Vor drei Jahren wurde ein Lkw mit 71 Toten an der Autobahn bei Parndorf entdeckt. Ein offizielles Gedenken an das Unglück fehlt.
Wien, Parndorf – Als am 27. August 2015 in einer Parkbucht der Autobahn A4 ein Schlepper-Lkw gefunden wurde, war anfangs von „mehreren Toten“ die Rede, die in dem Fahrzeug gefunden worden seien. Erst nach und nach wurde die Tragweite der Tragödie deutlich: In dem luftdicht verschlossenen Kühltransporter mit ungarischer Nummerntafel hatten 71 Flüchtlinge einen qualvollen Erstickungstod erlitten. 59 Männer und acht Frauen, ein etwa zweijähriges Mädchen und drei Buben im Alter von acht bis zehn Jahren starben. Sie stammten aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Ein ungarisches Gericht hat im Juni dieses Jahres vier Schlepper zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Das Drama an der A4 wurde im Jahr 2015 zu einem Sinnbild für die Flüchtlingswelle. Die Bilder des Lastwagens gingen um die Welt.
Der Autobahnabschnitt gehört zur burgenländischen Gemeinde Parndorf. Als die Tragödie bekannt wurde, herrschte im Ort „eine große Betroffenheit, was passiert war, ist furchtbar“, erinnert sich der Parndorfer Bürgermeister Wolfgang Kovacs. Der Politiker der Liste Parndorf – einer parteiunabhängigen Bürgerliste – ist seit 2007 Chef der 5000-Einwohner-Gemeinde. Der Tod der 71 Menschen ist für ihn „eines der größten Unglücke in der zweiten Republik“. Doch eine Erinnerungstafel oder Ähnliches sucht man an der A4 vergeblich. Das sei von Seiten der Gemeinde Parndorf aber weder „eine Frage des Geldes noch des Wollens“ gewesen. „Ein Gedenkstein an der Autobahn interessiert niemanden“, ist Ortschef Kovacs überzeugt: „Da gehen die Parndorfer nicht hin.“ Man habe sich im Gemeinderat stattdessen entschieden, in ein Theaterstück zum Thema zu investieren. Mit „mehreren tausend Euro“ förderte man „71 oder Flucht der Primzahl“, ein Stück, das sich um die unfassbare Tragödie dreht. Kovacs ist überzeugt, dass das Stück „mehr zum Nachdenken anregt“ als eine Gedenktafel.
Der Parndorfer Bürgermeister sieht Handlungsbedarf ohnehin mehr bei der Bundesregierung. „Wir haben eine Regierung, die permanent mit Flüchtlingen Politik macht“, spricht der Bürgerlisten-Politiker die ÖVP-FPÖ-Regierung an. Denn diese „klopft sich ständig auf die Schulter, dass sie die Grenzen sperren wollen“. Deshalb der Aufruf von Kovacs: „Wenn die Regierung ein Gedenken will, soll sie ihren Hintern bewegen.“
Weder im Innenministerium von Herbert Kickl (FPÖ) noch im Kabinett von Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) ist ein Mahnmal für die 71 toten Flüchtlinge geplant: Das sei kein Thema.
Quelle dieses Artikels klick hier : Tiroler Tageszeitung