Hilden Bundesweit fehlen laut Bundesverband Spedition und Logistik rund 45.000 Berufskraftfahrer. Tendenz steigend. Schlimmstenfalls drohen Lieferengpässe.
Hinter dem Steuer ihrer PS-starken Maschinen genießen Trucker die Freiheit und rollen, begleitet von Countrymusik, von einem Abenteuer ins nächste. Von dieser romantischen Vorstellung eines Berufskraftfahrers ist nicht viel übriggeblieben. Heute zählen vielmehr Überstunden, Zeitdruck, magere Bezahlung und wenig Wertschätzung zum Alltag. Immer weniger Frauen und Männer wollen Kraftfahrer werden.
„In den kommenden sieben Jahren gehen 30 bis 40 Prozent unserer Fahrer in den Ruhestand“, bestätigt Ralf Schlechtriem, Geschäftsführer der Hildener Firma Inntralog den bundesweiten Trend. „Seitdem die Wehrpflicht weggefallen ist, ist es immer schwerer, Fahrer zu finden.“ Die Bundeswehr hat jährlich rund 15.000 Fachkräfte mit Lkw-Führerschein aus dem Dienst entlassen. Die fallen nun weg. Für die Speditionen ist es fast unmöglich, diesen Trend aufzufangen.
„Wir bilden auch aus“, so Schlechtriem. „Das ist nicht nur ein Kostenfaktor – es dauert auch zweieinhalb bis drei Jahre. In dieser Zeit können wir nicht flexibel auf den Markt reagieren. Und am Ende ist es umso ärgerlicher, wenn die Fahrer zu einer anderen Spedition wechseln.“ Die Hildener haben deshalb andere Rezepte, um den Trend zu begegnen: „Wir bieten unseren Mitarbeitern einen neuen Fuhrpark. Die Fahrer haben bei der Ausstattung Mitspracherecht. Sie sollen sich in ihrem Fahrzeug wohlfühlen.“ Zusätzlich setzt das Unternehmen auf Sozialleistungen.
Und dennoch sind viele Fahrer auf dem Sprung. „Wir haben aktuell rund 11.000 wechselwillige Fahrer in der Kartei“, so Felix Engel von der Agentur „Road Heroes.“ Ebenso mehr als 500 potentielle Arbeitgeber. Die Internetplattform vermittelt zwischen beiden Fronten und kennt die Probleme aus dem Effeff.
„Attraktive Jobangebote ziehen Fahrer aus dem Markt“, so Felix Engel. Die Berufskraftfahrer werden zunehmend sesshaft, möchten in Wohnortnähe arbeiten und am Wochenende Zeit mit der Familie verbringen. „Die Fahrer machen ihren Job mit Herzblut“, weiß Anna Rohn, Mitarbeiterin der Road Heroes aus unzähligen persönlichen Gesprächen. „Und doch haben sie resigniert. Die Arbeitszeiten sind nicht mit einem Privatleben vereinbar, 1800 Euro für 50 Wochenstunden im Nahverkehr sind keine Seltenheit. Vor allem aber fehlt ihnen die Wertschätzung. Dabei sind es manchmal kleine Dinge, wie eine Waschkarte, die den Ausschlag geben.“
Felix Engel ergänzt: „Viele Unternehmen behandeln die Fahrer nicht auf Augenhöhe. Die Auftragsbücher sind voll und doch sorgen veraltete Einstellungsprozesse und fehlende Recruiter dafür, dass Speditionen keine Fahrer finden.“ Diese weichen dann häufig auf ausländische Fahrer aus. Doch: „Das Lohnniveau steigt auch dort und die Fahrer sind nicht mehr bereit, ihr Heimatland zu verlassen.“ Darüber hinaus drängen ausländische Unternehmen in den deutschen Markt, die die Dienstleistungen günstiger anbieten.
Dazu kommt: „Die Unternehmen fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. So sind die Gesetze zum Erwerb des Lkw-Führerscheins deutlich verschärft worden.“ Ralf Schlechtriem führt aus: „Es fehlen Parkplätze, die Raststätten sind in einem miserablen Zustand und die Akzeptanz in der Gesellschaft wird immer geringer. Erst, wenn die Regale leer sind, wird sich das ändern.“
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