür sind nennenswert hohe Stückzahlen notwendig,“ sagt DLR-Forscher Schier. Bis diese erreicht sind, setze man deshalb auf Pkw-Brennstoffzellen, die man dann modular zu größeren Einheiten zusammensetze.
Auch deshalb machte im Nutzfahrzeugbereich bisher vor allem ein Start-up aus den USA Schlagzeilen: Nikola Motors. Ähnlich wie Tesla, das statt des Vornamens den Nachnamen des genialen Erfinders nutzt, gilt das Unternehmen als Vorreiter – nur eben nicht bei Elektroautos, sondern Wasserstoff-Lkw. Das erste Modell „One“ wird derzeit entwickelt, es soll mit einer Leistung von mehr als 1000 PS bis zu 1900 Kilometer Reichweite bieten. Damit löste die Firma bei der Präsentation des Fahrzeugs einen regelrechten Hype aus, über 7000 Vorbestellungen gingen anschließend ein – obwohl der Lkw erst 2021 gebaut werden soll.
Hinter Nikola stehen auch zwei in der Autobranche bekannte Investoren: Neben dem Zulieferer Bosch investierte auch CNH Industrial, der Mutterkonzern des Lkw-Herstellers Iveco, in das Start-up. Und auch Daimler testet derzeit die Brennstoffzelle als Antrieb für ein Nutzfahrzeug – allerdings ein paar Nummern kleiner: In Tokio präsentierte die Tochtermarke Fuso den „Vision F-Cell“, einen 7,5-Tonner, dessen Wasserstoffvorrat für bis zu 300 Kilometer reichen soll.
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