Michendorf. Karel Z. ist früh dran an diesem Mittwoch. Der 43-jährige Lastwagenfahrer hat gerade Küchengeräte nach Bayern geliefert und befindet sich auf dem Heimweg nach Polen. Er macht Pause auf der Raststätte Michendorf Süd an der A 10. Noch ist genügend Platz auf dem Rasthof, aber schon am Nachmittag drängen sich die Lastwagen hier dicht an dicht.
Von den geplanten Reformen der EU-Verkehrsminister hat er gehört. Der Lkw-Fahrer sieht das zwiespältig. „Natürlich würde ich meine Familie gern häufiger sehen“, sagt er. Aber gleichzeitig fürchtet er um seinen Arbeitsplatz, wenn die geplanten Änderungen auch tatsächlich umgesetzt werden.
Um gegen Sozialdumping und modernes Nomadentum vorzugehen, will die EU die Situation für Fernfahrer verbessern. Am Wochenende sollen sie unter anderem nicht mehr in der Fahrerkabine schlafen dürfen. Sie müssen dann in einem Gasthof oder einem Hotel übernachten. Fernfahrer sollen ab 2024 außerdem nicht mehr länger als vier Wochen am Stück unterwegs sein, und auch der Aufenthalt ausländischer Fahrer im Inland soll beschränkt werden. Fernfahrer Marek Z. fürchtet daher, dass er künftig seltener nach Deutschland fahren kann und weniger verdienen wird.
Gewerkschaft: Strafen gegen die Unternehmer
Doch ob die geplanten Änderungen auch tatsächlich so umgesetzt werden, ist noch nicht klar. „Ich habe erst einmal laut gelacht, als der österreichische Verkehrsminister die Pläne vorgestellt hat“, sagt der Vorsitzende der Kraftfahrergewerkschaft, Willy Schnieders. Die Vorstellung, dass sich am Freitag Tausende Lastwagen auf den Weg in die Städte machen und nach einem Hotelzimmer suchen, habe ihn belustigt. „Das ist vollkommen unrealistisch“, sagt Schnieders. Das würde zu einem Verkehrschaos und zu einem weiteren Anstieg der Abgase führen. „Das geht gar nicht“, sagt Schnieders.
Viele Fahrer würde es auch nicht stören, in der Fahrerkabine zu schlafen – zumal es dafür Wochenendzuschläge gibt. Stattdessen spricht sich die Kraftfahrergewerkschaft für Strafen gegen die Unternehmer aus. „Wenn jemand am Wochenende im Lastwagen schläft, dann sollte der Empfänger der Ware Strafe zahlen“, fordert Schnieders. So sei es bereits in den Nachbarländern Belgien und Niederlande geregelt. Auf den Fahrern laste schon jetzt enormer Druck. Sie würden von ihren Auftraggebern oft gedrängt, die Ruhezeiten nicht einzuhalten, um schneller anzukommen. Werden sie dabei erwischt, müssten die Fahrer die Strafe zahlen.
Die Gewerkschaft begrüßt dagegen die geplante Beschränkung der Fahrzeit von Fernfahrern. „Vier Wochen im Lastwagen unterwegs zu sein – daran ist nichts Soziales“, sagt Gewerkschafter Schnieders. „Zumal die Löhne katastrophal sind.“ Offiziell erhielten die Fahrer aus den osteuropäischen Ländern zwar den Mindestlohn, umgerechnet auf die Arbeitszeit liege die Entlohnung jedoch oft deutlich darunter.
Ausländische Fahrer müssen sich umstellen
Für deutsche Speditionen werden die neuen EU-Regeln kaum Auswirkungen haben, schätzen Spediteure. „Bei uns endet die Woche am Sonnabendmorgen auf dem Betriebshof“, sagt Wolfgang Stadler, Fuhrparkleiter der Spedition Ulrich Rieck & Söhne in Großbeeren. „Unsere Fahrer verbringen das Wochenende sowieso zu Hause.“
Dass sich vor allem ausländische Speditionen künftig umstellen müssen, sieht auch Kraftfahrer Jörg P. so, der seinen Lastwagen an diesem Mittag in Michendorf neben Marek Z. geparkt hat. „Wenn künftig längere Pausen zwischen den Auslandsfahrten eingelegt werden müssen, dann müssen die sich umstellen“, sagt der 35-Jährige aus Lübben. Er liefert Lebensmittel für eine Supermarktkette aus. Große Hoffnung, dass sich etwas ändert, hat er allerdings nicht. „Wenn es keine Kontrollen gibt, dann ändert sich auch nichts.“ Das sieht die Gewerkschaft genauso. „Es fehlt die Zeit und das Personal“, sagt Schnieders. „Die EU-Pläne sind nicht umsetzbar“, befürchtet er.
Brandenburg gilt als Transitland für Güterverkehr. Auf der Ost-West-Verbindung A 10/A 12 verkehren täglich Tausende Lastwagen. Mit dem Anstieg des Güterverkehrs stiegen auch die Unfallzahlen. Im vergangenen Jahr registrierte die Brandenburger Polizei 14.164 Unfälle mit Lastwagen, das entspricht einem Anstieg um elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig sank die Zahl der Kontrollen im Land von fast 32.000 auf 28.100.
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