Zwei Frauen werden an der Mindelheimer Berufsschule zu Lkw-Fahrerinnen ausgebildet. Sie erzählen, warum es ihr Traumjob ist.
Tamara Haupt ist zahnmedizinische Fachangestellte. Jetzt fährt sie 40-Tonner für ein Augsburger Speditionsunternehmen. Lara Bortolot aus Schrobenhausen ist gelernte Fachkraft für Automatenservice. Auch sie hat ihren alten Beruf an den Nagel gehängt. Seit vorigem Jahr lenkt sie für eine Firma aus Hohenwart bei Freising einen 16,5 Meter langen Brummi durch Deutschland und ins nahe Österreich. Die beiden jungen Frauen erfüllen sich gerade einen lang gehegten Traum: Sie lassen sich zum Berufskraftfahrer an der Berufsschule in Mindelheim ausbilden.
Seit Beginn der Ausbildung dürfen sie ans Steuer eines Großlastwagens, allerdings nur im Inland, sagt der Leiter der Abteilung Berufskraftfahrer an der Berufsschule, Peter Dempfle. Für Österreich gilt eine Sonderregelung. Frauen sind unter Lkw-Fahrern eine Seltenheit – noch, jedenfalls wenn es nach dem Willen der Branche geht. Aktuell sind nur 1,7 Prozent der Fahrer weiblich, hieß es vonseiten des Bundesverbandes Güterverkehr, Logistik und Entsorgung.
Die Unternehmer suchen händeringend nach Fahrern, und viele hoffen, dass sich junge Frauen für diesen Beruf interessieren. Zehntausende Stellen sind nicht besetzt. Bei Busfahrern dagegen ist schon fast jeder Dritte weiblich. Lara Bortolot ist 23 Jahre jung, ihre Mitschülerin Tamara Haupt 22. Beide befinden sich im zweiten Lehrjahr als Berufskraftfahrer in Mindelheim. In ihrer Klasse sind von 25 Auszubildenden vier Frauen. Lara ist jemand, die am liebsten unterwegs ist. „Ich will etwas von der Welt sehen“, sagt sie. Und das könne sie wunderbar mit dem Beruf eines Lkw-Fahrers verbinden.
Auch dämliche Sprüche haben die beiden Lastwagenfahrerinnen schon bekommen
Bei Tamara ist das Reisefieber nicht geringer. Wenn sie Urlaub hat und mal ein paar Tage nicht auf ihrem 40-Tonner thronen darf, und plötzlich irgendwo auf der Straße ein Firmenfahrzeug auftaucht, würde sie am liebsten gleich wieder Stückgut auf Paletten ausfahren.
Frauen am Steuer eines Sattelzuges sind immer noch ein ungewohntes Bild in einer Welt der Männer. Manchmal werde man schon noch „blöd angeschaut“, sagt Tamara Haupt, wenn sie aus der Führerkabine aussteigt. Dann kann schon mal ein Spruch kommen der Art, wo denn der Fahrer bleibe. Die junge Augsburgerin kontert einfach mit einem ebenso dämlichen Spruch. Und gut ist’s.
Weil Fahrer auch fürs Entladen zuständig sind, meinen manche Männer, den Kavalier geben zu müssen. Bei Tamara Haupt kommt das nicht gut an. Sie macht ihre Arbeit immer allein und lässt sich nicht als hilfsbedürftiges Hascherl behandeln. Das seien aber die großen Ausnahmen, sagen beide. Mit den Fahrerkollegen – egal woher sie kommen – sei ein gutes Auskommen. „Da lernt man tolle Leute kennen“, sagt Tamara Haupt. Bei Kunden freut sie sich schon, wenn sie gute Bekannte trifft und mit ihnen ein Schwätzchen halten kann.
Auf der Strecke allerdings ist von allzu großem Zusammenhalt der Fahrer oft wenig zu spüren. Da kommt dann das eigene Ego durch, wie es Haupt formuliert. Die beiden jungen Frauen wundert das nicht. Der Zeitdruck ist oft groß. Wenn dann ein Lkw vor einem fährt, der drei Stundenkilometer langsamer ist, dann wird eben überholt – zum Ärger mancher Autofahrer. Das bringe ein paar Minuten, und die sind wertvoll. Wenn sie ihren Termin nicht halten können, „rufe ich die Dispo und den Kunden an“, sagt Haupt.
Nicht jeder ist vom Berufswunsch der beiden Mindelheimer Schülerinnen begeistert
Als sie ihren Eltern von ihrem Berufsziel Lkw-Fahrer erzählten, herrschte nicht sofort Begeisterung. Bortolot sagt, ihre Mutter habe sich schon Sorgen gemacht. Schließlich werden auch Lkw immer wieder in Unfälle verwickelt. Als sie aber die Begeisterung gesehen hat, mit der die Tochter ans Werk ging, war sie einverstanden. Die Väter hatten ohnehin kein Problem damit. Sie waren selbst beide Lkw-Fahrer.
Sie sind sich der Gefahren im Straßenverkehr bewusst. Tamara Haupt hat schon einmal erlebt, wie ihr voll beladener Lkw bei einer Vollbremsung reagiert. Man hat den Eindruck, 40 Tonnen stürzen auf einen herein. Und Lara Bortolot war schon einmal in einen Unfall verwickelt. Ein anderer Lkw hatte die rechte Seite ihres Lkw aufgerissen.
Technikbegeistert sind beide Frauen. Achsen anbinden, Reifen wechseln – solche Dinge lernen die Fahrerinnen meist schon in den Betrieben. Haupt durfte sogar 14 Tage in der Werkstatt mitarbeiten. „Aber wir hoffen natürlich, dass wir das nie brauchen“. Bortolot hat schon immer gerne mit Freunden in der Werkstatt an Mopeds herumgeschraubt.
Aber noch etwas gehört zum Leben als Lkw-Fahrer: kochen. Wenn sie unterwegs sind, bereiten sich die Fahrer ihr Essen ja selbst zu. Wie gesundes Essen zubereitet wird, das lernen die jungen Leute in der Berufsschule in einem eigenen Kurs.
Hoch oben in der Fahrerkabine eines 40-Tonners thronen, das ist für Bortolot und Haupt ein großes Abenteuer. Tamara Haupt schwärmt von aufgehenden Sonnen, denen sie frühmorgens entgegenfährt. Diese Eindrücke seien einfach unbezahlbar. Und Bortolot sagt, man brauche nicht viel zum Glück: einen Fernseher, eine Kaffeemaschine, einen Kocher und ein Ladekabel fürs Handy – all das gibt es in einem modernen Sattelzug.
Zur Quelle dieses Artikels und anderen großartigen Artikeln klick hier