Radfahrer-Tod im toten Winkel

Bis zu 40 Quadratmeter ist der tote Winkel eines Lkw groß. Der wird beim Rechtsabbiegen immer wieder zur tödlichen Falle für Radfahrer. Abbiege-Assistenten könnten diese Unfälle vermeiden helfen, doch es fehlt die gesetzliche Verpflichtung zum Einbau.

Es ist wie bei David gegen Goliath: Der Masse und Größe eines Lkw hat ein Radfahrer nichts entgegenzusetzen. Deshalb haben Unfälle, bei denen Laster und Radler beteiligt sind, meist besonders schwere, häufig tödliche Folgen. Jüngestes Todesopfer: ein achtjähriger Junge, der am Mittwoch in Berlin von einem Lkw überrollt wurde. Verkehrsexperte Wilko Manz aus Kaiserslautern fordert daher in „Zur Sache Rheinland-Pfalz“ von der Politik, Lkw-Assistenzsysteme zur Pflicht zu machen.

15 tödlich verunglückte Radfahrer in Rheinland-Pfalz

2017 starben auf deutschen Straßen nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) 338 Radfahrer. Davon seien 38 bei Rechtsabbiege-Unfällen ums Leben gekommen. In den ersten Monaten dieses Jahres seien bereits 15 Radfahrer durch Unfälle mit Lkw-Beteiligung getötet worden. Für Rheinland-Pfalz gibt es keine genaue Einteilung nach Unfallursache. Doch auch hier starben laut Innenministerium im vergangenen Jahr 15 Menschen, die mit dem Rad unterwegs waren.

Eine der brenzligsten Situationen für Radfahrer ist der rechtsabbiegende Lkw. Der tote Winkel der tonnenschweren Fahrzeuge kann bis zu 40 Quadratmeter groß sein – darin könnte eine ganze Schulklasse ungesehen verschwinden. Allerdings gibt es mittlerweile ein technisches Hilfsmittel, um den toten Winkel zu überwinden.

Experte fordert Pflicht von Abbiege-Assistenzsystem

Ein einziger Autohersteller hat bislang ein Abbiege-Assistenzsystem entwickelt, das seit etwa zwei Jahren auf dem Markt ist. Einen Lkw nachzurüsten, kostet rund 2.000 Euro. Die Technik ist also da, die Kosten sind überschaubar. Allerdings gibt es bislang keine gesetzliche Verpflichtung, diese lebensrettende Technik in Lkw einzubauen. Genau das fordert nun Professor Wilko Manz vom Institut für Mobilität & Verkehr an der Technischen Universität Kaiserslautern.

EU-weite Regelung notwendig

Dieses Thema müsse dabei auf jeden Fall EU-weit angegangen werden, weil die Fahrzeuge international unterwegs seien. „Wir brauchen EU-Recht, was die Rahmenbedingungen schafft, solche Assistenzsysteme europaweit verpflichtend fortzuschreiben“, so Manz. „Jedes System, das mit geringem Aufwand in der Lage ist, solche schweren Verletzungen oder Todesfälle zu vermeiden, ist ein erheblicher Gewinn für die Sicherheit.“

So funktioniert das Lkw-Assistenzsystem

Sensoren erkennen, ob sich ein Radfahrer neben oder vor einem Lkw befindet. Wenn dem so ist, wird der Lkw-Fahrer mit einem blinkenden Warnlämpchen und einem Signalton gewarnt – der Lkw-Fahrer ist alarmiert, bevor er beginnt abzubiegen.

Die Verletzungsquoten von Radfahrern lassen keinen Zweifel zu, dass die Einführung von Assistenzsystemen Sinn macht. Alexander Koch, Pressesprecher der Polizei Mainz, weist darauf hin, dass bei zehn Verkehrsunfällen sieben Mal Radfahrer verletzt werden. Noch höher sei die Quote bei Unfällen mit Lkw-Beteiligung: Bei neun von zehn Unfällen mit Lkw-Beteiligung wird ein Radfahrer verletzt.

Die Polizei Mainz würde es begrüßen, wenn jeder Lkw mit so einem System ausgestattet wäre, denn das würde „sicherlich den ein oder anderen Verkehrsunfall verhindern“, so Koch.

Auch der ADFC fordert ein entschlossenes Handeln der Politik. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) müsse sich auf Europa-Ebene für die verpflichtende Einführung von Abbiegeassistenzsystemen einsetzen.

Immerhin ist das Thema mittlerweile im Bundesrat gelandet, die Bundesländer machen Druck auf die Bundesregierung. Das Bundesverkehrsministerium wiederum verweist darauf, dass es eine europäisch einheitliche Regelung geben muss. Es sollen erst Kriterien für die Prüfung der Assistenzsysteme geschaffen werden, die international abgestimmt werden können.

SWR