Eine Branche atmet auf: Der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments (EP) sorgt dafür, dass die EU-Vorschriften für Führerscheine an die Besonderheiten von Lieferfahrzeugen mit alternativen – vor allem Elektro-(E-)Antrieben – angepasst werden.
Die Abgeordneten in dem Gremium veränderten einen Gesetzentwurf der EU-Kommission so, dass Fahrer mit dem „einfachen“ Führerschein vom Typ B auch E-Fahrzeuge steuern dürfen, die in aller Regel wegen ihrer Batterien schwerer als 3,5 t sind. Die EU-Kommission war nicht gewillt, die Vorschriften für Führerscheine dauerhaft an die Besonderheiten der E-Autos anzupassen.
Das Problem
Für Fahrer, die professionell am Steuer von Fahrzeugen sitzen, die mehr als 3,5 t wiegen, gelten spezielle Regeln: beim Berufszugang, bei der Aus- und Weiterbildung – und auch bei der Fahrerlaubnis. Bis 3,5 t gilt der „einfache“ Führerschein Typ B. Ist das Auto schwerer, braucht der Fahrer eine Lizenz des Typs C – zumindest in der Klassifizierung „C1“. Was für einen individuellen Chauffeur im besten Fall nur lästig sein mag, ist für Unternehmen, die verstärkt auf E-Fahrzeuge setzen und viele Fahrer beschäftigen, eine kostspielige Angelegenheit.
Sie können bei Fahrzeugen mit Elektroantrieb die Ladefläche verkleinern und somit das Gewicht reduzieren. Oder sie setzen Fahrer mit C-Führerschein ein. Beides ist teuer, denn dafür entstehen direkte Kosten bei der Ausbildung und indirekte durch die Ausfallzeiten, wenn die Fahrer zur Führerschein-Fortbildung in der Fahrschule sitzen.
Deshalb haben einige Mitgliedstaaten der Union, darunter Deutschland, die Niederlande und Frankreich, denen an der Förderung von E-Mobilität liegt, bei der EU-Kommission Ausnahmeregeln beantragt und erhalten. Ihnen zufolge dürfen Fahrer ausnahmsweise und befristet mit einem B-Führerschein auch Fahrzeuge fahren, die schwerer als 3,5 t (maximal 4,2 t) sind, wenn es sich um E-Autos handelt und sie im Lieferverkehr eingesetzt werden.
Der Haken
Die Ausnahmegenehmigungen laufen aus. In den Niederlanden ist das bereits 2016 geschehen, in Deutschland wird es 2019 der Fall sein. Denn die dort Anfang 2015 in Kraft getretene Ausnahme gilt nur für fünf Jahre.
Das bedeutet für die Unternehmen – etwa für die Deutsche Post DHL – „gravierende Planungsunsicherheit“. Der Konzern ist in die Eigenproduktion von E-Fahrzeugen (Streetscooter) eingestiegen und will die selbst hergestellten Lieferwagen mindestens zehn Jahre nutzen. Da ist eine Ausnahmevorschrift für nur fünf Jahre ein Problem. Aus diesem Grund fordert der gelbe Riese schon lange „nachdrücklich die Verstetigung der Ausnahmeverordnung für den Führerschein B“.
Das stieß bei der EU-Kommission auf taube Ohren: Da bislang nur wenige Staaten Ausnahmegenehmigungen beantragt hätten, sieht sie keine Notwendigkeit für eine unionsweite unbefristete Führerscheinvorschrift für E-Fahrzeuge. Und das ihren permanenten Bekundungen zum Trotz, gerade den Verkehr, der für ein Viertel der Kohlendioxidemissionen in der EU verantwortlich ist, nachhaltig zu decarbonisieren.
So ist in ihrem Gesetzentwurf über die Revision der Aus- und Weiterbildung von Berufskraftfahrern, bei dem sie in einem Aufwasch auch die Führerschein-Richtlinie überarbeitet hat, keine Rede von der besonderen Führerschein-Problematik bei E-Fahrzeugen und von einer Ablösung der nationalen Ausnahmen durch eine dauerhafte Vorschrift für die gesamte Union.
Die Lösung
Nicht zuletzt durch das massive Lobbying der Kep-Branche hat der EP-Verkehrsausschuss dieses Manko korrigiert. Mit Hinweis auf die allseits gefordert Reduzierung der Treibhausgase änderten die Abgeordneten den Gesetzentwurf der EU-Kommission ab. Sie formulieren, dass Mitgliedstaaten auf ihrem Territorium bei Lastenfahrzeugen mit alternativen Antrieben das zulässige Gewicht für den einfachen B-Führerschein von 3,5 auf 4,25 t anheben dürfen. Dabei darf die Gewichtserhöhung nur durch die alternativen Antriebsformen zustande kommen – also etwa durch die schweren Batterien bei E-Fahrzeugen.
Es ist nicht zu erwarten, dass die EU-Mitgliedstaaten diese geänderte Formulierung ablehnen werden – dafür sind viele von ihnen zu sehr an einer Reduzierung der Kohlendioxidemissionen und am Einsatz von E-Fahrzeugen interessiert. So spricht wenig dagegen, dass die Änderungen des Parlaments bei der finalen Abstimmung der drei EU-Institutionen durchkommen werden.