In Zukunft denken und lenken Fahrzeuge eigenständig: Wie weit ist die technische Entwicklung bei Nutzfahrzeugen tatsächlich, welche technischen und rechtlichen Hürden bestehen noch und welche Rolle spielt der Faktor Künstliche Intelligenz?
Einen umfassenden Blick auf den Stand der Technik gibt die internationale VDI-Konferenz Autonomous Trucks am 27. und 28. März 2019 in München. Zwei Experten der Veranstaltung wagen vorab einen Blick in die Zukunft. Sie erläutern auch, was in Sachen Konnektivität und Sicherheit noch zu tun ist.
Künstliche Intelligenz ist die wesentliche Voraussetzung für autonomes Fahren
Autonome Lkw werden die Belastung durch Langstrecken-Nutzfahrzeuge verringern, Liefereinheiten können Pakete vollautomatisch direkt vor die Haustür des Kunden bringen – so sehen typische Zukunftsszenarien aus. Wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung wird der Faktor Künstliche Intelligenz (KI) im Zusammenspiel mit immer leistungsfähigeren Prozessoren und Recheneinheiten im Fahrzeug haben. „Da nicht alle möglichen Situationen des Alltags trainiert werden können, muss das System im Fahrzeug selbstlernend auf die sich ändernden Bedingungen reagieren können“, erläutert Dr. Gerhard Nowak, Partner bei Strategy& Deutschland und Leiter der VDI-Konferenz. Seine Analyse zum Entwicklungsstand bei Künstlicher Intelligenz für Nutzfahrzeuge lautet: „Hier ist noch konkreter Handlungsbedarf gegeben, um die Systeme umfassend einsetzbar zu gestalten. Konnektivität hingegen wird heute bereits von verschiedenen OEMs effektiv umgesetzt. Hier besteht aber auch noch weiteres Ausbaupotential, beispielsweise beim Austausch von Informationen über die Car2Car-Connectivity. Damit kann der Verkehrsfluss besser gesteuert werden, um auf Gefahrensituationen rasch zu reagieren.“
Das Fahrzeug muss Entscheidungen in Sekundenbruchteilen alleine treffen
Mit der Leistung von Grafikprozessor-gestützten Rechenzentren können Fahrzeughersteller die Künstliche Intelligenz schon heute trainieren, um alle Verkehrsszenarien zu erkennen, erklärt Serkan Arslan, Director of Automotive bei NVIDIA Emea: „Die Simulation kann die Technologie testen und validieren, um zu gewährleisten, dass sie sich sicher auf der Straße verhält.“ Autonome Fahrzeuge dürfen nach seinen Worten nicht auf externe Quellen durch Konnektivität angewiesen sein, weder auf andere Fahrzeuge noch auf die Infrastruktur oder das Internet. „Fahrentscheidungen müssen innerhalb von Sekundenbruchteilen getroffen werden, so dass die gesamte Sensorverarbeitung im Fahrzeug erfolgen muss. Sobald das autonome Fahrzeug jedoch eine eigenständige Autonomie hat, können andere Datenquellen die Wahrnehmung erweitern, beispielsweise Objektdaten für nahegelegene Fahrzeuge, Zustandsdaten von Ampeln oder Crowdsourcing-Verkehrsdaten. Daten aus anderen Quellen dienen als neue Sensormodalitäten und können die Sicherheit des Fahrzeugs erhöhen“, erläutert Arslan weiter. Natürlich sei die Konnektivität auch entscheidend für die Durchführung von Updates over the air (OTA), wie zum Beispiel über Wi-Fi, 4G oder 5G. „Wenn 5G verfügbar ist und V2X (Vehicle to Everything) implementiert ist, wird die flexible NVIDIA Drive-Plattform die Vorteile nutzen können.“
Erste Anwendungen beginnen zunächst in klar definierten Bereichen
Typische Anwendungssituationen für autonome Lkw erwartet Nowak zunächst in abgesperrten Bereichen, wie auch heute schon in ersten Use-Cases praktiziert. „Weitere Bereiche sind Situationen mit kontrollierbaren oder wenigen humanen Interaktionen. In diesem Zusammenhang ist auch der autonome Transport von Gütern auf ausgewiesenen Autobahnspuren vorstellbar. Aufgrund der bestehenden Infrastruktur und besonderer Regulierungsvoraussetzungen sehe ich hier in den USA den schnellsten Einsatz“, so der Experte weiter. Ein entscheidender Faktor ist naturgemäß die Zuverlässigkeit und Datensicherheit der Lösungen. Technisch muss ein System vorhanden sein, das gegen Cyberattacken immun ist und den Endkunden bei seiner Aufgabe nachhaltig unterstützt. „Zuverlässige Voraussetzungen für den Betrieb eines autonomen Nutzfahrzeugs durch eine eindeutige Regulatorik sind ebenso zwingend notwendig. Darüber hinaus sind es auch nichttechnische Themen wie entsprechende Versicherungsleistungen, die den neuen Betriebsbedingungen Rechnung tragen“, erklärt Dr. Nowak weiter.
Insbesondere schwere Lastkraftwagen und Langstreckentransporte stellen für das autonome Fahren derzeit noch eine große technische Herausforderung dar. Zusammen mit der FAW Group, einem der größten Lkw-Hersteller Chinas, sowie mit dem autonomen Fahrstart PlusAI und Full Truck Alliance (FTA), einem Logistikunternehmen, arbeitet NVIDIA daran, eine fahrerlose, kommerzielle Lkw-Flotte zu entwickeln. Die Einführung ist bereits für das Jahr 2021 geplant. Dieser Schritt soll die Modernisierung der Langstrecken-Transportindustrie in China beschleunigen, die sich auf den groß angelegten kommerziellen Einsatz von KI-gesteuerten, völlig autonomen Lkw-Flotten konzentriert. Arslan ist jedenfalls überzeugt, dass auf mittelfristige Sicht alle Fahrzeugkategorien autonom werden: „Dazu gehört alles vom Pkw über Shuttles bis hin zu Bussen. Darüber hinaus werden Nutzfahrzeuge und Industriefahrzeuge, vom Lieferwagen und Traktoranhänger bis hin zum Bergbau und der Landwirtschaft, enorm von Autonomie profitieren.“
Kurzfristig keine Entlastung für übervolle Innenstädte zu erwarten
Das flächendeckende autonome Fahren in allen Fahrzeugkategorien allerdings dürfte bereits eine Vision für übermorgen sein. Das autonome Fahren wird in kleinen Schritten kommen. Die hohen Verkehrsbelastungen, die etwa durch Express- und Kurierfahrten in Ballungsräumen bestehen, dürften nach Einschätzung von Nowak zumindest auf absehbare Zeit somit bestehen bleiben: „Die flächendeckende Verbreitung von autonom fahrenden Lkw in der urbanen Logistik wird noch lange Zeit dauern. Dies sehe ich als einen der letzten Use-Cases für diese Technologie an.“ Anders sehe die Situation etwa in Verteil- und Logistikzentren aus: „Durch den Einsatz von elektrischen Verteilerfahrzeugen und in Verbindung mit zertifizierten Aufbauten und Trailern besteht die Möglichkeit zur verstärkten Belieferung von Unternehmen und Logistik-Hubs in der Nachtzeit. Diese Entzerrung der Anlieferung führt zu einer erhöhten Effizienz.“
Den aktuellen Stand der Entwicklungen präsentieren Arslan und Nowak gemeinsam mit ihren Kollegen auf der internationalen VDI-Konferenz „Autonomous Trucks – The Future of Transportation“ am 27. und 28.03.2019 in München.
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